Windows XP: Alter Wein in neuen Schläuchen

Die Beta 2 von Microsofts nächstem Betriebssystem Windows XP bringt mit der neuen Oberfläche «Luna» ein komplett neues Look&Feel.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/14

     

Die wichtigste Neuerung von Windows XP bleibt unsichtbar: Es ist die lang erwartete und von vielen heiss ersehnte Zusammenführung von Windows 9x/Me mit Windows NT/2000 auf einer gemeinsamen Code-Basis. Damit steht erstmals in der Windows-Geschichte auch dem Heimanwender ein wirklich stabiles, zuverlässiges Betriebssystem zur Verfügung.


Neue grafische Oberfläche

Offensichtlich ist dagegen das neue User-Interface: Erstmals hält in Windows XP die sogenannte "Luna"-Oberfläche Einzug, sie wurde aber (noch?) nicht überall konsequent implementiert. Das GUI wirkt damit deutlich aufgeräumter. Augenfällig sind etwa die grösseren Icons, die abgerundeten Dialogboxen und die neuen Farbschemen mit teils transparenten Hintergründen. Auf dem Desktop finden sich standardmässig deutlich weniger Icons.



Das Startmenü wurde zweispaltig gestaltet und zeigt nun nur noch die am häufigsten genutzten Anwendungen auf den ersten Blick. Es benötigt zwar wesentlich mehr Fläche, zeigt dafür aber auch noch einige Shortcuts auf wichtige Ordner und Verknüpfungen und wirkt insgesamt aufgeräumter. In der Taskleiste werden ähnliche Objekte automatisch in einem aufklappbaren Button zusammengefasst (etwa mehrere geöffnete Word-Dokumente).




Wer sich partout nicht an das neue Look&Feel gewöhnen will, kann das Startmenü, den Desktop und die Farbschemen auch auf die von früheren Windows-Versionen gewohnte Darstellungsweise umschalten.



Hinter der Oberfläche verbergen sich wenige wirklich neue Features. Statt dessen wurden die bestehenden Funktionen teils erweitert und vereinfacht. Und insbesondere wurden zahlreiche Wizards eingebaut, um die bestehenden Features leichter zu finden und damit auch tatsächlich zu nutzen.



Die neue Oberfläche arbeitet task-orientiert, was bedeutet, dass Windows XP herauszufinden versucht, was der Anwender gerade vorhat, und aufgrund dessen entsprechende Befehle zur Verfügung stellt. Natürlich hat man dabei auch immer die Möglichkeit, auf die gewohnten Dialogfelder zuzugreifen, was aber in den meisten Fällen ein unnützer Umweg ist. Bloss für fortgeschrittene Optionen ist man auf die "alten" Einstelloptionen angewiesen - Windows XP bietet dafür wohl aus Sicherheitsgründen keine direkten Zugriffsmöglichkeiten.



Insgesamt ist die Bedienung ganz gut gelungen, und insbesondere neue Windows-Nutzer werden kaum Probleme haben, das Gewünschte zu erledigen oder sich in der Dateistruktur ihres Rechners zurechtzufinden. Gerade diese User-Gruppe dürfte dank der neuen Oberfläche auch deutlich mehr aus Windows herausholen, als dies unter dem alten GUI möglich war.



Für erfahrene Windows-Anwender dagegen ist erneutes Umlernen angesagt. Immerhin besteht auch hier die Möglichkeit, auf das gewohnte Windows-Look&Feel umzuschalten.




Sicherheit und Multimedia

Zu den wenigen Neuerungen respektive so bisher nicht gesehenen Funktionen gehört die Unterstützung für mehrere User. Neue eingebaute Sicherheitsfeatures trennen die Speicherorte der einzelnen Benutzer, so dass jeder seinen eigenen, geschützten Platz hat, auf den die anderen nicht zugreifen können. Praktisch ist insbesondere auch, dass bei einem User-Wechsel Programme im Hintergrund weiter laufen gelassen werden können. Loggt man sich später wieder ein, steht man an derselben Stelle wie zuvor. Als Nebeneffekt der Multi-User-Funktion lässt sich Windows XP neu auch ohne Zusatzsoftware über ein Netzwerk oder das Internet fernsteuern.



Die aus Windows Me bekannte Systemwiederherstellungsfunktion wurde nun auch in Windows XP übernommen. Damit lassen sich sogenannte Snapshots des aktuellen Systemzustandes erstellen, die man zu einem beliebigen Zeitpunkt zurückspielen kann - praktisch etwa vor unsicheren Softwareinstallationen.




Von Windows 9x/Me hat Windows XP den hohen Level an Kompatibilität zu älteren und exotischeren Hardware-Komponenten und Programmen geerbt, ein Feature, das in Windows NT/2000 bisher teils vermisst wurde. Microsoft verspricht sogar, dass Windows XP die bessere Kompatibilität besitze als Windows Me. Und sollte das für eine alte Software mal nicht reichen, gaukelt Windows XP dem Programm im Kompatibilitätsmodus vor, dass es unter Windows 95 oder 98 laufe. In unseren Tests haben wir bisher keine Software gefunden, die unter Windows XP nicht gelaufen ist.



Wesentlich verbessert wurde die Unterstützung für Multimedia-Peripherie. Direkt aus dem Betriebssystem werden nun Geräte wie Digital-Kameras, digitale Videorecorder oder tragbare MP3-Player unterstützt. So kann man beispielsweise eine Digicam anschliessen, die gespeicherten Bilder anschauen, rudimentär bearbeiten, per Mail verschicken oder ausdrucken - und das alles in demselben Fenster und ohne die Installation eines Treibers.



Erweitert wurde auch die Unterstützung für CD-Recorder und Rewriter, die nun direkt aus Windows gesteuert werden können. Brennsoftware von Drittanbietern ist damit zumindest für einfache Standardaufgaben wie die Datenarchivierung nicht mehr vonnöten.



Nicht zuletzt wurde der Media Player auf Version 8.0 weiterentwickelt und noch stärker ins Betriebssystem integriert. Der Media Player soll nun sogar DVDs direkt abspielen können, was in unserer Beta allerdings noch nicht funktionierte. Des weiteren ist der Media Player in der Lage, CDs zu rippen.



Windows XP beinhaltet die neue Version 6 des Internet Explorer. Dieser wurde insbesondere an das neue Look&Feel des Betriebssystems angepasst und bietet einige Neuerungen, darunter vor allem die Explorer Bars, eine verbesserte Cookie-Verwaltung und ein erweitertes Sicherheitsmanagement. Generell bietet Windows XP eine bessere Integration des Internet, tauchen doch nun Shortcuts auf Internet Explorer und Mail-Anwendung permanent im Startmenü auf. Dazu kommen ein erneuerter Home Networking Wizard, eine eingebaute Firewall sowie ein erweiterter Web-Publishing-Wizard.


Update nicht zwingend

Windows XP gibt sich bei den Anforderungen an den PC vergleichsweise moderat. Gegenüber Windows 2000 wurden nur die Ansprüche an den Prozessor erhöht - dieser muss nun mit einer Taktrate von mindestens 233 MHz laufen. RAM- und Festplatten-Speicher soll Windows XP mit mindestens 64 MB respektive 650 MB nicht mehr benötigen als Windows 2000.



Dies allerdings sind die Minimalanforderungen. Auf einem Rechner mit 1-GHz-CPU und 128 MB RAM lief die Beta 2 in unserem Test jedenfalls nicht gerade performant. Gültige Aussagen zur Performance lassen sich aufgrund des Beta-Status der Software allerdings noch nicht treffen. Auch die Stabilität lässt sich noch nicht abschliessend beurteilen - allerdings hatten wir damit während unseres Tests keine Probleme. Unser Rechner stürzte nur ein einziges Mal beim Aufstarten aus dem Hibernate-Modus ab.




Lohnt sich ein Update auf Windows XP Professional? Das hängt davon ab, womit man derzeit arbeitet. Aktuelle Windows-2000-Anwender werden in Windows XP abgesehen von der Oberfläche und einigen Multimedia-Features nicht besonders viel neues finden. Für sie ist Windows XP wohl nur ein Minor Update, das das Geld wahrscheinlich nicht wert ist.



NT-User können von der stark verbesserten Kompatibilität profitieren. Wer bisher keine Kompatibilitätsprobleme hatte und keine grösseren Anschaffungen plant, dürfte darauf allerdings auch weiterhin verzichten können.



Anders sieht es bei den nach wie vor zahlreichen Windows-9x/Me-Usern aus. Für sie wird sich der Umstieg auf jeden Fall lohnen, und sei es nur, weil sie mit Windows XP endlich mit einem stabilen System arbeiten können.



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