WAP - oder warum Internet auf dem Handy nicht interessiert

David Rosenthal über die Gründe, warum sich das Handy-Publikum bislang noch nicht für das «Internet im Natel-Format» hat erwärmen lassen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/33

     

Seit rund einem halben Jahr ist es offiziell auf dem Markt: WAP, das "Internet im Natel-Format", wie es die Swisscom bewirbt, ermöglicht den mobilen Zugriff auf verschiedenste Online-Dienste über Handys und andere Kleingeräte. Doch das Publikum hat sich für WAP bisher nicht erwärmen können. Laut kürzlich publizierten Zahlen nutzen nur gerade 40'000 der 2.7 Mio. Mobiltelefonkunden von Swisscom den Service. Dies entspricht mageren 1,5 Prozent.



Sind das nur Anfangsschwierigkeiten? Vielleicht. Fest steht, dass selbst Konsumenten mit WAP-tauglichem Handy darauf verzichten. Die Mehrheit dürfte nicht einmal wissen, was WAP überhaupt ist. Zwar wird immer wieder ins Feld geführt, der WAP-Standard sei im Grunde veraltet und die heutigen Geräte schon überholt. Auch wird immer wieder auf die zu kleinen Displays der Handys, die mühsame Eingabe von Text oder die fehlenden Multimedia-Möglichkeiten verwiesen. Doch auch das ist nicht der wahre Grund für die magere Akzeptanz. SMS ist technisch noch sehr viel beschränkter und veralteter, hat sich aber trotzdem innert weniger Jahre zu einem der lukrativsten Geschäfte der Telefongesellschaften entwickelt.




Einverstanden: Die sehr tiefe Geschwindigkeit von 9,6 Kbps, mit der Daten über das GSM-Netz übertragen werden, kann ein Frustfaktor sein. Doch das ist nicht die Ursache der heutigen Situation. Erstens ist das Hauptproblem in der Praxis nicht die Datenübertragungsrate, sondern die beim Stand der Technik unverständlichen Engpässe und Abbrüche beim Verbindungsaufbau. Zweitens kommen die meisten Anwender überhaupt nicht soweit, sich darüber zu ärgern, da sie WAP gar nicht erst ausprobieren.


Grobe Marketing-Fehler

Wo liegt also die Ursache des Problems, von der Technik einmal abgesehen? Es ist das Marketing. WAP wurde völlig falsch vermarktet. Es wurde als Internet für den Hosensack vermarktet, als würde damit der Nutzwert und die Vorteile von WAP dem Publikum zwangsläufig klar sein. Das Wort "Internet" hätte statt dessen gar nie benutzt werden dürfen. Erstens sorgt es für Verwirrung, weil der Benutzer das Internet, wie er es von seinem PC her kennt, auf seinem Handy normalerweise nie zu Gesicht bekommt; mit der Internet-Werbebotschaft sind die Enttäuschungen angesichts der grafischen Beschränkungen dagegen vorprogrammiert.
Zweitens schreckt diese Strategie all jene Leute ab, die sich mit Internet gar noch nicht auseinandersetzen konnten oder wollten, aber womöglich ein WAP-Handy benutzen würden. Und Drittens hat ein "normaler" Handy-Kunde nicht das Verlangen nach einem Gerät mit Internet. Er will Services, die ihm seinen privaten oder beruflichen Alltag leichter und angenehmer gestalten. Wie sie funktionieren, ist ihm im Grunde egal.





Nicht alle WAP-Funktionen sind unbrauchbar

Dabei gibt es durchaus interessante Anwendungen, die ein breiteres Publikum ansprechen könnten. Schon das Lesen von E-Mails unterwegs, bei Bedarf diskret in langweiligen Sitzungen, im Publikum an Tagungen oder bei anderen Gelegenheiten, vermag die persönliche Produktivität derart zu erhöhen, dass sich ein WAP-Handy innert kürzester Zeit auszahlt.



Ähnliches gilt je nach Branche für den Abruf von aktuellen News. Dies sind bloss zwei banale, verfügbare Anwendungen - beschränkt in ihrem Wirkungskreis und auf den ersten Blick überhaupt nicht "sexy", aber mit klarem Nutzwert, einfach zu verstehen und ebenso handzuhaben.




Dass es anders geht, hat im übrigen die japanische Telefongesellschaft NTT Docomo gezeigt: Sie führte ihr WAP-Pendant "i-mode" ganz ohne technische Begriffe wie Internet oder World Wide Web ein. Sie sorgte auch dafür, dass kostenpflichtige Dienste allesamt über die Telefonrechnung abgerechnet werden konnten und der Kunde sich somit nirgends zusätzlich registrieren musste. Die Belohnung: Nach 18 Monaten wird i-mode von über 10 Mio. Menschen benutzt. Und jeden Tag kommen 50'000 hinzu.



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