Steiniger Weg zu Open Source

Die Support-, Schulungs- und Integrationsangebote für Open-Source-Software befinden sich noch in den Kinderschuhen, können aber schon in einigen Bereichen alle Wünsche erfüllen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/08

     

Open Source ist in aller Munde. Mit Open Source könne man Kosten sparen, Open Source sei sicherer als Closed Source, Open Source soll innovativer und qualitativ hochwertiger sein, Open Source habe mehr Sex-Appeal. So kann man mehr oder weniger die Aussagen zusammenfassen, die landauf, landab getätigt werden. Da kann man es weder dem CEO noch dem CFO oder einem anderen Mitglied der C-Fraktion übelnehmen, wenn über Open Source ernsthaft nachgedacht wird, auch wenn man seit Jahren treuer Kunde von Microsoft und Co. ist.
Die Ansätze auf dem Weg zu Open Source sind so verschieden wie die Beweggründe. Während bei vielen Entwickler-Firmen, sowohl aus dem Closed- als auch Open-Source-Bereich, meist eine oder unzählige Open-Source-Applikationen im Einsatz stehen, und die Umgebungen fast schon zwangsläufig sehr heterogen sind, findet man bei Unternehmen, in denen die Angestellten nur Anwender sind, sehr homogene Installationen. Ebenso verteilen sich die Kenntnisse im Umgang und der Verwaltung von Systemen und Software. Ein Entwickler weiss zwangsläufig mehr als ein reiner Anwender. Entsprechend verwundert es wenig, dass Open Source, sofern die Bereitschaft dazu da ist, in einem Unternehmen, das in die Entwickler-Ecke gehört, viel weniger Probleme hat, einen Fuss in die Tür zu kriegen.
Etwas anders sieht es bei Anwender-Firmen, besonders im KMU-Segment, aus. Die Hardware wird meist inklusive der vorkonfigurierten Software von einem Integrator angeliefert, der sich auch meist um das Grund-Setup kümmert. Der endgültige Aufbau wird entweder vom hauseigenen IT-Team oder von einem externen Dienstleister vorgenommen, mit der Einweisung der Anwender sieht es ähnlich aus. Reicht das eigene IT-Personal nicht aus, gibt es unzählige Schulungsangebote, die auch vor Ort das nötige Know-how vermitteln. Besonders für Software aus dem Hause Microsoft ist das Angebot überwältigend, was sich fast schon alleine durch die Marktdominanz der Software aus Redmond begründet.


Open Source ist eine andere Welt

Die meisten Administratoren oder Hobby-ITler kommen aus der Closed-Source- und der Windows-Welt. Mit entsprechenden Erwartungen und Annahmen wird denn auch an das Thema Open Source herangegangen.Bei der Diskussion um die Vorteile von Open-Source-Lösungen im Vergleich zu Closed Source schenken sich beide Arten von Software wenig. Die eine hat dort ihre Stärken, die andere woanders. In diesem Punkt ist man sich mittlerweile fast überall einig, selbst wenn man das nicht zugeben will.




Doch wenn es um Support und Training im Open-Source-Bereich geht, herrscht die Meinung vor, dass es das nicht gibt. Denn, so die langläufige Ansicht, hinter Closed Source steht jemand mit seinem Namen, betreibt seine Arbeit ernsthaft und leistet auch Support, spätestens nach Überweisung eines entsprechenden Geldbetrags. Die Entwickler von Open Source sind dagegen hippig-flippige Enthusiasten mit langen Bärten, die nicht von der Tastatur lassen können und einfach Software schreiben, weil sie daran Spass haben. Wo sie sind, weiss man nicht, wer sie sind erst recht nicht, und entsprechend stellen sich die Verantwortlichen schnell die Frage: Wer hilft uns, wenn unsere Mission-Critical-Applikation nicht mehr läuft und wir Geld verlieren? Wie sieht es mit der Investitionssicherheit aus, wenn der oder die Entwickler die Lust verlieren?
Auf solche Fragen wissen die meisten Open-Source-Enthusiasten nur selten eine befriedigende Antwort, lebt doch Open Source vom Do-it-yourself- und entsprechend auch vom Help-yourself-Gedanken. Google Groups, Foren, Mailinglisten oder spätestens eine Chat-Sitzung mit den Entwicklern im IRC könnten jedes Problem lösen und seien ein grosses Plus von Open Source, wer könne schon mal mit den Entwicklern von Exchange sprechen, um ein Problem zu lösen? Dies ist alles gut und recht, doch für Unternehmen, deren IT-Personal, sofern vorhanden, nicht aus den Reihen der Linux-Cracks kommt, dauert alleine die Analyse eine halbe Ewigkeit, und trotz der Hilfe von vielen Experten braucht man neben Kenntnissen der meisten Tools auch einiges an Erfahrung. Über SLAs und Update-Verträge von Herstellerseite braucht man gar nicht erst zu reden. Und spätestens, wenn diese Frage des Supports nicht befriedigend beantwortet werden kann, ist die Idee von Open-Source-Software in Unternehmen gestorben, leider aber oft schon früher. Denn es reicht nicht, sich "mal eben" eine Distribution vom nächstgelegenen Server herunterzuladen oder in der Buchhandlung um die Ecke eine Suse-Linux-Box zu kaufen. Gelingt die Installation mit Hilfe von Yast oder Anaconda noch einigermassen einfach, ist ohne das nötige Know-how spätestens bei der Konfiguration von Samba als primären Domain-Controller das Ende der Fahnenstange erreicht.


Support machen andere

Mit dieser Beurteilung tut man Open Source allerdings unrecht, denn alle Dienstleistungen, die man braucht, gibt es - man muss sie bloss suchen. Da die Entwickler in den seltensten Fällen im eigenen Land oder auch nur auf dem gleichen Kontinent beheimatet sind, müssen sich erst autonome Strukturen bilden. Dies passierte bisher eher langsam, doch kommen je länger je mehr Firmen zu Open Source und bieten auch passende Dienstleistungen an.
Eine erste Anlaufstelle, um einen passenden Partner zu finden, ist das FOSS-Directory, eine Website, die Firmen auflistet, welche Dienstleistungen im Bereich der Free- und Open-Source-Software anbieten.




Allein in der Kategorie Support finden sich knapp 40 Unternehmen, die über die ganze Schweiz verteilt sind und Unterstützung für verschiedenste Applikationen anbieten. Für Dr. Fritz Zaucker, Head IT Support Group der Abteilung Informatik und Elektrotechnik an der ETH Zürich, ist das einer der Vorteile von Open Source: "Bei Closed-Source-Produkten bin ich für Fehlerbehebung und Verbesserungen ausschliesslich auf den Support des Lieferanten angewiesen und kann keinen anderen wählen. Da der Software-Support mancher Lieferanten einfach miserabel ist, solange ich nicht gerade eine Grossbank oder ein anderes mächtiges Unternehmen bin, bringt mich das in eine Abhängigkeit, die insbesonders bei "mission-critical" Anwendungen eigentlich unakzeptabel ist. Bei Open Source kann ich dagegen unter mehreren Anbietern wählen und mit demjenigen zusammenarbeiten, der mir den gewünschten Service bietet - oder allenfalls das Problem selbst lösen."




Der Support ist teilweise Distributions-, ab und zu sogar betriebssystemunabhängig. So kann Zauckers IT-Support-Gruppe, die ihre Dienste auch ausserhalb der ETH anbietet, gleich mehrere Systemplattformen unterstützen. Zaucker: "In der Regel betreiben wir Infrastrukturen, die wir selbst für den Kunden installieren. Dort wählen wir dann normalerweise die aus unserer Sicht geeignete Distribution aus. Bisher ist das meist Debian, da dies eine "von Entwicklern für Entwickler" unterhaltene "demokratisch gesteuerte" Distribution ist und uns daher erstens eine stabile Plattform und zweitens viele Möglichkeiten bietet, dem Kunden eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Lösung anzubieten. Ansonsten unterscheiden sich die Distributionen vor allem in der Zusammenstellung der Pakete sowie den speziellen Front-ends und Verfahren für die System-Administration und -Unterhalt/Updates. Dies spielt für uns eine untergeordnete Rolle, weil wir aus Gründen der Automatisierung und Nachvollziehbarkeit alles soweit möglich mit Konfigurationsdateien und Scripts unter Versions-Verwaltung (CVS) lösen. Ähnliche Verfahren setzen wir übrigens auch für die Administration kommerzieller Betriebssysteme wie zum Beispiel Solaris oder Windows ein."



Dies ist sehr wichtig, alleine schon deshalb, weil beispielsweise homogene Linux-Umgebungen in gewissen Branchen schwer bis gar nicht machbar sind, schlicht und einfach, weil die entsprechende Software noch fehlt. Ebenfalls verfügen die wenigsten Linux-Distributoren über ein Netz von Partnern, die bei Betriebsproblemen helfen können. Bei einer Distribution wie Debian ist dies alleine schon deshalb schwierig, da es ein reines Community-Projekt ist und gar nicht über die nötigen Voraussetzungen für ein derartiges Netz mitbringt. Einzig Suse verfügt über ein ausgedehntes
Netz von Partnern in Europa und in der Schweiz, welche sowohl Support leisten als auch Schulungen durchführen. Und dieses Netz dürfte sich durch die Zugehörigkeit zu Novell weiter verdichten.


Auslagerung unkritisch

Auch wenn Outsourcing sehr populär ist, ist die Auslagerung des Supports für Inhouse-Installationen nicht ganz unkritisch, ist man doch im Falle eines Problems der Reaktionszeit des Supportdienstleisters ausgeliefert. Doch auch dies ist mit Open Source eher unkritisch. Nach Meinung von Zaucker sind schnelle Reaktionszeiten bei Open-Source-Software sogar einfacher zu realisieren: "Der Vorteil von Unix/Linux-basierten Lösungen ist, dass sie in der Regel sehr einfach fernwartbar sind, wobei Windows dort auch langsam besser wird. Das heisst, ich kann mit vertretbarem Aufwand vom Büro oder von Zuhause aus eingreifen, ohne erst lange zum Kunden reisen zu müssen." Allerdings sollte man entsprechende Wünsche schon zu Beginn einer Geschäftsbeziehung äussern, damit sich der Dienstleister darauf einrichten kann: "Ich würde generell immer empfehlen, zu Beginn einer Geschäftsbeziehung genau zu klären, was die Erwartungen des Kunden und das Verständnis des Lieferanten sind. Nur damit kann ich sicherstellen, dass ich keine
allzu grossen Überraschungen erlebe, wenn es draufankommt. Natürlich steigen auch die Kosten umso höher, je grösser die Erwartungen (Reaktionszeit, Verfügbarkeit etc.) sind, da der Lieferant ja die notwendigen Ressourcen bereithalten und einsetzen muss. Aber das ist kein OSS-spezifisches Thema ..."



Auch beim Betrieb von OSS in Mission-Critical-Installationen sieht Zaucker einen Vorteil auf der Seite von Open Source: "Gerade in diesem Bereich bieten Open-Source-Anwendungen den grossen Vorteil, auf den Wissensfundus zurückgreifen zu können, der im Internet über die verschiedensten Kanäle zur Verfügung steht. Oder eben auch die Möglichkeit, ein Produkt selbst zu reparieren oder zu verbessern, sofern das nötige Know-how vorhanden ist oder sich jemand findet, der es hat."




Nicht zuletzt kann man auch sagen, dass die Support-Kosten im Falle von Open Source transparenter sind. Zaucker: "Generell bin ich der Ansicht, dass es für ein KMU durchaus interessant sein kann, den IT-Support an einen entsprechenden Dienstleister auszulagern, der über "bessere" Ressourcen verfügt als der nebenamtliche interne Mitarbeiter, der ja eigentlich ganz andere Aufgaben und daher gar keine Zeit hat, sich regelmässig ums System zu kümmern oder sich weiterzubilden - von der Krankheits- und Ferienvertretung ganz zu schweigen. Auch hier hängt es sicherlich vom Einzelfall ab. Was bei diesen Überlegungen ausserdem oft vergessen wird, sind die versteckten Kosten, die entstehen, wenn die eigenen Mitarbeiter entweder in der Arbeit behindert sind (schlecht funktionierendes System) oder nebenbei "hobbymässig" IT-Support/Management betreiben, da der intern verfügbare Support nicht genug Zeit hat."


Training ist ein Problem

Sollen die Angestellten in der Bedienung oder Administration einer neuen Software geschult werden, ist es wichtig, sich schon vor der Entscheidung zum Einsatz darüber zu informieren, wie es mit Trainingsmöglichkeiten aussieht, da das Angebot von Produkt zu Produkt sehr unterschiedlich sein kann. Unkritisch sind dabei vor allem populäre Applikationen wie Produkte von Suse, für die sowohl Support als auch Schulungsmöglichkeiten bei den eigenen Partnern existieren und letztere auch zum Teil von Informatikschulen angeboten werden. So hat beispielsweise die Digicomp Academy diverse Kurse im Angebot, die sich aber vor allem an (zukünftige) Administratoren der Suse-Linux-Enterprise-Plattform richten.




Möchte man aber auf andere Distributionen wie beispielsweise Debian setzen, bei denen man sich weit besser auf der Kommandozeile auskennen muss, ist man
nahezu auf sich alleine gestellt. Ähnlich sieht es bei den Applikationen aus. Sowohl MySQL als auch Sun engagieren sich stark für ihre Applikationen MySQL respektive OpenOffice/StarOffice und bieten Trainings und Schulungen für Anwender auf verschiedenen Levels an, die auf Wunsch auch inhouse durchgeführt werden; ebenso wird der nötige Support zur Verfügung gestellt. Bewegt man sich aber von diesen "Standardapplikationen" weg, muss man sich auf den eigenen Forscherdrang verlassen.


Integrationslösungen in jeder Grösse

Komplette Integrationslösungen sind bisher ebenfalls nicht sehr verbreitet, doch können die vorhandenen Anbieter dafür so ziemlich jeden Wunsch befriedigen. So bietet beispielsweise das Systemhaus Transtec ein "Rund-um-Glücklich"-Paket an: schlüsselfertige Installationen von Linux HA und HPC Cluster, Anpassen der Konfiguration auf kundenspezifische Vorgaben sowie Schulung und Support der Lösung, Lieferung massgeschneiderter, vorkonfigurierter Systeme mit Suse, Redhat oder Debian mitsamt Anpassung der Installation auf Kundenwunsch, Vorortinstallation von Server- und Storagelösungen, Implementierung von Fileserver- oder Mailserverdiensten (Samba, sendmail/Postfix/qmail etc.), Support für die Systeme sowie Schulungen und Workshops für die installierte Lösung. Ähnlich sieht es bei Suse oder Sun aus, von denen letztere vor allem mit ihrem Java-Desktop-System fixfertige Lösungen für Abteilungen oder das ganze Unternehmen liefern können. Wer zunächst kleinere Brötchen backen und beispielsweise erst bei der E-Mail-Kommunikation oder beim Webserver auf Open Source setzen will, findet beispielsweise wieder über das FOSS-Directory gleich mehrere Dienstleister, die massgeschneiderte Systeme vorkonfiguriert ausliefern, diese warten und unter Umständen auch die Administratoren schulen.


Spärliches Angebot

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das aktuelle Angebot im Vergleich zur Windows-Plattform geradezu spärliche Ausmasse annimmt und die Lösungen allzu oft noch in den Kinderschuhen stecken, abgesehen von einigen hochprofessionell aufgezogenen Services, die halten dürften, was sie versprechen. Die Probleme liegen viel weniger bei den mangelnden Dienstleistungen als an der momentan noch fehlenden Software und ihrer Verbreitung. So ist es beispielsweise derzeit noch weit schwieriger, ein Schulungsangebot für KOffice zu finden als eines für OpenOffice/StarOffice.



Entsprechend muss bei einer Evaluation überlegt werden, welche Arbeiten man inhouse vornehmen kann und welche von externen Dienstleistern übernommen werden müssen - und im letzteren Fall, welche Aufgaben und Anforderungen diese erfüllen können. Das fängt beim Support an und geht über SLAs bis hin zur manuellen Anpassung der Lösungen. Prinzipiell stellt alles kein Problem dar, wenn ein passender Dienstleister gefunden werden kann. Und gerade das sollte in Zukunft stets einfacher werden. Durch die momentan starke Bewegung im Open-Source-Umfeld, besonders in der Umgebung von Novell/Suse, dürften sich je länger je mehr businesstaugliche Angebote finden.




Sowohl technisch als von den Möglichkeiten her bietet Open-Source-Software eine absolut konkurrenzfähige Alternative zu Closed Source. Und dadurch, dass der Quellcode vorliegt, bietet Open Source einen weit höheren Investitionsschutz, als dies eine Update-Versicherung je tun kann.




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