Wege zu tieferen IT-Kosten

Die Kosten für die Informatik können für ein KMU eigentlich nie tief genug sein. «Swiss IT Magazine» hat bei acht Schweizer IT-Dienstleistern nach­gefragt, wie KMU ihre Aus­gaben für Clients, Software, Server und Storage sowie für den Unter­halt optimieren können.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/01

     

Neun von zehn deutschen mittelständischen Unternehmen klagen über zu hohe IT-Kosten. Dies besagt die Studie «IT-Perspektiven 2020 – Trendradar Mittelstand» des IT-Dienstleisters Info vom November 2011. Und auch wenn sich die Schweiz in vielen Punkten vom nördlichen Nachbarn unterscheidet, die Klagen über zu hohe IT-Kosten dürften auch hierzulande – gerade angesichts des wieder raueren wirtschaftlichen Klimas – genau so laut sein.


Gemäss der deutschen Studie würden die Unternehmen primär verlangen, dass die Betriebskosten für Hardware und die Beschaffungs­kosten für Software optimiert werden. Im Hardware-Bereich könne dies etwa dadurch geschehen, indem Überkapazitäten beseitigt und Lastspitzen via Cloud aufgefangen werden. Zum Thema Software meint der deutsche Dienstleister Info: «Regelmässig erforderliche Updates, insbesondere bei Sicherheits-Software, sowie komplizierte Lizenzmodelle machen viele Anwendungen für mittelständische Unternehmen häufig unwirtschaftlich. Als Alternativen zum Barkauf notwendiger Software stehen Open Source-Programme oder Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS) zur Verfügung. Vor allem SaaS-Anwendungen bieten grosses Potential, um Wartungs- und Supportkosten zu minimieren. Hinzu kommt, dass dieser Service nur nach tatsächlichem Bedarf abgerechnet und somit zu einem variablen Kostenfaktor wird.» Doch wo sehen Schweizer Dienstleister Einsparpotential in der KMU-IT? «Swiss IT Magazine» hat sich bei acht hiesigen Spezialisten umgehört, wie KMU ihre Kosten in den Bereichen Clients, Server, Netzwerk-infrastruktur und Software senken können.

Standardisierung und Bedarfsabklärung

Im Bereich Client-Hardware gehen die Meinungen darüber, wie KMU Geld einsparen können, ziemlich auseinander. So rät beispielsweise Charles Gubler, Geschäftsführer von Technogroup IT-Service in Suhr, nicht einzelne Produkte einzukaufen oder zu ersetzen, sondern möglichst baugleiche Clients mit einheitlichem Betriebssystem einzusetzen. «Der Supportaufwand reduziert sich massiv, und beim Einkauf ergibt sich ein Preisvorteil für grössere Mengen eines gleichen Produktes», so Gubler. Auch Urs Frehner, Head of Sales bei Würth Itensis, geht in diese Richtung und rät zur Standardisierung im Client-Bereich: «Um hier Kosten zu sparen, ist es wichtig, Investitionszyklen zu bestimmen. Das heisst zum Beispiel, alle drei Jahre die gesamte Client-Infrastruktur zu ersetzen. Mit solchen Zyklen können dann auch Business-Prozesse überdacht beziehungsweise überarbeitet werden.» Diesen Aussagen nicht zustimmen kann derweil Gero Stautmeister, Head of Professional Services, Infrastructure Management bei Ontrex. Er ist der Überzeugung, dass viele KMU zu viel Geld für die Client-Hardware ausgeben, da sie immer beim identischen Lieferanten beziehungsweise Hersteller kaufen. Stautmeister führt aus: «Man erhofft sich so oftmals eine einfachere Verwaltbarkeit der Geräte. Wenn man den Hersteller kennt, dann geht man davon aus, dass Treiber für Betriebssysteminstallation und auch Fehlersuche im Supportfall einfach werden. Dies ist aber häufig ein Trugschluss, da viele Hersteller auch innerhalb identischer Hardware-Serien Komponenten wechseln, was eben neue Treiber bedingt.» Man solle also lieber auf den Preis bei der Hardware-Beschaffung schauen und dann mit Hilfe von Endpoint-Management-Systemen die Installation der Geräte automatisieren, rät Stautmeister.


Die Anschaffung der Client-Hardware vorerst einer Bedarfsanalyse zu unterstellen, rät Andrea Filippelli, Senior Consultant Infrastructure & Engineering bei Ti&m. Gerade KMU würden dies oftmals unterlassen. «Somit wird häufig in Geräte investiert, welche über- oder unterkon­figuriert sind. Dies kann die Beschaffungskosten enorm beeinflussen und darüber hinaus zum Teil auch zu Folgekosten führen. Wenn wir davon ausgehen, dass heutzutage viele Anwendungen ohne hohe Client-Ressourcen aus der Cloud bezogen und betrieben werden können, dann beschränkt sich die Investition der Client-Hardware auf ein Minimum beziehungsweise auf die Lauffähigkeit des jeweiligen Betriebssystems und der Darstellung der Anwendung in Bild und Ton.» Letztlich komme es immer auf die Anzahl und die Komplexität der Anwendung selbst an, welche auf den Clients betrieben werden sollten. Ein sorgfältiges Requirement Engineering, welches die Anforderungen des Business transparent der notwendigen Benutzerfreundlichkeit, dem Nutzen und letztlich den Kosten gegenüber stellt, zahle sich auf jeden Fall aus, weiss Filippelli.

Lizenzen prüfen

Als Klassiker, um im Bereich Client-Software Geld zu sparen, nennt René Jenni, Solution Architect und Partner beim Luzerner Dienstleister Leuchter Informatik, das Thema Open Source (siehe auch S. 37). «Unsere Erfahrung zeigt aber, dass die Akzeptanz, zum Beispiel von Libre Office, beim Endanwender nicht sehr gross ist. Er ist nicht bereit, auf irgendwelchen Komfort zu verzichten oder umzulernen. Gerade die Schnittstellen etwa zwischen einem ERP-System und einem freien Office-Programm sind auch immer wieder eine Herausforderung.» Ein weiteres Thema sind zudem auch die Software-Lizenzen. Matthias Keller, Geschäftsführer von Paninfo, zu diesem Thema: «KMU sollten sich überlegen, welche Software der einzelne Benutzer wirklich zum Arbeiten benötigt und mit einem Spezialisten prüfen, ob die geeigneten Lizenzierungsmodelle gewählt wurden.» Stichworte seien zum Beispiel die Nutzung von Open License Agreements oder die Überprüfung des Umfangs von Office-Suiten. «Ein Ansatz, hier Kosten zu sparen, sind sicher Cloud-Angebote wie Office 365 (siehe S. 42), die ergänzend zur lokalen IT eingesetzt werden können.» Zum Thema Lizenzen im Zusammenhang mit Office hält auch Charles Gubler von Technogroup einige Tips parat. Kleineren KMU rät er, keine Open-Lizenzvertrag mit Microsoft einzugehen, sondern die Office-ready-Preloads-Suiten (also die auf Rechnern vorinstallierten Office-Trial-Ver­sionen, die nach 90 Tagen freigeschaltet werden müssen) zu nutzen, was für alle Office-Versionen funktioniere, und allenfalls auch den Einsatz von Office 365 zu prüfen. Grössere KMU sollten derweil laut Gubler keine OPL-Verträge (Microsofts Volumenlizenzprogramm) mit Software Assurance wählen. «Diese zusätzlichen Update-Verträge für neue Versionen rechnen sich in der Regel nicht, da die Migrations­zyklen in den Unternehmen nicht synchron laufen mit dem Release-Rollout der Hersteller.»


Andrea Filippelli von Ti&m rät auch bei der Software zu einer überlegten Vorgehensweise. «Vor einer Anschaffung oder Migration empfiehlt es sich, entsprechende Auswertungen durchzuführen, welche Auskunft über den aktuellen Bestand und die durchschnittliche Einsatzzeit einer bereits instalallierten Software geben. Damit lassen sich womöglich langfristig enorme Lizenzkosten einsparen. Back-Office-Suiten, welche oftmals überlizenziert werden, bieten dafür ein gutes Beispiel. Solche Auswertungen lassen sich oft durch kleine Hilfsprogramme erstellen oder in Kombination mit etwaiger Systemverwaltungsprogramme. Aber genau auch in diesem Bereich geben Unternehmen jede Menge Geld aus, indem sie für jedes Feature eine eigenständige Software einsetzen, welche durch individuelles Know-how verwaltet werden muss und oft auch viele eigenständige Schnittstellen erfordert. Ein präzises und abgestimmtes Lifecycle Management kann hohe Integrations- und Administrations- sowie Lizenzkosten verhindern.» In die gleiche Kerbe schlägt auch Gero Stautmeister von Ontrex, der auch im Software-Umfeld zur Einführung eines Endpoint-Management-Systems rät. Zum einen spare ein solches System Geld, Zeit und Personalressourcen bei der Installation von Betriebssystemen, Anwendungen und Patches. Zum anderen könne ein gutes Endpoint-Management-System bei der Inventarisierung der Clients zwischen installierter, benutzter und gekaufter Software unterscheiden. «So kann erkannt werden, ob Überlizenzierungen vorhanden sind», weiss Stautmeister.

Datenklassifizierung und Virtualisierung

Im Server- und Storage-Umfeld haben die Experten verschiedene Ratschläge parat, um die Kosten zu drücken. Dino Fiori, CEO von Dinotronic, rät beispielsweise, die Storage-Umgebung in Primary Storage und Nearline Storage zu unterteilen. Als ergänzende Massnahmen erwähnt Fiori die Archivierung, was für schlanke Datenhaltung auf den Primärspeichern sorgt und das tägliche Backup entlastet, sowie die Daten-Klassifizierung. «Diese ermöglicht die unterschiedliche Handhabung bei der Daten-Aufbewahrung, schont Primärspeicher und beschleunigt das Auffinden von Daten», so Fiori, der ausserdem auch zum Einsatz von Thin Provisioning und Storage Virtualization rät.

Virtualisierung ist auch das ganz grosse Thema für Matthias Keller von Paninfo: «Mit der Virtualisierung kann die Dichte der Systeme auf ein Maximum erhöht werden. Dies hilft, Hardware-Kosten zu optimieren und ausserdem Energiekosten, Platzbedarf und Klimakosten zu reduzieren.» Gero Stautmeister von Ontrex verweist derweil wie Dino Fiori auf die Datenklassifizierung und spricht von einem mehrstufigen Konzept, das im Storage via Archivierungs-Software eingeführt werden sollte. «Auf den schnellen und entsprechend teureren Storage-Systemen werden die Daten vorgehalten, die immer wieder gebraucht werden. Auf einem nicht so schnellen und entsprechend weniger teuren Storage-System werden – immer noch Festplatten-basiert – die Daten gelagert, die nur selten benötigt werden. Auf einem Tape werden dann die Daten archiviert, welche auch auf dem zweiten Storage-System über einen gewissen Zeitraum gar nicht adressiert wurden.» Als weiteren Punkt nennt Stautmeister zudem Deduplication – sprich dafür zu sorgen, dass die verwendete Backup-Software alle Daten und Dateien nur einmalig über das gesamte Unternehmen speichert und nicht pro Client separat. «Das reduziert den benötigten Speicheraufwand extrem.»


Urs Frehner von Würth Itensis plädiert derweil ganz klar auf Outsourcing im Server- und Storage-Bereich. «Diese Dienste werden professionell und mit einer sehr hohen Ausfallsicherheit angeboten. Im weiteren sind hier auch die Skalierbarkeit der Dienste und die klare Kostenstruktur zu erwähnen.»
Den Weg in die Cloud empfiehlt schliesslich auch Ti&m-Consultant Andrea Filippelli. Wolle nun ein Unternehmen aber nicht auf den Betrieb einer eigenen Server- und Storage-Infrastruktur verzichten, dann sei es sehr wichtig, Technologien anzustreben, die nicht nur aus Hardware bestehen, sondern auch aus intelligenter Software. «Provisioning, Deduplizierung, Redundanz und Skalierbarkeit sind hier die wichtigsten Stichworte.» Doch Filippelli unterstreicht zum Abschluss noch einmal: «Alles, was man nicht unbedingt selbst bewältigen und verantworten muss, sollte wenn immer möglich kostentransparent ausgelagert werden. So auch Backup-Systeme, deren Anschaffungs- und wiederkehrende Kosten, aber vor allem auch die Verwaltungs­kosten in kosmische Sphären reichen.»

Outsourcing: Auch ein KMU-Thema

Fragt man die Schweizer Dienstleister schliesslich, wo sie ganz allgemein Einsparpotential in der KMU-IT sehen, kommt immer wieder das Thema Outsourcing zur Sprache. Es sei ein Trend Richtung Full- oder Teil-Outsourcing zu spüren, erklärt Urs Frehner von Würth Itensis, wobei die Devise laute, die eigenen Ressourcen auf Business-Prozesse wie ERP zu konzentrieren und das «Blech» ausser Haus zu geben. Und dies gilt nicht nur für grössere Firmen, wie Hansjörg Süess, Geschäftsführer des Applikations-Entwicklers Adesso Schweiz, weiss: «Outsourcing wird heute immer noch als ein Mittel zur Kostensenkung für Grosskonzerne gesehen. Dabei lohnt es sich auch bei einem KMU, über Application Outsourcing und Maintenance (AOM) nachzudenken. Beim AOM-Konzept kann der Betrieb der Applikation sowie der Benutzersupport weiterhin inhouse erfolgen, die Wartung und insbesondere die Weiterentwicklung erfolgt jedoch durch einen externen IT-Dienstleister. Wir kennen die Situation, dass viele KMU teilweise hochkomplexe und individual entwickelte Software-Applikationen unterhalten. Um die Weiterentwicklung, das Bugfixing und die Wartung sicherstellen zu können, müssen Applikationsentwickler engagiert werden, die einerseits für die einzelne Applikation gesehen viel zu teuer sind und andererseits über einen stark unterschiedlichen Auslastungsgrad verfügen. Ein professioneller IT-Dienstleister kann diese Dienstleistung viel günstiger anbieten, weil der Einsatz seines Wartungs- und Weiterent­wicklungs-Teams über mehrere solcher Applikationen und unterschiedliche Kunden skaliert werden kann.»


Ein anderes Thema, nämlich Betrieb und Unterhalt, spricht derweil René Jenni von Leuchter Informatik an: «Gerade in kleineren KMU wird der IT-Support intern im Nebenamt geregelt, diese Zeit könnte effi­zienter eingesetzt werden. Hier empfehlen wir ganz klar den Betrieb- und Unterhalt zu einem Fixpreis an einen IT-Partner auszulagern. Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Der IT-Partner tut gut daran, dem Kunden eine stabile Infrastruktur bereitzustellen, da dadurch sein Ertrag optimiert wird. Der Kunde profitiert entsprechend von einer zuverlässigen und professionell betreuten IT-Umgebung.» Ebenfalls gibt Jenni zu Protokoll, dass Cloud Computing heute sicher in Betracht gezogen werden sollte. Aber: «Es ist darauf zu achten, dass beim Vergleich der verschiedenen Varianten eine Vollkostenrechnung gemacht wird. Zu oft werden Strom-, Kühlung- und andere Nebenkosten wie zum Beispiel die komplexe Integration der Vor-Ort-IT mit der Private Cloud und allenfalls sogar der Public Cloud nicht berücksichtigt.»
Das Schlusswort zu diesem Thema gehört Ti&m-Mann Andrea Filippelli: «Der Weg zur Cloud bedeutet nicht, dass auf ortsansässige Systemadministratoren verzichtet werden kann. Vielmehr möchte man dieses Know-how zusammen mit anderen Spezialisten in Rechenzentren konsolidieren, denn der private Markt betreibt einen hohen Aufwand für eine sichere, immer grösser werdende Cloud-Zukunft. Mit diesem Verständnis kann das KMU die Kosten senken und dabei die Qualität seiner IT enorm steigern.» (mw)


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