Mit Agilität und Fahnenträgern zum erfolgreichen Rebranding
Quelle: Nicole Pfyl

Mit Agilität und Fahnenträgern zum erfolgreichen Rebranding

Das grösste Online-Projekt in der Geschichte von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) – der Relaunch von srf.ch und der SRF-Apps – erforderte ein Umdenken auf ganzer Linie. Ein Erfahrungsbericht zeigte auf, wie das Herkulesprojekt gelingen konnte.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/03

     

SRF. Diese drei Buchstaben sollten die neue Marke von Schweizer Radio und Fernsehen verkörpern, und unter «srf.ch» wurde mehr als bloss ein Logo neu: Man bündelte alle Websites und Apps von Radio und TV.
Dies bildete die Ausgangslage eines Agile Breakfasts unter dem Titel «Agil erfolgreich skaliert: Was kommt nach dem «Best of Swiss Web Award?» Und der Erfahrungsbericht von Sonja Wunsch (Chief Product Owner, Portfolio Manager des Multimediazentrums SRF (MMZ), Projektleiterin srf.ch) und dem involvierten Agile Coach Mischa Ramseyer (pragmatic solutions) stiess auf grosses Interesse: Der Raum war voll mit Gästen von Grossbanken ebenso wie von Start-Ups.
Bereits einleitende Bemerkungen liessen die Projektgrösse erahnen: Es waren viele unterschiedliche Sites und Apps zu berücksichtigen, die Entwicklung eines CMS stand an, die Anbindung von Umsystemen und die Schulung vieler Redaktoren. «Es wurde klar: mit einem traditionellen Projektvorgehen ist das vorgegebene, fixe Launchdatum nicht zu schaffen», so Wunsch.
So stellte das SRF-Team auf Agilität um und mehrere Teams begannen mit Annahmen, was srf.ch leisten sollte. Sie stellten sich auch Fragen: Wie steuern und messen wir den Fortschritt? Wie ist das Reporting ans Management? Es wurde ein übergeordnetes Planungsvehikel installiert, das jeweils vier Sprints in zwei Monaten umfasste (Release), samt einem Delivery nach jedem Sprint.
Und man verdeutlichte den Stakeholdern, dass man nicht alles machen könne angesichts von 2‘000 bis 3‘000 User Stories und einem fixen Termin, der so Wunsch «an das Rebranding des ganzen Unternehmens geknüpft war.»
So entwickelte man für die verbleibenden Monate eine gemeinsame Vision und machte in World-Cafés die Triage aller gewünschten Features nach «Sizes» von XS bis XL. Anschliessend wurde gestrichen und reduziert, je nach Grösse und Relevanz, bis die Planung realistisch erschien.
Die Fragen waren, so Wunsch: «Was ist gut genug für den Go-Live? Und: Ist uns ein XL-Feature wirklich so viel wert?» Die Antworten bildeten die Basis der Planung wie für die GL-Entscheide. Das führte dazu, dass man zwei Sprints vor Go-Live nicht mehr funktionalitätsgetrieben gewesen sei, sondern nur noch mit Kanban technische Go-Live-Tasks abgearbeitet habe.
So wurde der Launch im Dezember 2012 «die entspannteste Einführung überhaupt». Man erhielt viel Lob, zudem erhielt srf.ch den Master of Swiss Web Award 2013.

«Was macht man zuerst? Alles?»


«Und jetzt?» so lautete die Frage danach. Nun galt es, Zurückgestelltes umzusetzen, die bestehende Organisation effektiv einzusetzen und vom Projekt- zum Regelbetrieb zu wechseln (20% aller Ressourcen fliessen in Betrieb und Support). Und in Workshops tauchten viele gute neue Ideen auf. Aber: «Was macht man zuerst? Alles?»
Natürlich nicht. Ein Lean Portfolio-Management wurde eingeführt samt Mission Statement. Dies half, die richtigen Ideen zu wählen und rasch umzusetzen, während Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse transparent blieben. Es berücksichtigte heterogene Stakeholder (bsp. Redaktionen) und ermöglichte es, in Front- und Backend homogen zu bleiben.
Man entwickelte die Rolle eines «Fahnenträgers», der eine Idee bis Go Live begleitet, aber nicht als Projektleiter mit Zugriff auf Entwickler amtiert. Er muss sich mit dem Portfolio auseinandersetzen, mit dem PO agil vorwärts gehen, bis er als Fachexperte das Produkt abnehmen kann.

Knifflig bleiben die Entscheide, was ins Portfolio kommt. Dazu sind anspruchsvolle Diskussionen notwendig, denn srf.ch hat nicht nur unterschiedliche Online-Angebote, sondern auch diverse Apps. Eine Entscheidungshilfe – was entwickeln wir neu und was weiter – bieten Investitionsbudgets, zudem habe man die Ablauforganisation des MMZ konsequent auf die Release Planung hin getaktet.
«Heute betreibt SRF viel Teamsport», bilanzierten die Referenten, doch man bleibe weiter daran, den eingeschlagenen Weg zu verbessern.


Marcel Gamma ist Kommunikationsverantwortlicher von swissICT

Fachgruppe Lean, Agile & Scrum

Die Fachgruppe zählt 16 Mitglieder und veranstaltet regelmässig Agile Breakfasts in Zürich, Bern, Basel, St. Gallen und Luzern. 2013 konnte man für die beliebten Erfahrungsaustausche über 1‘000 Teilnehmer verzeichnen und bildet wohl die grösste Agile Community der Schweiz. Die Fachgruppe organisiert auch die jährliche «Lean, Agile, Scrum-Konferenz».
www.swissict.ch/las


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