Thin-Client-Computing ohne Server-Overkill
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/07
Der durchschnittliche PC sei nur zu zehn bis fünfzehn Prozent ausgelastet, meint der koreanische Hersteller Ncomputing –was liegt da näher, als die sonst brachliegenden Ressourcen für andere Zwecke zu nutzen. Die Thin Clients von Ncomputing benötigen denn auch keinen dedizierten Terminal Server und keine teure Infrastruktursoftware: Sie beziehen die Rechenleistung von einem beliebigen vernetzten PC.
Auf dem Host-PC braucht dazu nur die mitgelieferte Multiuser-Betriebssystem-Ergänzung installiert zu werden, im Prinzip ein Terminal Server, der statt der herkömmlichen Microsoft- oder Citrix-Protokolle die hauseigene UTMA-Technik nutzt (Ultra-Thin-Multi-Access) und mit dem Protokoll WoIP arbeitet (Windows over IP). Die UTMA-Software läuft unter Windows 2000 und XP; eine Linux-Variante ist ebenfalls erhältlich. Auf dem Host-PC sind keinerlei Hardware-Anpassungen nötig.
Je nach Prozessorleistung bedient ein Host-PC zwischen ein und zehn OfficeStations; wer mehr als einen Client anhängen will, braucht allerdings ein neueres System: Für zwei bis drei Clients genügt ein Pentium 4 mit Hyperthreading und 2,4 GHz, für die maximal mögliche Anzahl von zehn gleichzeitigen Sessions empfiehlt der Hersteller eine 3,2-GHz-CPU mit mindestens zwei Gigabyte RAM.
Dem Paket liegt neben dem ausführlichen Manual auf CD ein sechsseitiger Quick Installation Guide bei, der auf den ersten Blick etwas mager wirkt. Das täuscht: Die Installation ist wirklich kinderleicht. Box ans Ethernet hängen, Bildschirm, Tastatur und Maus anschliessen, auf dem Host-PC die Software installieren, und das System läuft.
Im Test zeigt sich, dass es auch stabil und ordentlich schnell läuft –und dies sogar in unserer suboptimalen, vom Hersteller ausdrücklich nicht empfohlenen Testkonfiguration mit einem älteren 2,4-GHz-Notebook als Host-PC. Wir haben gleichzeitig auf dem Notebook einen Spielfilm auf DVD betrachtet –ein ressourcenintensiver Vorgang und wohl ebefalls nicht das übliche Einsatzszenario –und konnten ohne merkliche Verzögerungen auf der OfficeStation mit OpenOffice arbeiten. Den gleichzeitigen Betrieb mehrerer Clients konnten wir mangels weiterer Testgeräte leider nicht prüfen.
Host-PC und OfficeStation nutzen parallel die auf dem Host-PC installierten Programme. Das funktioniert mit den meisten Windows-Anwendungen problemlos, die von Haus aus auf den Betrieb mehrfacher Instanzen ausgelegt sind. Der Hersteller weist darauf hin, bei Mehrfachnutzung seien eventuell zusätzliche Lizenzen zu erwerben. Am problemlosesten ist in dieser Hinsicht Open-Source-Software.
Für jede angeschlossene OfficeStation wird auf dem Host-PC ein eigener Benutzer definiert. Der Mitarbeiter meldet sich auf der OfficeStation unter diesem Benuzer-Account an. Die Box lässt sich optional zusätzlich mit einem Hardware-Passwort schützen. Umgekehrt erlaubt eine Autologon-Funktion, die OfficeStation auf Wunsch sofort nach dem Einschalten automatisch unter einem vorbestimmten User-Account anzumelden.
Damit ein Programm allen OfficeStation-Benutzern zur Verfügung steht, sollte es auf dem Host auch «für alle Benutzer» installiert werden. Es empfiehlt sich zudem, jedem User nur seine persönlichen Verzeichnisse freizugeben und den Rest der Harddisk des Host-PC zu sperren.
Als waschechter Ultra-Thin-Client bietet die lüfter- und damit absolut geräuschlose OfficeStation ausser den Anschlüssen für Tastatur, Monitor, Maus und Ethernet sowie einem Audio-Ausgang keinerlei Ports für Erweiterungen. Das getestete Modell L100 hat nicht einmal einen USB-Anschluss für Speichersticks. Auch Slots für andere Speicherkarten sucht man vergebens.
Allerdings ist so auch garantiert, dass weder Unternehmensdaten geklaut werden können noch Schadsoftware ins Netz gelangt. Wer trotzdem einen USB-Port will, muss bis Mitte Jahr warten - dann bringt Ncomputing das neue Modell L200 auf den Markt, das mit einem «USB-Memory-Port» aufwartet, der jedoch nur den Anschluss von Storage-Devices unterstützt.
Auch bei den unabdingbaren Basis-Peripheriegeräten lässt die OfficeStation nur eine beschränkte Auswahl zu: Maus und Tastatur müssen dem PS/2-Standard entsprechen, der fehlende Port macht den Anschluss von USB-Eingabegeräten unmöglich. Der Monitor muss über einen analogen VGA-Anschluss verfügen; moderne Flachbildschirme, die nur einen DVI-Eingang bieten, sind nicht unterstützt.
Es wird wohl kaum jemand auf die Idee kommen, in einem Gross–unternehmen statt einer Citrix-basierten Thin-Client-Umgebung einen Pool von Host-PCs und OfficeStations einzusetzen –dazu sind schon die proprietäre Technologie und das WoIP-Protokoll zu exotisch. Für kleinere Firmen oder sogar als Zweit-Arbeitsplatz zum Home-Computer eignet sich die Lösung jedoch bestens.
Mit einer optionalen Administrationssoftware lassen sich auch umfangreichere Umgebungen realisieren: Ncontrol erlaubt Konfiguration, Management und Monitoring mehrerer im Netzwerk verteilt angeordneter Host-PCs von zentraler Stelle aus.