HR-Manager 4.0 - vom Bürokraten zum Enabler

Den HR-Bereich zu digitalisieren, gelingt zwar nicht von heute auf morgen. ­Dennoch ist die Aufgabe zu bewältigen, wenn Personalabteilungen agil vorgehen und ihre Prozesse schrittweise automatisieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2020/07

     

Vernetzte IT-Architekturen und Cloud-basierte Software-Tools bieten die Möglichkeit, sich aus dem vielfältigen Angebot genau die Lösungen herauszusuchen, die für das eigene Unternehmen sinnvoll sind. So lassen sich HR-Abläufe vereinfachen, der administrative Aufwand senken und die Effektivität erhöhen. HR-Manager erhalten somit mehr Handlungsspielraum, um sich drängenden Herausforderungen zu stellen, wie etwa qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und durch eine sehr gute Employee Experience zu binden. Doch welche Entwicklungen verändern die Personalarbeit gerade am meisten?

HR-Berufsbilder wandeln sich

Vielversprechende Talente zu finden und für das Unternehmen zu begeistern, wird zunehmend schwieriger. Der Recruiter fungiert als Vertriebler, der seine Organisation als Arbeitgeber an den Mann und die Frau bringen muss. Das erfordert Networking-Kompetenzen, Überzeugungskraft und Verkaufstalent. Darüber hinaus muss sich der Recruiter auf immer neue digitale Kanäle einstellen und die Personalmarketingstrategie flexibel daran anpassen. Auch andere HR-Rollen, wie etwa Business Partner oder Personalentwickler, müssen sich stärker um eine gute Employee Experience bemühen. Während sich das Selbstbild von HR bereits entsprechend gewandelt hat, sehen Mitarbeiter die Personaler nach wie vor eher als Buchhalter und Dienstleister denn als strategische Partner oder gar Change Manager. Das Bewusstsein dafür, dass HR mehr für die Mitarbeiter tun kann, als nur ihre Daten zu verwalten, gilt es erst zu schaffen.


Der administrative Aufwand darf Personalmanager nicht davon abhalten, ihre Kompetenzen in den Feldern Talentmanagement, Qualifizierung, Big Data und People Analytics, Kulturentwicklung, Transformations-Management und weiteren auszubauen. Darum sind Software-Lösungen, mit denen sich HR-Prozesse effizient steuern lassen, unverzichtbar geworden. Doch nicht alle Tools eignen sich für jedes Unternehmen. IT-Affinität und Digitalkompetenz gewinnen daher an Bedeutung: Personalmanager sind gefordert, in enger Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung die Tools auszuwählen, die die eigenen Workflows bestmöglich abbilden können, und diese zielführend einzusetzen.

Software-Landschaft differenziert sich aus

Der Trend entwickelt sich weg von umfassenden Human-Capital-Management(-HCM)-Plattformen hin zu einer Best-of-Breed-Architektur, die sich aus separaten Lösungen für jeden Aufgabenbereich zusammensetzt. Unternehmen wollen die Software Tools und Microservices auswählen, die ihren Bedürfnissen am besten gerecht werden. Beide Möglichkeiten lassen sich auch kombinieren. Genügt ein bestimmtes Modul der HCM-Suite nicht den Anforderungen, kann das Unternehmen ein entsprechendes Cloud-Tool in die Plattform integrieren. Auf diese Weise profitiert der HR-Bereich von einer einheitlichen Plattform und bildet gleichzeitig alle Prozesse optimal ab. So lässt sich der digitale Reifegrad der HR-Abteilung Schritt für Schritt erhöhen.


Die Vielfalt an Möglichkeiten führt dazu, dass sich die IT-Landschaft ausdifferenziert. Das gilt sowohl innerhalb der einzelnen Organisation (die Anzahl der eingesetzten Lösungen steigt) als auch für die Gesamtheit der Unternehmen (die HR-IT wird individueller). In einem Grossunternehmen, das permanent freie Stellen zu besetzen hat, kann es eine sinnvolle Erleichterung sein, per Algorithmus eine Vorauswahl unter den Bewerbungen zu treffen. Ein mittelständischer Handwerksbetrieb hingegen, der den Fachkräftemangel deutlich spürt, kann es sich nicht leisten, Kandidaten vorschnell abzuweisen. Hier braucht es die persönliche Einschätzung des HR-Managers, der Bewerber anhand des Gesamtbilds auswählt und nicht wie die Software aufgrund starr definierter Merkmale. Unternehmen sollten deshalb die spezifischen Herausforderungen ihres Geschäfts und Umfelds genau reflektieren. Nur so lässt sich sicher entscheiden, wo die Automatisierung durch eine digitale Lösung sinnvoll ist.

Offene Systeme ermöglichen Agilität und Kollaboration

Die Ausdifferenzierung der IT-Landschaft verlangt offene Systeme, die sich ohne grösseren Aufwand integrieren lassen. Es muss sowohl möglich sein, eine On-Premises-Umgebung mit Cloud Tools zu erweitern, als auch, verschiedene Cloud-Lösungen miteinander zu kombinieren. Hierfür braucht es standardisierte Schnittstellen (APIs), um Systeme unkompliziert miteinander zu verknüpfen. Ziel ist es, Prozesse über Systemgrenzen hinweg nahtlos abzubilden. Die Zusammenarbeit im Team und abteilungsübergreifend gestaltet sich dementsprechend agil, flexibel und kollaborativ. Wenn beispielsweise HR-Mitarbeiter an verschiedenen Standorten gemeinsam ein Dokument in einer digitalen Personalakte bearbeiten, können dank einer Schnittstelle auch Informationen aus dem ECM-System direkt in den Arbeitsprozess einfliessen. Es gilt, Tools und Kanäle derart zu vernetzen, dass erstens Daten und Dokumente übergreifend verfügbar sind und sich zweitens neue Informationen schnell verarbeiten lassen. Ist dies erfüllt, verläuft die Ad-hoc-Kommunikation – sei es mit HR-Kollegen, Führungskräften oder Mitarbeitern – wesentlich einfacher und schneller. Nicht zu vergessen ist hier, dass das Etablieren solcher neuen, agilen Prozesse mehr erfordert als die passende IT-Grundlage. Kollaborative Zusammenarbeit kann nur gelingen, wenn die Mitarbeiter die Veränderungen aktiv mittragen. Somit ist es Aufgabe der HR-Leitung, ihr Team entsprechend zu sensibilisieren und zu unterstützen.


In Zukunft bestimmen also nicht mehr die IT-Systeme die Prozesse, sondern die Prozesse geben vor, wie die IT-Architektur aussehen muss. Das bedeutet auch, dass nicht mehr nur die IT-Abteilung die Systemlandschaft aufbaut, sondern auch diejenigen, die sie nutzen. Low-Code- und Headless-Technologien ermöglichen es, dass auch Nicht-ITler nach kurzer ­Einarbeitung Teile einer Software nach ihren Bedürfnissen konfigurieren. So können etwa HR-Manager mithilfe von grafischen Frontend Tools die Benutzeroberfläche einer Anwendung selbstständig erstellen. Die Backend-Struktur bleibt davon unberührt.

Ansprüche an Evaluation und Controlling steigen

Die Frage, welche Tools sinnvoll sind und welche Prozesse sich wie automatisieren lassen, muss massgeblich von der HR-Abteilung beantwortet werden – in Einklang mit der Digitalstrategie der Organisation. Viele machen noch immer den Fehler, die Digitalisierung allein als Sache des IT-Bereichs oder der internen Unternehmensentwicklung zu betrachten. Der HR-Bereich leidet unter chronischem Zeitmangel. Doch die Zahl der HR-Manager, die sich ihrer Verantwortung ebenso wie der Dringlichkeit der Aufgabe bewusst sind, wächst kontinuierlich. Personalleiter avancieren so zu IT-Entscheidern. Das Analyse- und Beratungsunternehmen Gartner hat die «Demokratisierung von Fachwissen» als einen der zehn wichtigsten Technologie-Trends für 2020 identifiziert. Dazu gehört auch, dass IT-Laien Zugang zu Software Tools und technischen Systemen bekommen. Der zunehmende Einsatz von Cloud-Lösungen unterstützt den Trend, von der IT-Abteilung unabhängiger zu werden.


Die Personalabteilung muss weitgehend eigenverantwortlich dafür sorgen, sich effektiv zu organisieren. Das bedeutet nicht nur eine zusätzliche Herausforderung für die HR-Leitung, sondern umgekehrt steigen auch die Ansprüche an die Software. Ob diese die Arbeit erleichtert oder verbessert, bewerten jetzt diejenigen, die sie selbst nutzen. Um schnell beurteilen zu können, ob etwa ein neuer Recruiting-Kanal die gewünschten Ergebnisse liefert oder nicht, sind aussagekräftige Controlling-Funktionalitäten ein Muss. Anwender sollten mit wenigen Klicks Reports und Diagramme erstellen können, die sofort einen Überblick über die relevanten Zahlen vermitteln. Je mehr Unternehmen in digitale Lösungen investieren, umso wichtiger wird das Thema Messbarkeit, denn: Organisationen sollten nur die Tools behalten, die einen belegbaren Mehrwert schaffen.

Zeit zu handeln

Der HR-Bereich steht unter Zugzwang. In einer aktuellen Studie des Unternehmens Pricewaterhousecoopers (PwC), der Universität St. Gallen und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) gaben 37 Prozent der HR-Führungskräfte an, dass der Personalbereich ihres Unternehmens auf die Zukunft schlecht vorbereitet ist. Sich aus der Rolle des Bürokraten zu befreien und zum visionären Enabler zu werden, gelingt nicht von heute auf morgen. Anstatt in Aktionismus zu verfallen, heisst es jetzt, planvoll und gleichzeitig agil vorzugehen: Mit einem Ziel vor Augen, wie die eigene HR-Arbeit in fünf Jahren prinzipiell aussehen soll, können Unternehmen die konkreten Schritte nach und nach umsetzen. Wenn HR-Manager die Geschäftsführung, die IT-Abteilung sowie das eigene Team einbinden und eine gemeinsame Strategie verfolgen, sind sie auf dem besten Weg, die Transformation nicht nur zu bewältigen, sondern als Chance zu nutzen.

Der Autor

Diplom-Psychologe Thomas Fahrig ist Geschäftsführer des auf Enterprise Content Management (ECM) spezialisierten Softwarehauses Forcont Business Technology und seit 1997 in der HR-Branche tätig. Als Experte für Personalentwicklung und Talentmanagement ist er bei Forcont für den Vertrieb sowie den Aufbau strategischer HR-Beratung für die Kunden verantwortlich.

Über Forcont

Forcont bietet standardisierte Produkte für digitales Personal- und Vertragsmanagement sowie individuelle digitale Aktenlösungen zur Optimierung dokumentenzentrierter Geschäftsprozesse. Die Lösungen von Forcont erleichtern die tägliche Arbeit mit Dokumenten und Daten – on-premises vor Ort oder als Software-as-a-Service (SaaS) in der Cloud.


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