Bestseller auf dem Festplattenteller

Trotz den verschiedenen in Windows integrierten Hilfsprogrammen bevorzugen viele User für diverse Funktionen separate Spezialtools – die InfoWeek-Umfrage präsentiert die beliebtesten System-Utilities.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/38

     

Seit Windows 2000 hat nun auch die professionelle Windows-Ausgabe ein integriertes Werkzeug zum Defragmentieren der Festplatte. Dennoch gibt über die Hälfte der User einem spezialisierten, nicht ohne Kostenfolge separat zu erwerbenden Defragmentiertool den Vorzug. Nicht anders sieht es bei anderen Tool-Kategorien aus. Auf die Windows-eigene Schnellansicht als Bildbetrachter setzt beispielsweise nur gerade ein Viertel der Befragten. Das Gegenbeispiel sind Texteditoren: Ganze 24 Prozent benötigen solche Tools überhaupt nicht, 52 Prozent genügt die Funktionalität von Notepad und Wordpad. Bei InfoWeek hat der Leser das Sagen - dies gilt voll und ganz für diese Systemtool-Hitparade: Während 2 Wochen plazierten wir auf der Website ein Umfrageformular, das rege ausgefüllt wurde.


Favorit Windows

In verschiedenen Kategorien genügen die integrierten Tools von Windows offenbar weitgehend den Anforderungen der Benutzer. Dazu gehört die Defragmentierung: Das Windows-eigene Defragmentiertool wird von 35 Prozent der Anwender exklusiv genutzt; nur 11 Prozent defragmentieren ihre Harddisks nie. Weitere 25 Prozent verwenden Norton Speeddisk - kein Wunder, ist Speeddisk doch Bestandteil der mit insgesamt 43 Prozent fast bei der Hälfte aller User eingesetzten Symantec-Suiten. Diskeeper, auf dessen Technologie auch die interne Defragmentierung von Windows beruht, kommt auf 13 Prozent, während das deutsche Produkt O&O Defrag, das aus Vergleichstests regelmässig als Sieger hervorgeht, 16 Prozent der Antwortenden auf sich vereint. Allerdings sind die Unterschiede in Performance und Features gering, die vom Diskeeper-Hersteller Executive Software und von O&O propagierte Boot-Time-Defragmentierung ist fehleranfällig und von zweifelhaftem Nutzen, und der Defrag-Vorgang als Ganzes wird wohl meist nur als notwendiges Übel betrachtet - der Gründe viele, in erster Linie auf die Windows-eigenen Funktionen zu zählen.



Noch klarer fällt das Anwenderurteil punkto Texteditoren aus: Scripts, Makros, INI- und Batchfiles erstellt man offenbar am liebsten mit Notepad oder Wordpad; Windows kommt ja mit gleich zwei kostenfreien Textprogrammen. Die bieten zwar gerade mal knapp das Allernötigste an Funktionen, was aber offensichtlich nur bei Hardcore-Programmierern negativ zu Buche schlägt. Sie bevorzugen entwicklerorientierte Editoren wie UltraEdit (13 Prozent), die mit Features wie Syntax-Highlighting für verschiedene Script- und Programmiersprachen und Tools zur Verwaltung von Projekten mit mehreren Dateien glänzen. Hier bestätigt sich ein Vorurteil: Programmierer sind Individualisten. Neben Notepad, Wordpad und UltraEdit müssen sich weitere zehn Tools die restlichen 11 Prozent der Userbasis teilen.





Suiten schwach genutzt

Nur mittelmässig populär sind die Tool-Suiten, die in mehreren Varianten von Symantec und Ontrack erhältlich sind. Über die Hälfte der Antwortenden setzen keine Suite ein. Die andere Hälfte hat klare Favoriten: Die Symantec-Produkte Norton Utilities (27%) und Norton SystemWorks (16%) dominieren das Feld. Die FixIt Utilities von Ontrack wurden dagegen nur vereinzelt genannt; genauso wie die von InfoWeek mit besten Testnoten bedachte System Suite.



Das meistgenannte Paket sind die Norton Utilities. Der Hersteller Symantec positioniert es in der aktuellen, auch Windows-XP-konformen Version 2002 als "Komplettlösung für Windows-Probleme" und vereint die als Einzelprogramme nicht erhältlichen Produkte Norton WinDoctor (Systemdiagnose, Registry- und INI-Cleanup) und Norton Disk Doctor (Festplattencheck, Reparatur von Harddiskfehlern, Defragmentierung mit SpeedDisk); dazu kommen Funktionen wie die Realtime-Überwachung mit dem System Doctor, die Wiederherstellung gelöschter Dateien mit dem Unerase-Assistenten und die komplette Datenlöschung via Wipe Info.




Norton SystemWorks 2002 enthält neben den kompletten Norton Utilities weitere Komponenten, die auch separat zu haben sind: Norton Antivirus, das wohl meistverkaufte Virenschutzprogramm, den Harddisk-Säuberer Cleansweep und die Personal Edition der "Undo"-Software Goback von Roxio, mit der durch Umkonfigurationen und Installationen entstandene Probleme rückgängig gemacht werden können. Die Professional Edition umfasst zusätzlich die Faxsoftware Winfax und das Disk-Cloning-Tool Norton Ghost.



Auch Ontrack Data International, der zweite nach diversen Fusionen und Übernahmen in der Utility-Szene verbliebene Hersteller, hat mehrere Suiten im Programm. Die FixIt Utilities 3.0 bestehen aus einer Unzahl von Einzeltools, die unter einer gemeinsamen Oberfläche zusammengefasst sind. Darunter finden sich Diagnose- und Reparaturtools für Hardware, Betriebssystem und Harddisk, ein Virenscanner mit Jahresabonnement auf Basis der Trend-Micro-Software, Undelete- und Recovery-Tools für die Datenrettung, ein Defragmentierer, aber auch "kleine" Funktionen wie eine Befehlszeile beim NT- und Windows-2000-Start. Attraktiv: Mit dem WinCustomizer können Details wie der Startup-Screen von Windows individuell angepasst werden. In der System Suite 3.0 sind neben den FixIt Utilities erweiterte Virenschutzfunktionen, Crash Proof zum Abfangen von Programmabstürzen, das Deinstallationsprogramm Easy Uninstall und der Festplattenlöscher Data Eraser Personal Edition enthalten.




Das grosse Manko: Dateikompression

Weniger als ein Viertel der Benutzer will auf eine Funktion verzichten, die Microsoft im Gegensatz zur automatischen Diskkompression bisher nicht ins Betriebssystem integriert hat: Das Komprimieren und Dekomprimieren einzelner Dateien, das sich vor allem im E-Mail-Verkehr als unabdingbar erweist. Das Fehlen eines Kompressionstools wird denn auch von zahlreichen Windows-Usern als klarer Mangel moniert.



Bei den Kompressionstools gibt es einen klaren Favoriten: Trotz Versprechen anderer Hersteller, man habe die besseren Algorithmen und stauche die Dateien schneller auf ein noch geringeres Format zusammen, bezeichnen 58 Prozent der Anwender das Kompressions-Urgestein WinZip als Werkzeug erster 0Wahl. Daneben spielt WinRAR 2.90, laut dem finnischen Hersteller rarsoft.com das beste Archiv-Utility überhaupt, eine gewisse Rolle, und auch WinAce 2.04 sowie der mit einem internen Viewer ausgestattete, mit Skins verschönerbare und auch in einer Command-Line-Version erhältliche PowerArchiver 2001 haben einige Anwender im Tool-Portfolio. Stuffit Deluxe, in der Mac-Welt bekannt wie ein bunter Hund und Cross-Plattform-Anwendern sehr zu empfehlen, wurde dagegen nur von einem einzigen Windows-User erwähnt.





Keine Partition ohne Magie

Immerhin ein Fünftel der Anwenderbasis scheint die werkseitige Partitionierung der Festplatten nie zu ändern: 19 Prozent der Umfrageteilnehmer verwenden keine Partitionierungstools. Weitere 16 Prozent finden die Erfüllung ihrer Wünsche in Fdisk beziehungsweise der integrierten Datenträgerverwaltung von Windows 2000, mit denen sich zwar die Einteilung der Festplattenbereiche anzeigen und ändern lässt, letzteres jedoch nur bei totalem Verlust aller Daten.



Wer nichts anderes kennt, hält die Features der spezifischen Partitionierungstools für reine Magie - so sieht es zumindest Powerquest, dessen Hauptprodukt sich Partition Magic nennt und das Verschieben und Vergrössern von Partitionen ohne Löschen irgendwelcher Daten zulässt. Die Erfahrung zeigt, dass eine Vergrösserung der Systempartition, die im Lauf des Betriebs gerne mal zu klein wird, zu Lasten einer noch reichlich mit freiem Platz ausgestatteten Datenpartition mit einem solchen Tool problemlos zu erledigen ist; bereits eine derartige Anwendung amortisiert das Produkt und spart Stunden an Herumkopiererei.




Partition Magic führt mit 62 Prozent die User-Hitparade der Partitionierungstools an. Nur unter "ferner liefen" figurieren die Konkurrenzprodukte System Commander von V-Comm und Partition Manager von Paragon. Interessanterweise enthalten die Tool-Suiten keine Partitionierungstools; diese Produkte müssen somit stets separat dazugekauft werden.




Cloning ist Geistersache

Nicht unähnlich präsentiert sich die Situation bei den Tools zum Kopieren ganzer Disks und einzelner Partitionen: Hier sind es über ein Drittel der User, die solche Funktionen nicht benötigen, und auch bei den Cloning-Tools kristallisiert sich ein klarer Favorit aus der Umfrage heraus.



Norton Ghost, separat oder als Teil der Symantec-Suite Norton SystemWorks zu haben, wird von 42 Prozent der Umfrageteilnehmer zur Sicherung des Festplatteninhalts verwendet. Die restlichen 23 Prozent entfallen auf die Powerquest-Produkte Drive Image und DriveCopy - im Gegensatz zur Partitionierung hält Powerquest beim Cloning nicht die Spitzenposition. Andere Tools wie Paragon Drive Backup finden bei den InfoWeek-Lesern keine Gnade.





Datenrettung und Säuberung durchgefallen

Sage und schreibe 86 Prozent der User haben entweder keine Daten zu retten, oder sie erledigen Recovery-Aufgaben grundsätzlich per Backup oder von Hand. Nicht einmal die Besitzer von Tool-Suiten verlassen sich auf die integrierten Recovery-Tools: Knappe 2 Prozent nutzen den Norton-Utilities-Bestandteil Undelete. Genau gleich selten wird das gleichnamige Paket von Executive Software eingesetzt; nur wenig häufiger mit 3 Prozent das Ontrack-Produkt Easy Recovery.



Auch das Entfernen unerwünschter Dateien nimmt die typische Anwenderin von Hand vor - 42 Prozent setzen keine Uninstall- und Disk-Cleanup-Utilities ein. Oder sie überlässt es der Windows-eigenen Datenträgerbereinigung (33 Prozent), die sich in erster Linie um verwaiste Temp-Files, selten Genutztes und grosse Dateien kümmert. Die Deinstallation ganzer Anwendungen dürfte in diesem Fall den programmeigenen Uninstall-Routinen überlassen werden, die dafür aber den restlichen Datenmüll nicht antasten.




Wird überhaupt ein Säuberungstool eingesetzt, hat einmal mehr Symantec die Nase vorn: CleanSweep, enthalten in Norton Systemworks Professional, kommt bei immerhin 18 Prozent der Anwender zum Zug. Die 3 Prozent für das Ontrack-Tool Internet Cleanup entsprechen den ähnlichen Zahlen der Tool-Suiten vom gleichen Hersteller.




Die Qual der Wahl beim Bildergucken

Bilder, Grafiken und andere Multimedia-Elemente haben auch im Business-Bereich unumschränkt Einzug gehalten. Damit nicht jedes Mal Photoshop oder Corel Draw gestartet werden muss, hält der Markt eine grosse Zahl von Bildbetrachtungs-Tools bereit.



Windows selbst bietet im Explorer die sogenannte Schnellansicht, mit der sich der Inhalt von Bilddateien links neben der Dateiliste anzeigen lässt. Dies funktioniert allerdings nur für einige wenige Dateitypen wie JPG und GIF; bei exotischeren Formaten wird nichts angezeigt. Auch Funktionen zur Bearbeitung und Umwandlung der Bilder fehlen in der Schnellansicht völlig. Dennoch begnügt sich ein Viertel der User mit dem integrierten Viewer.




An zweiter Stelle stehen praktisch punktgleich zwei Produkte: ACDsee, zu 50 US-Dollar mittlerweile in der vierten Version erhältlich, bietet einen schnellen Viewer mit Twain-Schnittstelle, Thumbnail- oder Vollbildansicht sowie alle grundlegenden Bildbearbeitungsfunktionen: Bilder können farbkorrigiert, beschnitten, in der Grösse verändert und in verschiedene Formate umgewandelt werden.



Fast gleich beliebt ist das bei nichtkommerzieller Nutzung kostenlose IrfanView, ein Produkt eines bosnischen Studenten in Wien, laut Autor der erste Bildbetrachter mit Support für animierte GIFs (mittlerweile auch in anderen Tools verfügbar), Multipage-TIFFs und Multi-ICO-Files. Ausserdem unterstützt IrfanView das Wavelet-Kompressionsfomat Lurawave und bietet ebenfalls grundlegende Bildbearbeitungsfunktionen. Sowohl ACDsee als auch IrfanView sind in verschiedenen Sprachen erhältlich.



Andere Viewer wie ThumbsPlus und der gratis erhältliche Free Viewer von CoffeeCup Software finden nur vereinzelt Beachtung; hierzulande völlig ungenutzt bleibt das in den USA recht beliebte CompuPic.




Wünsche an den Hersteller

Sind die Windows-Benutzer mit dem Funktionsumfang des Betriebssystems zufrieden, oder sollten zusätzliche Funktionen bereits in der Grundplattform enthalten sein? Rund ein Viertel der Umfrageteilnehmer haben ihre Wünsche an den Hersteller angebracht. Die Statements ergeben ein sehr differenziertes Bild. Nur einige wenige Wünsche wurden mehrfach vermerkt: Ein integriertes Kompressions- und Dekompressionstool muss her, ebenso gefragt sind integrierte Programme zum Brennen von CDs und zum Abspielen von DVDs - diese Benutzer dürften mit Windows XP ihr Glück finden.



Ebenfalls des öfteren erwähnt: Es besteht Bedarf nach einem Filemanager, der eine raschere Übersicht über die Dateistruktur gewährleistet, sich weitgehend mit Tastaturbefehlen bedienen lässt und stärkere integrierte Viewer-Funktionen bietet als der gegenwärtige Explorer.
Vereinzelte Teilnehmer äusserten die folgenden Bedürfnisse:





• integriertes Antivirusprogramm



• integrierte Backup-Software



• brauchbarer WAV-Editor



• brauchbares Programm für Screenshots



• brauchbares Partitionierungstool



• Vergleich von File-Inhalten mit grafischer Darstellung



• Lesen von PDF-Files ohne Acrobat Reader



• Papierkorb-Funktionalität beim Löschen im Netzwerk



• automatisches Backup von überschriebenen DLLs bei Programminstallationen



• Rollback-Tool für gescheiterte Installationen



Ein Anwender vermerkt, es sollten eigentlich alle Funktionen im Betriebssystem enthalten sein, für die er jetzt separate Programme benötigt. Er schwächt aber sofort ab: "Vielleicht ist es besser so: Ich kann selber wählen, was ich will." Das Hauptanliegen eines gestressten Users werden vermutlich auch kommende Windows-Versionen nicht erfüllen: Er möchte einen Konfigurationsparameter namens "RunWithoutProblems=1" - wo kämen wir denn hin, wenn die Utility-Hersteller plötzlich arbeitslos würden.



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