Unternehmen zu Sparmassnahmen gezwungen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/21

     

Wir hören überall, dass es an Fachkräften fehlt. Schaut man aber auf die Arbeitslosenstatistik, sind genügend arbeitslose Fachkräfte vorhanden. Wo liegen die Ursachen für diese Diskrepanz?



Frank Schabel: Bei den Spezialisten, die momentan am Markt zur Verfügung stehen, muss man genauer hinschauen. Tatsächlich stellen wir fest, dass teilweise sogar erfahrene Spe­zialisten unbeschäftigt sind. Auf der anderen Seite fehlt vielen angehenden Spezialisten noch die Berufserfahrung, die von den Unternehmen vorausgesetzt wird. Drei Jahre sind hier sicher die untere Grenze. Die meisten der Spezialisten, die wir vermitteln, haben mehr als fünf und bis zu fünfzehn Jahre Projekterfahrung. Die Anforderungen der Kunden sind sehr hoch, und das ist einer der Hauptgründe für die anhaltende Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt.






Sie sprachen davon, dass bei der Vermittlung oft das Alter eine Frage sei. Dabei heisst es doch, dass langsam ein Umdenken stattfinden und auf alte Hasen zurückgegriffen würde. Ist dies noch nicht der Fall?



Die Betonung liegt auf dem Wort langsam. Wir vermitteln zum einen Kandidaten in Festanstellung, bedienen unsere Kunden zum andern aber auch projektbezogen. Soll ein Kandidat längerfristig in ein Unternehmen integriert werden, ist zwar Erfahrung, aber auch eine eher jugendliche Dynamik gefragt.
Geht es hingegen um einen temporären Einsatz, ist man viel eher bereit, auf alte Hasen zurückzugreifen. Wieweit der Trend in die Richtung geht, dass älteren Personen auch eine Festanstellung geboten wird, wird die Zukunft zeigen. Spezialisten über 55 Jahre haben es aber recht schwer, direkt eine unbefristete Stelle zu finden.





Hays ist ein international aufgestelltes Unternehmen. Rekrutieren Sie beispielsweise in Deutschland für die Nachfrage in der Schweiz?



Ja, wir rekrutieren länderübergreifend. In der Schweiz konzentrieren wir uns bezüglich der Rekrutierung auf die DACH-Region, weil die Unternehmen häufig deutschsprachige Spe­zialisten nachfragen.





Worin sehen Sie denn die Gründe für den Fachkräftemangel? Ist die Nachwuchsarbeit in der Industrie zu kurzfristig angedacht?



Meiner Erfahrung nach gehen die Firmen heutzutage durchaus weitsichtig vor. Sie beginnen schon früh, zukünftige Spezialisten beispielsweise auf der Personal Swiss oder an den Hochschulen auf sich aufmerksam zu machen und Talente mit attraktiven Programmen für sich zu gewinnen, sei es durch finanzielle Anreize oder auch durch die Internationalität von Grossbanken oder Chemiekonzernen.
Leider macht die Volatilität unserer Wirtschaft vorausschauenden Massnahmen oft einen Strich durch die Rechnung. Vor einem Dreivierteljahr wurden noch Talente gesucht, doch die Hypothekenkrise wird die Unternehmen zu Sparmassnahmen veranlassen. Hays trägt dieser Situation Rechnung, indem wir externe Spezialisten für Projekte mit klaren Aufgaben und einer festgelegten Zeit rekrutieren. Mit ihnen kann ein Unternehmen Engpässe überbrücken oder Grossprojekte besetzen, ohne dass nach getaner Arbeit Entlassungen folgen.
Weil die IT unter den jungen Leuten oft keine hohe Attraktivität besitzt, fehlen allerdings Fachkräfte, die im eigenen Land ausgebildet worden sind. Es wäre auch eine Aufgabe der Politik, der Wirtschaft, des Berufsfelds und der Medien, ein attraktiveres Berufsbild für IT-Berufe zu zeichnen.





Was sind die Gründe, dass dieses Berufsbild vor allem im IT-Sektor ein vergleichsweise negatives Image hat?



Unternehmen wie Apple oder Google besitzen durchaus eine hohe Anziehungskraft. Ein Informatiker bei Google vermittelt nicht das Bild eines etwas weltfremden Programmierers, sondern fast schon das eines Creative Directors. IT-Abteilungen von etablierten Unternehmen aus zentralen Branchen sind dagegen nicht im Fokus des öffentlichen Interesses. Für sie ist es daher schwieriger, junge Fachkräfte für sich zu begeistern.





Die Wirtschaft ist global, die Finanzmärkte sind global, die Unternehmen sind global aufgestellt. Ist die Suche nach Spezialisten ebenfalls global geworden oder beschränkt sie sich in erster Linie auf den jeweiligen Kulturkreis?



Die Globalisierung hat dazu geführt, dass einzelne IT-Bereiche oft innerhalb weniger Monate ins Ausland verlagert wurden. Dadurch haben sich die Anforderungen vor Ort verändert. Für die neuen Aufgaben fehlen oft die geeigneten Fachkräfte. Ob solche Stellen mit Spezialisten aus fremden Kulturen besetzt werden, hängt massgeblich von der Ausrichtung des Unternehmens ab.
Grossbanken oder Chemiekonzerne beispielsweise bemühen sich durchaus um Diversität, während kleinere oder mittlere Soft- ware-Firmen Bewerber aus dem deutschsprachigen Raum deutlich vorziehen. Insgesamt scheint die internationale Rekrutierung aber an Bedeutung zu gewinnen.





Wenn Sie beispielsweise einen indischen IT-Spezialisten haben, der auf die zu besetzende Stelle passen würde: Ist es schwieriger, Ihren Kunden davon zu überzeugen, dass dieser Mitarbeiter die richtige Wahl ist?



In schweizerischen oder deutschen KMU ist so etwas sicherlich nicht einfach. Allenfalls kommen hier Spezialisten aus den osteuropäischen Staaten in Frage. Häufig gilt es bei ausländischen Spezialisten Überzeugungsarbeit zu leisten: Wenn ein Unternehmen dringend einen Spezialisten braucht, sollte es nicht darauf bestehen, nur Schweizer anzustellen.





Wie muss ich mir den Vermittlungsprozess vorstellen?



Wir unterhalten ein zentrales Rekrutierungsmanagement mit ca. 60 Mitarbeitern, die täglich aktiv unser Netzwerk von bestehenden Kandidaten pflegen oder Kontakte zu neuen Kandidaten aufbauen. Unser Netzwerk im deutschsprachigen Raum besteht aus etwa 100’000 Spezialisten.





Wie erreichen Sie die zu rekrutierenden Spe­zialisten?



Wir rekrutieren für unsere Kunden in der Regel Experten. Interessant werden diese, wenn sie mehr als drei bis vier Jahre Berufserfahrung haben. Kandidaten sprechen wir auf Messen, über Jobbörsen, in Fachmagazinen und auch über unsere Website an. Für Hays sind derzeit rund 4000 Spezialisten im Einsatz – das nährt natürlich auch unser Netzwerk.





Was ist Ihre Kundengruppe in der Schweiz?



Sie ist bunt gemischt. Wir arbeiten mit den namhaften Grossunternehmen zusammen, aber auch mit zahlreichen KMU.




Welche Bereiche decken Sie neben dem IT-Engineering noch ab?


Immer wichtiger werden Pharma sowie Finance, in der Schweiz zudem der Bereich Legal. Wir werden künftig wie unsere Muttergesellschaft in England unser Serviceportfolio sukzessive auf weitere Bereiche erweitern.





Wieso können Sie auch auf Spezialisten im Pharma-Bereich zurückgreifen?



Da kommt uns wiederum unser Netzwerk zugute und unsere Kompetenz, Kontakte zu Spezialisten zu knüpfen. Zusätzliche Dynamik hat diese Sparte dadurch bekommen, dass unser Mutterkonzern Hays plc in Grossbritannien einen Rekrutierer, der sich auf Pharma spezialisiert hat, aufgekauft hat.





Wie viele Kunden haben Sie in der Schweiz?



Derzeit bedienen wir knapp hundert Unternehmen.





Wie viele Spezialisten suchen Sie für die Schweiz?



Momentan haben wir bei den projektbezogenen Einsätzen und den Festanstellungen zusammen etwa 600 offene Positionen. Je nach Besetzbarkeit schwanken die Zahlen bei den temporären Anstellungen allerdings stark.





Wie ist das Verhältnis bezüglich der Art der Einsätze?



Unsere Wurzeln liegen im projektbezogenen Geschäft. Die Vermittlung von Festanstellungen gewinnt jedoch kontinuierlich an Bedeutung.





Im Laufe der letzten Jahre und mit dem Siegeszug des Internets hat sich die Art und Weise des Rekrutierens gewandelt. Nutzen die Firmen denn schon alle Kanäle für die Fachkräftesuche?



Das hängt von der Grösse des Unternehmens ab. Grossfirmen schöpfen nahezu alle Kanäle aus und sind zum Beispiel auf den Websites von Hochschulen vertreten. Kleineren und mittelständischen Unternehmen fehlen dazu die Ressourcen. Für sie ist es deshalb genauso hilfreich wie für die Grossen, mit einem Partner wie Hays zusammenzuarbeiten. Sie erreichen dadurch eine grössere Anzahl geeigneter Bewerber und sparen sich die Zeit und die Kosten, die beim Rekrutierungsprozess von der Anzeigenschaltung bis zur Auswahl eines Kandidaten anfallen. Die sind meist höher als Unternehmen annehmen.





Was sind die geschäftlichen Zielvorgaben für die nächsten zwei Jahre?



In den letzten Jahren ist Hays in der deutschsprachigen Region im Bereich von circa 30 Prozent jährlich gewachsen. In Grossbritannien hingegen ist der Markt eher gesättigt, denn Hays ist dort bereits in allen Bereichen und Vertragsarten vertreten. Die Wachstumsmärkte des Konzerns liegen deshalb in Kontinental- und Osteuropa sowie in Asien. Deutschland und auch die Schweiz leisten hier einen wichtigen Beitrag.





Bemüht sich Hays, seinen Namen zum Beispiel mit Hilfe von Imagekampagnen bekannter zu machen, oder verlässt man sich auf die Mundpropaganda, das Netzwerk?



Seit einiger Zeit wird in dieser Hinsicht sehr viel getan, gerade im PR-Bereich. Es geht uns jedoch nicht darum, die breite Masse zu erreichen. Wir decken ein Premium-Segment ab und möchten dieses auch ansprechen – in erster Linie Spezialisten und potentielle Kunden. Vieles an Neugeschäft entwickeln wir aber über Empfehlungen.





Sind Sie auch in der französischsprachigen Schweiz vertreten?



Seit drei Jahren sitzt in Genf ein schlagkräftiges Team. Dort und auch in Basel, unserer dritten Schweizer Niederlassung, haben wir gute Entwicklungen und gutes Wachstum.





Wie viele Leute arbeiten insgesamt für Hays in der Schweiz?



In der Schweiz arbeiten circa 70 Mitarbeiter für Hays, weltweit sind es knapp 9000.

(abr)


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