IR-PR: Nachrichtenwert nicht befriedigend

Die PR-Arbeit der meisten IT-Firmen erhält gemäss einer Untersuchung des Münchner Kommunikations-Beratungsunternehmens Okroy von Seiten deutscher Fachjournalisten ungenügende Noten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/19

     

Endlich kriegen wir IT-Journalisten quasi offiziell bestätigt, was wir in unserem tiefsten Inneren schon lange empfinden: Die PR-Arbeit der meisten IT-Firmen erhält gemäss einer Untersuchung des Münchner Kommunikations-Beratungsunternehmens Okroy von Seiten deutscher Fachjournalisten ungenügende Noten. Auch in der Schweiz dürfte ein entsprechender Survey kaum ein anderes Ergebnis zeitigen, zumal viele international tätige Firmen die Betreuung der Schweizer Presse an PR-Agenturen im grossen Kanton vergeben haben. Das Fazit der Studie: "Nachrichtenwert nicht befriedigend".




Das wohl beliebteste Mittel zur Information der schreibenden Zunft ist der Press Release - eine ein- bis zweiseitige Meldung ist schnell verfasst und per Post oder E-Mail rasch verteilt. Oftmals scheint die Produktion dieser Wortergüsse aber etwas zu hurtig vor sich zu gehen: Viele Pressemitteilungen enthalten, auf Kosten echter und detaillierter Information, vor allem aufgeblähte Marketing-Sprache, Binsenwahrheiten und Selbstlob. Liebe IT-Firmen beziehungsweise PR-Agenturen: Wir wissen, dass Hersteller X der weltgrösste und sein Produkt Y das allerbeste ist. Es ist uns bekannt, dass heute "Lösungen" statt Box-Moving gefragt sind. "Lösungen" ist überhaupt eine der meiststrapazierten Floskeln - mir kommt bei deren Lektüre irgendwie immer der Chemielehrer in den Sinn, der einen Erlenmeyerkolben voll hellblauer Kupfersulfatlösung in den Händen hält.
Statt Allgemeinplätzen also bitte mehr informative Details.


Lästige Anrufe zehnmal täglich

Die Okroy-Studie weist ferner nach, dass der typische Redaktor durchschnittlich zehn sogenannte proaktive Anrufe pro Tag erhält, sprich: Er wird täglich zehnmal von einem PR-Verantwortlichen belästigt. Oft informiert der Anruf bloss über eine Tatsache, die aus der Website oder aus einer Pressemitteilung schon längst zu ersehen ist. Oder dann handelt es sich um den verzweifelten Versuch, die nächste Pressekonferenz doch mit mehr als den drei Journalisten zu füllen, die sich bisher angemeldet haben. Am allerlästigsten aber sind diejenigen Telefonate, in denen sich die Pressestelle besorgt erkundigt, wann denn nun endlich das per Press Release bekannt gegebene Faktum im Druck zu lesen sei. Zur Information: Die Publikation erhaltener Pressemitteilungen ist nicht obligatorisch, auch wenn dies vielen PR-Agenturen wohl lieb wäre.



Bei Pressekonferenzen - dies ist nun meine persönliche Meinung, andere mögen hier abweichen - bevorzuge ich Events, in denen detailliert über Produkte und Technologien informiert wird, und zwar nicht nur durch das Top-Management, sondern vor allem durch wirklich kundige Vertreter aus Product Management oder sogar Forschung. Veranstaltungen, die ausschliesslich über "Strategien" oder über die neuesten Unternehmenszahlen unterrichten, interessieren mich nicht die Bohne. Und wenn schon allgemeine Informationen zur Firma, dann bitte wenigstens nicht den Einheitsbrei: Auch die Orkoy-befragten Journalisten wussten zu monieren, dass an Pressekonferenzen und in Interviews "Unternehmensformeln oft das persönliche Argument" ersetzten.





Das verschleierte Silbertablett

Eine der schwierigsten Aufgaben des IT-Redaktors, vergleichbar allenfalls mit der Erstbesteigung eines Achttausenders, scheint die Beschaffung von Bildmaterial zu sein. Es gibt zwar auch hier löbliche Ausnahmen, aber es erstaunt immer wieder aufs neue, wie wenig die meisten Hersteller offenbar daran interessiert sind, dass ihr Produkt der Öffentlichkeit nicht nur mit flötenden Worten, sondern auch im glanzvollen Bild vorgestellt wird.



Besonders krass sieht es bei Software aus: Screenshots sind auf dem Web entweder nur in stark verkleinerter Form (Merke: was online gut aussieht, genügt für den Druck meist nicht) oder gar nicht zu haben, und eine Anfrage bei der Pressestelle des betreffenden Unternehmens löst eine Kettenreaktion von Weiterleitungen aus, bis endlich ein Product Manager gefunden wird, der in der Lage ist, die gewünschte Abbildung zu liefern.




Da wäre doch eine Online-Bilddatenbank für beide Seiten viel bequemer, aber bitte nicht so, wie letzthin angetroffen: Vor dem Download des Abbilds einer Digitalkamera musste ein Passwort beantragt werden - ein Vorgang, der die engen Termine des geplagten Redaktors um einen Tag mehr strapazierte. Man müsste eigentlich meinen, Produktbilder seien keine Geheimsache...



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