Produktiver entwickeln mit Visual Studio 2010
Quelle: Vogel.de

Produktiver entwickeln mit Visual Studio 2010

Die neueste Ausgabe von Visual Studio bringt einige längst überfällige Neuerungen und hilft den Entwicklungsprozess zu beschleunigen und die Software-Qualität zu verbessern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/04

     

Am 12. April lanciert Microsoft Visual Studio 2010, das gemeinsam mit dem .Net Framework 4.0 und einer neuen Ausgabe des Team Foundation Servers (TFS) erscheinen wird. Die Version 4 von .Net bringt unter anderem bessere Unterstützung von dynamischen Sprachen, Entwicklung für Multicore-CPUs sowie generalüberholte Varianten der Windows Workflow Foundation (WF 4.0) und der O/R-Mapping-Technologie Ado.Net Entity Framework. Der Team Foundation Server 2010 ergänzt Visual Studio um Team- und Software-Development-Lifecycle-Funktio-nen wie Work-Item-Tracking (Bugs, Tasks etc.), Source-Control und Build-Management.


Im vorliegenden Test haben wir uns rein auf die Visual-Studio-Entwicklungsumgebung konzentriert. Die bislang verwirrende Aufteilung auf unterschiedliche Visual-Studio-Editio-nen hat Microsoft etwas vereinfacht. Neben den abgespeckten, kostenlosen Express-Versionen wird es neu nur noch die Varianten «Professional», «Premium» und «Ultimate» geben. Während es sich bei «Professional» um das Standard-Paket mit den elementaren Werkzeugen handelt, umfasst «Premium» zusätzlich Basis-Funktionen für Tes-ter und eine Reihe von Tools für die Datenbankentwicklung (bislang in der Database Edition enthalten). «Ultimate» ersetzt die bisherige Team-Suite-Edition und bietet erweiterte Funktionen für Architekten und fortgeschrittene Testwerkzeuge. Nur die Ultimate-Variante unterstützt alle nachfolgend beschriebenen Features. Mehr zu den verschiedenen Editionen finden Sie auf Seite 43.


Wechsel auf WPF

Microsoft hat die komplette Visual-Studio-Umgebung – ähnlich wie bei den Werkzeugen aus der Expression-Studio-Reihe – auf die Vektor -basierte User-Interface-Technologie Windows Presentation Foundation (WPF) umgestellt. Unter Entwicklern herrschte bislang grosse Skepsis, ob ein solch radikaler Wechsel nicht zu einer trägen und mit grafischem Firlefanz angereicherten Benutzer-oberfläche führen würde. Der von uns getestete Release Candidate, der seit Mitte Februar erhältlich ist, bestätigt diese Bedenken jedoch nicht. Die neue Umgebung von Visual Studio 2010 fühlt sich fast so schnell an, wie diejenige des Vorgängers. Auch am Look-and-Feel hat sich bis auf die blaugraue Farbgebung nur wenig geändert.

Der Wechsel auf WPF bringt neben einigen neuen Visualisierungshilfen auch im Code-Editor einige praktische Vorteile: Neben der Möglichkeit, den Code zwecks besseren Überblicks stufenlos zoomen zu können, ist nun auch das Einblenden von grafisch aufbereiteten Zusatzinformationen wie beispielsweise notizzettelartigen Kommentaren, UML-Sequenzdiagrammen oder Änderungsverläufen von Code möglich. Solche Extras sind aber in VS 2010 standardmässig noch nicht zu finden. Das will Microsoft Drittanbietern überlassen, die den Editor mit Add-ins erweitern können.


Visual Studio 2010 bringt nun endlich die bislang schmerzlich vermisste Unterstützung für Multi-Monitor-Umgebungen. So kann man nun einzelne Fenster wie zum Beispiel die Toolbox, Property-Dialog oder Code-Fenster auch ausserhalb der Umgebung auf einem zweiten Monitor platzieren.


Neue Hilfen beim Coden

Auch an der Funktionalität des Editors wurde gegenüber dem Vorgänger noch einmal erheblich geschraubt. Hinzugekommen ist etwa das Highlight-References-Feature, mit dem alle Stellen, an denen ein Symbol (Property, Variable, Methode etc.) mit demselben Namen verwendet wurde, mit einer Farbe hinterlegt werden. Per Shortcut kann direkt zwischen den Symbolen hin- und hergesprungen werden. Praktisch ist auch der Navigate-to-Befehl, der beim Auffinden und Anspringen einer gewünschten Klasse, Methode oder Variable im aktuellen Projekt hilft. Die Funktion View-Call-Hierarchie erlaubt es, auf Knopfdruck ein- und ausgehende Codeaufrufe von Methoden und Properties zu visualisieren.


Die aus C# oder Visual Basic bekannten Snippets halten nun auch Einzug in den HTML-Editor. Damit lassen sich vorbereitete HTML-Konstrukte etwa für Tabellen, Buttons oder Formulare auf Knopfdruck in den Code einfügen.


Leider hat es Microsoft versäumt, die dürftigen Refactoring-Funktionen der Vorversion auszubauen. Im C#-Code-Editor sind nach wie vor nur die bisherigen sechs Refactoring-Methoden zu finden und bei Visual Basic fehlen diese weiterhin.


Werkzeuge für Sharepoint und Azure

Sharepoint-Entwickler können aufatmen: Die bislang arg vernachlässigte Unterstützung für die Erstellung von Sharepoint-2010-Erweiterungen wird mit Visual Studio 2010 der Vergangenheit angehören. So gibt es nun eine stattliche Zahl von Projektvorlagen für verschiedene Sharepoint-Artefakte wie beispielsweise Site- und List-Definitions, Workflows, Content-Types oder Event-Receiver, welche ein Grundgerüst mit den benötigten Code- und Konfigurationsfiles bereitstellen. Ausserdem ermöglicht Visual Studio auch die Erstellung von sogenannten Visual Webparts. Dabei handelt es sich um eine alternative Herangehensweise für die Erstellung von Webparts, bei der dessen Benutzerinterface wie bei den Asp.Net- User-Controls mit einem visuellen Designer zusammengeklickt und über eine Code-behind-Datei mit Logik versehen werden kann.


Visual Studio 2010 bietet nun auch einen grafischen Editor, mit dem sich bequem Sharepoint Solutions (WSPs) zusammenstellen lassen. Das sind zu einem Deployment-Paket zusammengefasste Sharepoint-Komponenten, die dann als einheitliche Lösung auf dem Server installiert werden können. WSPs lassen sich direkt aus einem Projekt heraus auf Knopfdruck (F5) erzeugen und auf dem Entwicklungsserver zum Austesten installieren.


Neben der Sharepoint-Unterstützung kommt Visual Studio 2010 neu auch mit Werkzeugen für die Cloud-Entwicklung, sprich Windows Azure (derzeit noch als separater Download). Diese enthalten neben Projektvorlagen und Deployment-Tools auch eine lokale Azure-Test-umgebung, für Offline-Tests.


Effizienter Testen

VS 2010 bietet jetzt Unterstützung für Test Driven Development (TDD), einem iterativen Vorgehensmodell, bei dem Testklassen vor dem eigentlichen Code implementiert werden. Sowohl die Projektverwaltung als auch der Editor wurden mit entsprechenden Hilfen ausgestattet, um einerseits Testklassen zu erstellen und andererseits daraus das jeweilige Gegenstück, die eigentliche Code-Implementation, generieren zu können. Wird im Code zum Beispiel eine Klasse, ein Attribut oder eine Methode verwendet, bietet der Code-Editor per Smart-Tag an, dessen Rumpf (Stub) an gewünschter Stelle zu erzeugen. Neu hinzugekommen ist auch eine sogenannte Test-Impact-Analyse, mit der man sich anzeigen lassen kann, welche Tests bei einer Codeänderung erneut durchgeführt werden müssen. Das reduziert den Zeitbedarf erheblich.


Automatische Tests für Benutzer-oberflächen gab es bislang nur für Web-Anwendungen. Neu können UI-Tests auch an Windows- und WPF-Programmen durchgeführt werden. Praktisch: Die Test-reihen mit den entsprechenden Maus- und Tastaturaktionen können mit einem Rekorder aufgezeichnet werden. Der notwendige Testcode wird anschliessend automatisch generiert.


Mit dem Test Manager 2010 bietet Microsoft zusätzlich eine eigenständige Anwendung für die Durchführung von verschiedenen Test-Cases. Das Werkzeug führt Softwaretester anhand einer Taskliste durch eine vorgegebene Serie von Tests und lässt sogenannte Work Items erstellen, die auf dem zentralen Team Foundation Server mit allen aufgezeichneten Daten gespeichert werden.


Code analysieren

Immer häufiger werden Entwickler mit bereits bestehendem Code konfrontiert, der erweitert, gewartet oder in andere Programme integriert werden muss. Der Architect Explorer hilft neu dabei, die Architektur und Funktionsweise von vorhandenen Programmen zu verstehen. Das Werkzeug kann aus bestehendem Code Dependency-Graphs erzeugen (Baum- und Netzdiagramme, Abhängigkeitsmatrix), die die Abhängigkeiten von verschiedenen .Net-Komponenten (Assemblies), Namespaces oder Klassen aufzeigen. Mit Hilfe von «Zoomfunktio-nen» kann man in der generierten Grafik oder via eine Exploreransicht zu weiteren Details navigieren, um einzelne Klassen und ihre Funktionsweise auszuspähen.



Modellieren mit UML 2.0

Eine der grossen Schwächen der bisherigen Visual-Studio-Versionen waren die unzureichenden Modellierungswerkzeuge. Nachdem Microsoft in den vergangenen Jahren versucht hat, auf Kosten von UML eigene Modellierungssprachen zu etablieren, scheint der Druck von Kundenseite nun zu gross geworden zu sein. So werden ab Visual Studio 2010 zunächst fünf der insgesamt dreizehn UML-2.0-Diagrammtypen unterstützt. Dazu gehören die Typen Activity, Class, Component, Sequence und Use Case. Allerdings eignen sich die UML-Funktionen nur zum Aufzeichnen von Modellen. Eine Verknüpfung mit oder ohne Generierung von Programmcode ist nicht vorgesehen. Immerhin können aber Sequenz-Diagramme aus bestehendem Code generiert werden.


Microsofts bisheriger, mit dem Code synchronisierbaren Klassendesigner wird übrigens weiterhin parallel zum UML-Klassendiagramm in Visual Studio enthalten sein. Auch das Layer-Diagramm, mit dem sich verschiedene Schichten (z.B. Presentation-, Business- und Data-Layer) einer Anwendung sowie deren Abhängigkeiten modellieren lassen, gibt es weiterhin, wurde aber überarbeitet. So kann nun bestehender Code mit den definierten Regeln des Architekturdiagramms abgeglichen werden. Ist beispielsweise die direkte Kommunikation zwischen Presentation- und Data-Layer nicht vorgesehen, wird dies mit entsprechenden Fehlermeldungen quittiert.


Extension Manager

Visual Studio 2010 unterstützt eine neues, unkomplizierteres Plug-in-Konzept, das auf dem Managed Extensibility Framework (MEF) basiert. Der Vorteil gegenüber den bisherigen Add-ins – die notabene weiterhin unterstützt werden – ist, dass sie nur noch in ein vordefiniertes Verzeichnis abgelegt werden müssen und keine separate Installationsprozedur mehr erfordern. Die installierten Erweiterungen lassen sich über den Extension Manager verwalten. Dieser bietet auch Zugang zu einer Online-Gallery, über die Entwickler ihre MEF-Erweiterungen zur Verfügung stellen können. Neben den eigentlichen Tools unterstützt das neue Konzept auch Projektvorlagen und Controls.


Visual Studio 2010

Fazit
Visual Studio 2010 bringt eine ganze Palette an neuen Funktionen, welche nicht nur die Produktivität und Codequalität erhöhen, sondern auch die Integration in einen Software-Development-Lifecycle-Prozess verbessern.

Features
· Neue UI basierend auf WPF


· Neue Hilfen im Code-Editor


· Tools für Sharepoint 2010 und Azure


· Support für Test Driven Development (TDD)


· Werkzeug für die Durchführung von Test-Cases


· Modellierung mit UML 2.0


· Vereinfachtes Plug-in-Konzept (Online-Gallery)



Positiv
+ Multimonitor-Support erhöht Produktivität


+ Besseres Codeverständnis mit Architecture Explorer und Dependency Graphs


+ Umfangreiches Angebot an Testwerkzeugen


Negativ
– Sharepoint-Tools nur mit Sharepoint 2010 nutzbar


– Einige UML-2.0-Diagrammtypen fehlen


– Keine Codegenerierung aus UML-Diagrammen


Hersteller/Anbieter
Microsoft


Verfügbarkeit/Preis
12. April 2010 / siehe Tabelle






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