Intelligenz zwischen Tools und Suite

Bei Business-Intelligence-Software steht die von Office-Paketen bekannte enge Verzahnung der Komponenten noch am Anfang.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/16

     

Business Intelligence besteht in den meisten Unternehmen entweder aus ein paar selbstgebastelten Excel-Sheets oder, gemäss dem «Best-of-Breed»-Ansatz, aus einer Kombination von Einzelwerkzeugen verschiedenster Herkunft. Jedes Tool ist dabei für eine einzige Aufgabe zuständig und greift über oft proprietäre Schnittstellen auf die Datenbestände zu. Die IT-Unterstützung fürs operative Geschäft dagegen sieht seit Jahren völlig anders aus: Funktionsbereiche wie Finanzbuchhaltung, Lagerbewirtschaftung und Kundenbestellwesen sind heute meist in einem ERP-System aus einem Guss zusammengeführt.


BI ist ein weites Feld

Mit ein Grund für die disparate Business-Intelligence-Landschaft ist die schiere Komplexität der Materie. Der Begriff umspannt eine Vielzahl unterschiedlicher Werkzeuge und Methoden vom simplen Standardbericht bis zur hochkomplexen prädiktiven Analyse. Dazu kommen Infrastrukturkomponenten im
Backend wie multidimensionale Datenbanken und Data-Warehousing-Tools.
Historisch bedingt haben die Hersteller von BI-Software je nach Teilbereich klare Stärken und Schwächen – während beispielsweise Business Objects von Beginn an starke Reporting-Tools offerierte, ist Hyperion für Finanzplanung und -analyse bekannt, und SAS glänzt mit umfassenden Werkzeugen für Data-Mining.
Laut Patrick Keller und Jörg Narr, Analysten beim deutschen Research-Institut BARC, gibt es weltweit über 200 Anbieter von BI-Lösungen; rund 50 sind im deutschen Sprachraum präsent. Ein vollständiges Produktsortiment für Analyse, Planung, Konsolidierung und Reporting gibt es bei Cognos, Hyperion, MIS, OutlookSoft, SAS, SAP und Oracle.


Der Trend geht zur Suite

Zwecks besserer Marktabdeckung möchten sich die Hersteller zunehmend als Generalanbieter in Sachen BI positionieren: Der Trend geht klar in Richtung von Produktsuiten, die alle benötigten Tools unter einem einheitlichen Dach zusammenführen.
Allfällige Lücken im Portfolio schliessen die grösseren Anbieter bevorzugt durch Zukauf von Technologie und Know-how. Einige Beispiele: Bereits 2003 holte sich Hyperion die Reporting-Lösungen von Brio Software. Im Jahr 2004 entfaltete Cognos eine geradezu hektische Akquisitionstätigkeit
und übernahm verschiedene europäische Nischenanbieter mit Finanzplanungs- und Performance-Management-Kompetenz. In jüngster Zeit machte Business Objects mit dem Kauf von SRC Software, ebenfalls ein Planungsspezialist, von sich reden.


Sind Suiten wirklich Suiten?

ist mit dem Zukauf fehlender Funktionen aber nicht abgeschlossen, wie BARC-Geschäftsführer Dr. Carsten Bange betont: «Zur Zeit bestehen die meisten BI-Suiten aus zusammengekauften Produkten. Die Anbieter stehen nun vor der Herausforderung, heterogene Softwareplattformen, Architekturen und Anwenderwerkzeuge zusammenzuführen. Für die Kunden ist es oft ein Problem,
dass sie Komponenten erwerben,
die nur mühsam zusammenarbeiten.» Wenn ein Hersteller zum Beispiel jetzt auch Planungs-Tools offeriere, heisse das noch lange nicht, dass das neue Modul sich mit den bestehenden ohne weiteres verträgt.
Auch der traditionelle Fokus auf bestimmte BI-Bereiche verschwindet nicht automatisch, wenn ein Hersteller seine Tools zusammengepackt als Suite verkauft: «Auf den ersten Blick sehen die Suiten aller Hersteller sehr ähnlich aus. Der Hintergrund lässt sich aber häufig doch nicht verbergen, und es bestehen teilweise nach wie vor funktionale Defizite.»





Der BI-Markt: Die Segmente und die Player


Produktwahl im Spannungsfeld

Aus Anwendersicht steht wie jedes grosse Softwareprojekt auch die Auswahl einer BI-Lösung in einem Spannungsfeld zwischen der firmenweiten, von der IT-Abteilung und der Geschäftsleitung definierten IT-Strategie, den von den Fachabteilungen geforderten Produktfunktionen und den Gesamtkosten. Alle Beteiligten versuchen naturgemäss, ihre eigene Sichtweise möglichst hoch zu gewichten.
Die Vorlieben der Benutzer decken sich oftmals nicht mit den Strategievorgaben – das haben die BARC-Analysten bei manchen Projekten festgestellt. Der Grund laut Carsten Bange: Die strategische Entscheidung für ein bestimmtes Basissystem, zum Beispiel SAP, wird im Unternehmen meist durch die IT-Abteilung nach Kriterien wie einfacher Betrieb und Konzentration auf möglichst wenige Standardkomponenten gefällt, an die man sich später auch bei der BI-Evaluation halten will.
Die Fachbereiche haben andere Prioritäten: Sie wollen möglichst einfach und rasch zu den gewünschten Informationen kommen. «Mir sind Fälle bekannt, in denen sich der Fachbereich für eine bestimmte Lösung entschieden hat, dann aber durch die IT überstimmt wurde – aus betrieblichen Gründen entschied man sich letztlich für ein anderes Produkt. Da knirscht es dann in der Organisation: In den betroffenen Abteilungen müssen frustrierte Mitarbeiter mit Werkzeugen umgehen, die das Problem nicht optimal lösen.»




Business-Intelligence-Suite versus Best-of-Breed: Pro und Contra


Empfehlungen für die Evaluation

Bei der Auswahl des BI-Lieferanten sollte zwischen Backend- und Frontend-Komponenten unterschieden werden: Datenbanken und Data-Warehouse-Lösungen haben im Vergleich zu den Frontend-Tools eine höhere Reife erreicht und implementieren anerkannte Standards. Die Anwenderwerkzeuge müssen deshalb nicht zwingend vom gleichen Hersteller stammen. Auch die Auswahl ist kleiner als im Frontend: Ein umfassendes Angebot an Infrastruktursoftware führen vor allem IBM, Oracle und SAS.
Auch Microsoft spielt eine wichtige Rolle, wie Bange feststellt: «Mit den OLAP-Features von SQL Server hat Microsoft Furore gemacht. Abfragesprache und Schnittstellenkonventionen haben sich durch pure Marktmacht als Industriestandard etabliert. Die Nischenanbieter kommen nicht darum herum, ihre Interfaces diesem Standard anzupassen.» Bisher gilt dies allerdings vornehmlich im KMU-Segment –
für umfangreiche Data Warehouses fehlt es der aktuellen SQL-Server-Version an Leistung. SQL Server 2005 soll dies mit einer stärkeren Datenbank-Engine korrigieren. «Ob Microsoft damit auch im High-end zur Konkurrenz für DB2 und Oracle DB wird, muss man abwarten», meint Bange.






Microsoft hin oder her: Im Backend bietet es sich an, einen einzigen Anbieter als strategischen Partner für alle zukünftigen BI-Projekte zu wählen, allenfalls ergänzt durch Dritthersteller-Tools für Funktionen wie Datenqualitätsmanagement, die in der Basissoftware noch nicht standardmässig enthalten sind.
Bei den Frontend-Tools ist die totale Konzentration weniger sinnvoll: Eine Einanbieterstrategie bedingt Kompromisse bei Funktionsumfang, Benutzerfreundlichkeit und Leistungsfähigkeit. Ob es sich um eine Suite oder einfach verschiedene Tools aus gleichem Hause handelt: Ein einziger Hersteller wird fast nie alle Anwenderbedürfnisse befriedigen. Auf der anderen Seite verderben zu viele Köche den Brei – jede zusätzliche Plattform bringt Mehraufwand bei Installation, Betrieb, Schulung und Support. Eine reine Best-of-Breed-Strategie, bei
der jedes Tool von einem anderen Anbieter stammt, ist nicht praktikabel.


Der goldene Mittelweg

Die BARC-Analysten stellen als
Fazit fest: «Langfristig ist weder eine Best-of-Breed- noch eine Einanbieterstrategie nutzen- und letztlich kosteneffizient. Eine geeignete Business-Intelligence-Umgebung enthält in der Regel zwei bis
drei gezielt ausgewählte und sich ergänzende Softwareprodukte,
die im Idealfall von einem Generalanbieter bezogen werden können.»
Gleichzeitig merken die BARC-Analysten an, eine Reduktion auf zwei oder drei Hersteller käme vor allem in grossen Unternehmen einem Quantensprung gleich: «In bekannten Konzernen finden sich Referenzinstallationen von bis zu zehn verschiedenen Anbietern.» KMU, die den Aufbau eines BI- oder Performance-Management-Systems erst planen, haben gute Karten – sie können von Anfang an auf einen guten Kompromiss zwischen IT-Strategiekonformität, Anwendernutzen und Projekt-Gesamtkosten hinarbeiten.





Die wichtigsaten Schweizer ERP-Systeme und ihre Hauptmärkte


BI-Tools auf dem Prüfstand

Am 15. September findet im Technorama Winterthur eine Tagung zum Thema Business Intelligence statt, veranstaltet durch BARC und i2s. Die acht führenden Anbieter präsentieren ihre Lösungen anhand eines vorgegebenen Kriterienkatalogs in 40-minütigen Referaten und ermöglichen so den direkten Vergleich.






Info: www.changebox.info/changebox/_knowledge_corner/veranstaltung/bitagung/

(ubi)


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