Rechtlich sichere Pflege der IT

Wartung und Pflege ist so wichtig wie die Informatik selbst. Eine überlegte vertragliche Regelung bildet den sicheren rechtlichen Rahmen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/01

     

IT-Systeme sind aus Sicht der Juristen insofern ein besonderes Gut, als sie per se instabil sind. Schuld daran sind jedoch nicht nur die Hersteller, sondern auch die Kunden. Diese verlangen von den Produzenten, dass sie ständig an die Grenzen des Möglichen gehen und liefern, bevor umfassend getestet wurde. Der Regelung darüber, wer wann welche Mängel oder Störungen in welcher Zeit behebt, kommt daher eine entscheidende juris-tische Bedeutung zu. Die Frage wird in einem Wartungs- oder Pflegevertrag festgehalten, wobei das Abkommen bezüglich Hardware in der Regel «Wartungsvertrag» und bei Software «Pflegevertrag» genannt wird. Aus juris-tischer Sicht ist es ratsam, die Wartung und Pflege beider Komponenten dem gleichen Lieferanten zu übertragen, da in komplexen Systemen oft nicht eruierbar ist, ob der Mangel auf einem Hardware- oder Software-Problem beruht. Entsprechende Wartungs- und Pflegeverträge werden im Englischen «Maintenance Contract» genannt.



Zweck und Typisierung

Sinn und Zweck des Wartungs- und Pflegevertrages ist die Erhaltung der Funktionalität eines Informatiksystems unter definierten Einsatz- und Betriebsbedingungen. Zur Erfüllung dieses Zwecks sind verschiedene Leistungen notwendig, von der Problemanalyse über die telefonische Beratung bis zum Eingriff ins -System und zur Lieferung von Software. Je nach Art der Leistung handelt es sich in der Regel um einen Auftrag, Werkvertrag oder eine Lizenz, wobei die Leistungen oft so miteinander verknüpft sind, dass daraus ein sogenannt gemischter Vertrag wird. Für die rechtliche Beurteilung werden hierbei diejenigen Bestimmungen aus dem Obligationenrecht beigezogen, die der zu beurteilenden Leistung entsprechen. Dienstleistungen wie Problem-analyse oder telefonische Beratung sind auftragsrechtlicher Natur. Wird ins System eingegriffen, handelt es sich um eine werkvertragliche Leistung. Dies trifft auch zu, wenn für den Kunden extra Software, wie zum Beispiel Korrekturcodes, entwickelt und die Rechte daran vollständig übertragen werden. Erhält der Kunde daran nur ein Nutzungsrecht, handelt es sich um eine Lizenz. Der Lizenzvertrag ist aber im Obligationenrecht nicht explizit geregelt. Es handelt sich darum um einen sogenannten Innominatkontrakt.


Garantie und Pflege abgrenzen

Um eine Software umfassend pflegen zu können, ist ein Zugriff auf den Sourcecode unab-dingbar. Die Software-Pflege wird daher oft von den Herstellern selber angeboten. Für den Kunden besteht aber die Gefahr, dass sich die Garantiezeit mit der Dauer des Software-Pflegevertrages überschneidet. So kann es sein, dass der Kunde für die gleichen Leistungen doppelt bezahlt. Im Softwarepflege-Vertrag muss man daher zwischen der Problemlösung im Rahmen der Garantiepflicht und der Behebung von Störungen, die nicht mehr Teil der Garantie sind, unterscheiden. Bei einem Mangel handelt es sich um ein Problem, das entsteht, weil die Software nicht die vom Kunden bestellten und definierten Funktionen aufweist. Eine Störung dagegen basiert nicht auf einer Nicht- oder Schlechtlieferung, sondern entsteht zum Beispiel durch den Einfluss von Drittsoftware, die jedoch vom Lieferanten nicht von sich aus oder nicht explizit berücksichtigt werden musste.



Service Level Agreement

In den meisten Fällen, in denen eine permanente Bereitschaft und ein umfassender Eingriff ins System weder sinnvoll noch finanzierbar ist, wird für die Erbringung der Dienstleis-tungen in der Regel ein stufenweises Vorgehen vereinbart, ein sogenanntes Service Level -Agreement (SLA). Dabei wird sowohl die Leistungstiefe (zum Beispiel telefonische Beratung, Eingriff ins System oder Lieferung von Korrekturcodes), wie die Leistungsbereitschaft (beispielsweise von 8 bis 17 Uhr an Werktagen, mit einer Reaktionszeit vom maximal 60 Minuten) geregelt. Bei letzterer wird definiert, ob bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Problem vom Dienstleister lediglich erfasst oder effektiv gelöst werden muss. Ebenso müssen die Vereinbarungen messbar sein. Rechtlich sind für den Dienstleister vor allem verbindliche Problemlösungs-Fristen riskant.


Wird die Sache nicht bis zum vereinbarten Zeitpunkt erledigt, kann der Dienstleister für daraus resultierenden Schaden haftbar gemacht werden. Für den Dienstleister wichtig ist auch, dass klar definiert wird, wie Systemprobleme vom Kunden kommuniziert werden müssen. Dabei handelt es sich um eine Mitwirkungspflicht des Kunden. Weiter muss der Kunde bestimmen, welche Mitarbeiter auf welchem Level die Leistungen des Dienstleisters abrufen können.


Mitwirkungspflichten des Kunden

Der Dienstleister ist darauf angewiesen, dass der Kunde ihm bei der Erledigung seiner Verpflichtungen unterstützt. Dazu gehören beispielsweise die Verschaffung eines Zugangs zum Informatiksystem, ein Arbeitsplatz vor Ort und die nachvollziehbare Dokumentation von Systemproblemen. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei diesem Support durch den Kunden um dessen Mitwirkungspflichten. Erfüllt der Kunde diese Pflichten nicht vertragsgemäss, wird der Dienstleister von seinen eigenen Verpflichtungen im entsprechenden Umfang entbunden.


Entsteht dem Dienstleister durch die Passivität des Kunden ein Schaden, kann jener dafür haftbar gemacht werden. Bei der Unterzeichnung eines Wartungs- und Pflegevertrages muss sich der Kunde bewusst sein, dass Mitwirkungspflichten ins Geld gehen können. Insbesondere das Zurverfügungstellen von eigenem Personal kann sehr schnell sehr teuer werden.



Haftung des Lieferanten

Bei der Wartung und Pflege kann durch eine kleine Ursache ein grosser Schaden entstehen. Es ist darum für den Dienstleister wichtig, sich vertraglich abzusichern, soweit die Kundenbeziehung und das Gesetz es zulassen. Zu den wichtigsten rechtlichen Vorkehrungen dürfte zum einen die Haftungsbeschränkung gehören. Zudem muss der Kunde zu einem System- und Datenbackup verpflichtet werden. Damit bestätigt der Kunde, dass er vor der Freigabe des Systems für Wartung und Pflege eine entsprechende Sicherung durchführt. So ist der Dienstleister für Schäden nicht haftbar. Bei einem generellen Haftungsausschluss ist zu berücksichtigen, dass das Obligationenrecht einen solchen nur für leichte Fahrlässigkeit (leichte Sorgfaltspflichtverletzung), aber nicht für Absicht oder grobe Fahrlässigkeit zulässt. Gänzlich ausgeschlossen ist die Beschränkung der Haftung für Personenschäden der Produktehaftpflicht. Zu den Produkten gehört nach herrschender Lehre auch Software. Obwohl es dazu bis dato in der Schweiz keine Rechtsprechung gibt, ist davon auszugehen, dass die Gerichte entsprechend der allgemeinen Praxis im Haftpflichtrecht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine betragsmässige Begrenzung der Haftung des Lieferanten akzeptieren. So dürfte sich die Haftung auf maximal die Höhe einer Jahreslizenz für die Software oder eine pauschale Jahresgebühr für Wartungs- und Pflegedienste beschränken.



Übernahme von Releases

Dienstleister im Bereich der Software-Pflege haben ein ökonomisches Interesse daran, dass ihre Kunden auf dem neuesten Stand der Programmversionen sind, da die Pflege von alten Versionen zusätzliches Know-how erfordert. Kunden steht somit unter dem Druck, sich ständig die neueste Software anschaffen zu müssen. Diesem Problem ist in Software-Pflegeverträgen ein besonderes Augenmerk zu widmen. Der Dienstleister muss die Kunden dazu verpflichten, auf ihrem System immer die neuesten Software-Versionen einzusetzen. Für die Kunden entstehen dadurch Kosten. Der Mittelweg dürfte darin liegen, die Pflege für eine gewisse Anzahl von Generationen von Software-Versionen zu garantieren. Zudem muss geregelt werden, was passiert, wenn der Kunde nicht mehr mitziehen will. In diesem Fall hat der Dienstleister in der Regel eine Frist einzuhalten. Während dieser Zeit muss er die Software noch pflegen. Danach kann er den Service vertragsgmäss einstellen.



Beendigung der Wartung und Pflege

Die Gründe für die Beendigung von Wartung und Pflege können sowohl auf Seiten des Dienstleisters wie auf Seiten des Kunden liegen und sind vielfältig. Selbstverständlich muss auch ein Wartungs- und Pflegevertrag eine generelle Kündigungsklausel enthalten. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass die Kündigungsfrist des Software-Pflegevertrages mit der Frist der Kündigung der Lizenz übereinstimmt. Endet die Lizenz früher als die Software-Pflege, besteht ein Software-Pflegevertrag ohne Software. Problematisch ist es für den Kunden, wenn ein Dienstleister seine Software-Pflege einstellt, ohne dass dies ein Dritter übernehmen könnte, da niemand Zugriff auf den Sourcecode hat. Dies kann passieren, wenn der Dienstleister seinen Vertrag nicht mehr erfüllt oder wenn er in Konkurs fällt. Für beide Fälle ist ein Software-Hinterlegungsvertrag (Software Escrow Agreement) in Betracht zu ziehen. Dabei wird vertraglich geregelt, dass der Inhaber der Rechte den Sourcecode inklusive Dokumentation bei einem Dritten, in der Regel einer Treuhandgesellschaft oder einem Rechtsanwalt, hinterlegt, für den Fall, dass der Dienstleister die Software-Pflege und den entsprechenden Vertrag nicht mehr erfüllen kann oder will. Der Treuhänder oder Rechtsanwalt wird beauftragt, den Sourcecode unter den vereinbarten Bedingungen an den Kunden herauszugeben.



Leser fragen, Rechtsanwalt Grüter antwortet

Im Swiss IT Magazine Nr. 9 von September 2009 haben Sie über die Rechte von Programmierern im Arbeitsverhältnis geschrieben und empfohlen, in Arbeitsverträgen mit Programmierern einen Passus zum Immaterialgüterrecht einzufügen. Können Sie einen solchen formulieren.


Für Verträge können grundsätzlich keine allgemein gültigen Formulierungen gemacht werden. Musterverträge sind, wie das Wort sagt, lediglich Muster, also Beispiele, die einen Anhaltspunkt geben können, die aber immer an die konkrete Situation angepasst werden müssen. In diesem Sinne kann ich gerne folgendes Beispiel aufführen: «Der Arbeitnehmer tritt sämtliche Rechte an immateriellen Gütern, die im Zusammenhang mit der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit und in Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten entstehen, im Moment ihrer Entstehung ohne weiteres Entgelt an den Arbeitgeber ab. Rechte an immateriellen Gütern, die zwar in Zusammenhang mit der Ausübung der dienstlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers entstehen, jedoch nicht in Erfüllung dessen vertraglicher Pflichten, können vom Arbeitgeber zusätzlich erworben werden. Entstehen solche Rechte, muss der Arbeitnehmer diese ohne Verzug dem Arbeitgeber anbieten. Dieser muss dem Arbeitnehmer innert maximal 60 Tage mitteilen, ob er die Rechte erwerben will. Der Arbeitnehmer erhält bei Übernahme der Rechte eine Aufwandsentschädigung, die der Entschädigung für Überstunden entspricht. Dabei wird auch die Benutzung der Infrastruktur des Arbeitgebers berücksichtigt.»




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