Business Outlook: Und das Internet dreht sich doch

Für David Rosenthal gibt es kaum ein Unternehmen, das «Internet-Strategien» braucht.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/10

     

Auch ich habe vom Internet-Hype profitiert, der uns in den letzten
Jahren alle mehr oder weniger betroffen hat. In meinem Vortrag über "Internet-Strategien" liess ich öfters gleich zu Beginn wissen, dass kaum ein Unternehmen eine Internet-Strategie brauche. Das Internet sei nicht mehr als ein Kommunikationsinstrument, das in einer Firmenstrategie seinen Platz haben müsse, aber nicht die Strategie selbst sein könne. Als ich hinzufügte, dass ja auch kaum eine Firma ihr Geschäft auf eine "Telefon-Strategie" oder "Fax-Strategie" aufbaue, hielt der eine oder andere der Zuhörer dies womöglich für einen guten Einstiegswitz.




Inzwischen ist vielen das Lachen vergangen und es dominiert der grosse Katzenjammer nicht nur in der IT-Branche, sondern ebenso in all den anderen Unternehmen, auf den Weltbörsen und in den Schlagzeilen der Presse. Ich könnte mich angesichts meiner bisherigen Zurückhaltung gegenüber dem Hype der letzten Jahre eigentlich darüber freuen. So ist inzwischen auch all den Euphorikern klar geworden, dass Online-Shops nicht unbedingt weniger kosten und Amazon.com einen Gewinn nicht dank der Website, sondern der Logistik machen wird oder eben nicht.


Schwarzpeter-Spiel

Es wäre aber fehl am Platze, nun nach den "Schuldigen" zu suchen, wie das in den USA geschieht. Das Schwarzpeter-Spiel ist dort voll im Gange: Für die einen sind die Manager der Dot-Com-Firmen und grossen E-Commerce-Projekte schuld, die ihre Kosten nicht kontrollierten. Die Manager wiederum werfen den Risikokapitalgebern zuwenig Unterstützung und kritische Fragen vor. Die Anleger beschimpfen die Analysten, die ihnen zum Kauf von überbewerteten Titeln geraten hatten. Die Analysten machen darum die Marktforschungsfirmen wegen übertriebenen Prognosen verantwortlich, die die Schuld wiederum an die Dot-Coms und die Börsen zurückschieben. Auch die Politik bekommen ihr Fett ab und natürlich all die Consulting-Firmen, die trotz horrenden Honoraren die von ihnen geschürten Erwartungen nicht erfüllen konnten.



Wurde während des Dot-Com-Hypes irrational investiert, so geschieht dies mit umgekehrtem Vorzeichen jetzt genauso irrational. Es spielt sich ab, was bei allen IT-Buzzwords geschieht: Sie verschwinden entweder sang und klanglos in der Alltagskiste oder werden negativ belegt.




Was bleiben wird, ist ein wunderbares, so vielfältig einsetzbares Kommunikationswerkzeug namens Internet, das nunmehr ohne Allüren der Beteiligten seinen Weg in jeden Teil unseres Alltags finden wird.



Dot-Com-Krise hin oder her: Auf die Vorteile des Internets wird niemand verzichten wollen - auf E-Mails nicht, auf die vielen heutigen Online-Informationsangebote nicht und auf den E-Commerce auch nicht.




Revolutionär ist nur wenig

Das ist wohl eine der Lehren aus der Entwicklung der letzten Jahre. Das Internet löst nicht alle Probleme. Eine Autoproduktion kann zwar mit Hilfe von elektronischen Netzwerken effizienter gestaltet werden. Gebaut werden müssen die Autos letztlich aber noch immer in einer Fabrik mit ganz realen Maschinen.



Immer wieder wurde gepredigt, dass im Internet nicht die Grossen, sondern die Schnellen gewinnen. Das mag stimmen, aber nur dort, wo es um echte revolutionäre Entwicklungen von Märkten geht. Wird für ein altbekanntes Geschäft das Internet bloss als neuer Kommunikationskanal eingesetzt, so wird dies den betreffenden Markt zwar verändern und die bisherigen Player unter Druck setzen. Völlig auf den Kopf stellen wird es ihn nicht. Die "neuen" Anbieter werden viel Zeit und Geld aufwenden müssen, um ihr Publikum davon zu überzeugen, mit alten Gewohnheiten zu brechen. Das braucht erfahrungsgemäss viel, viel Zeit, ganz gleich, wie "cool" die neue Technik auch sein mag.




Eines hat die Dot-Com-Krise dagegen nicht gebracht hat: Vernunft. Es ist zwar nichts neues, dass Anleger und Börsen letztlich emotional reagieren. Es wäre jedoch ein Fehler, das Internet in der aktuellen Lage abzuschreiben. Vielmehr gilt es, das Netz der Netze zu nutzen - pragmatisch, ohne Emotionen und als das, was es ist: als ein sehr, sehr vielfältiges Werkzeug.



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