Editorial

Von wegen: Die New Economy ist doch nicht tot

Von den aus heutiger Sicht beinahe unglaublichen Höchstständen der Technologiewerte müssen wir uns verabschieden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/15

     

Gehören Sie auch zur Gruppe der arg geprellten Kleininvestoren, die mit tränenden Augen die Aktienkurse auf ihrem Weg ins Bodenlose abstürzen sahen? Nun, dann bin ich ja in guter Gesellschaft.



Seit dem vergangenen Frühling hören wir es an jeder Ecke: Die Blase der New Economy ist geplatzt. Der Knall war laut und hallt bis heute nach. Verschiedene Internetfirmen straucheln oder haben angesichts unüberwindbarer Hürden bereits das Handtuch geworfen und Konkurs angemeldet. Das finanzielle Damoklesschwert hat mit seiner ganzen Schärfe zugeschlagen - die Investoren sind vorsichtiger geworden und überlegen sich heute besser, in welche Projekte sie ihr Geld hineinpumpen.




Die Auswirkungen dieses Börsencrashs auf Raten an den neuen Märkten waren fatal. Auch gestandene Hardwarehersteller wurden in den Strudel hineingerissen. Zudem zeichnete sich immer deutlicher ab, dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA nicht mehr in derselben atemberaubenden Geschwindigkeit fortsetzen wird, wie man es sich gewohnt war.
Das Wachstum bei den PC-Verkäufen ging ebenfalls zurück und liegt gemäss neuesten Zahlen der Gartner Group nur noch bei 3,5 Prozent. Und Dell hat es nun geschafft, sich zur weltweiten Nummer 1 zu mausern (Seite 5).


Hoffen auf bessere Zeiten

Zum Glück gibt es auch noch den Hüter des Dollars mit Namen Alan Greenspan - er muss nur Husten und die Aktienkurse beginnen zu zittern wie Fieberkurven. Er hat nun gleich mehrere Male die Leitzinsen gesenkt, um damit die Investitionsfreude wieder ein bisschen hervorzukitzeln. So geschehen auch letzten Mittwoch, und zwar ziemlich unerwartet. In der Folge setzte ein Kursfeuerwerk an den Aktienmärkten ein, wie wir es schon lange nicht mehr gesehen haben - leider immer noch auf vergleichsweise tiefem Niveau, woran sich in absehbarer Zeit wohl auch kaum etwas ändern wird. Von den aus heutiger Sicht beinahe unglaublichen Höchstständen der Technologiewerte müssen wir uns verabschieden.



Trotzdem, das Timing von Greenspan war perfekt: Die obligaten Quartalszahlen der Firmen sind wieder einmal fällig. Und hier zeigte sich bis jetzt ein weiterer Silberstreifen am Horizont. Gleich mehrere Unternehmen lieferten bessere Zahlen, als die Finanzfachwelt zuvor angenommen hatte.




Ironischerweise war es eine schlechte Nachricht, die Grund zur Hoffnung gab. Intel vermeldete einen Gewinnrückgang von 64 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode - die Analysten hatten aber mit viel Schlimmerem gerechnet. Darauf war vielerorts zu hören, dass die Talsohle nun endlich erreicht sein sollte.




Willkommen in der Realität

Aber es kam noch besser: IBM sorgte für ausgelassene Stimmung mit der Meldung, dass Gewinn und Umsatz gesteigert werden konnte. Das Erfolgsgeheimnis von IBM: Lieber günstige Produkte anbieten und dafür viele Stückzahlen absetzen können. Viel verdienen lässt sich ohnehin nur noch mit zusätzlich zur Hardware angebotenen Dienstleistungen. Da kommen die jüngsten Preissenkungen bei den Intel-Prozessoren gerade recht (Seite 8).



Trotz dieser Hoffnungsschimmer müssen wir uns aber wohl oder übel daran gewöhnen, dass die goldigsten Zeiten an der Nasdaq und den übrigen neuen Märkten hinter uns liegen. So astronomisch hohe Aktienkurse von Firmen, die nur einen Businessplan präsentieren mussten, der in irgendeinem Zusammenhang mit dem Internet stand, gehören wohl der Vergangenheit an.




Ist das schlecht? Nein, ich glaube nicht. Die Normalität hat Einzug gehalten. Die Technologiewelt befindet sich zwar nach wie vor in rasend schneller Weiterentwicklung, aber eine gesunde, kritischere Haltung hat sich durchgesetzt.



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