Web 2.0: Ist Microsofts Leadership in Gefahr?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/10

     

Eigentlich ist es schon fast tragisch: Da ist Microsoft der unangefochtene Marktführer, der praktisch in jedem Quartal neue Rekordergebnisse präsentiert, und trotzdem zittert man in der Chefetage. Denn es gibt Anzeichen dafür, dass man einen Megatrend verschlafen hat. Wobei verschlafen vielleicht der falsche Ausdruck ist, schliesslich hat der Softwareriese ja in verschiedenen Anläufen bisweilen krampfhaft versucht, in dem Gebiet Fuss zu fassen, in dem die Googles dieser Welt herrschen – dem Internet. Und da­mit meine ich nicht das Internet, in dem her­umgesurft wird, sondern dasjenige, in dem unser virtueller Arbeitsplatz der Zukunft sein wird.
Schaut man sich den Aktienkurs an, entsteht der Eindruck, Microsoft sei irgendeine lahme Versicherungsgesellschaft, die jedes Jahr brav ihre Profite einfährt. Es gab gar eine Abstrafung mit einer Kurseinbusse von über 10 Prozent, weil die letzten Zahlen die Analysten-Erwartungen nicht erfüllt haben. Zum Vergleich: Der Wert von Google hat sich in den letzten 12 Monaten mehr als verdoppelt. Kein Wunder: Microsoft hatte letztes Jahr nur 8, Google hingegen 92 Prozent Wachstum vorzuweisen.





Die erfolgreichen Internet-basierten Firmen sind in den Augen vieler einfach cooler als Microsoft. In der Tat hat das Modell, Software über das Internet zur Verfügung zu stellen, etwas Cooles. Es garantiert nämlich dem Benutzer jederzeit ein State-of-the-art-Erlebnis, weil die Betreiber, wann immer sie wollen, Verbesserungen an ihren Produkten vornehmen können, die dann auch sogleich allen zur Verfügung stehen. Microsoft hingegen muss für jedes Update Code auf Hunderten von Millionen PCs verteilen. Entsprechend sind die Erneuerungszyklen sehr lang. Vista ist das erste grosse Update seit Windows XP im Jahre 2001.
Ray Ozzie, Miterfinder von Lotus Notes und seit einigen Monaten bei Microsoft, soll den Redmondern nun endlich zum Durchbruch auf dem Internet verhelfen. Einfach ausgedrückt hat er dafür zu sorgen, dass es von all dem, was Microsoft macht, auch eine Internet-Version gibt. Unter www.live.com werden nun nach und nach die Ergebnisse dieser neuen Ausrichtung auftauchen. Bereits stehen dort Microsofts neue Suche, eine Hotmail-Integration und andere Arbeitsinstrumente zur Verfügung.






Doch wie weit ist Microsoft im Vergleich zur Konkurrenz? In den Google Labs sind einige neuartige Tools vorhanden, berauschend ist das Angebot allerdings nicht. Das meiste dreht sich weiterhin um die Suche, und die interessanten Arbeitswerkzeuge sind weiterhin fette Client-Anwendungen zum Herunterladen. Da haben andere schon mehr zu bieten. Zum Beispiel Salesforce.com, das mit seiner rein Internet-basierten CRM-Lösung den alten Fat Clients allemal das Wasser reichen kann. Von einem kompletten Internet-basierten Arbeitsplatz ist offiziell noch nicht viel zu sehen. Microsoft hat mit über 35 Milliarden Cash sicher die nötigen Mittel, um sich gegen die Konkurrenz zu wehren. Vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, das viele Geld einzusetzen. Immerhin hat Microsoft schon in den 90er Jahren gegen Netscape bewiesen, dass sie auch noch gewinnen können, wenn sie spät ins Rennen steigen. Meine Prognose: Es wird zwar knapp und anstrengend, aber Redmond schafft es trotzdem.




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