Der Wissensaufbau rund um generative Künstliche Intelligenz (KI) begann bei Avanade bereits vor etwas mehr als zwei Jahren: Auf Grund der engen Kooperation mit Microsoft und OpenAI, gelang es uns frühzeitig zu lernen, was erforderlich ist, um mit generativer KI erfolgreich arbeiten zu können. Wir haben daher den Aufstieg von ChatGPT sozusagen von der Wiege an miterlebt und mitgestaltet. Und über innovative Projekte haben wir einen Beitrag dazu geleistet, dass unsere Kunden KI rasch und erfogreich nutzen konnten. Diese Erkenntnisse bilden die Basis für diesen Beitrag, der die unterschiedlichen KI-Reifegrade kurz beleuchtet und die strategische Rolle von Plattformen hervorhebt.
Die Unterteilung von Reifegraden bietet in der Regel die Möglichkeit zur Reflexion und Mittel-Ziel-Definition. Denn wer weiss, wo man steht und wo man mit welchem Aufwand hin will, ist im Vorteil. Im Wesentlichen gibt es drei Maturity Levels, beginnend mit dem schnellen Start. Dabei legen erste Abteilungen, oft angetrieben durch engagierte Einzelpersonen, einfach auf Basis eines spezifischen Bedarfs los und implementieren eine KI-basierte Lösung. Sie lösen damit eine konkrete Aufgabe. Phase II überführt dies in eine weniger taktische Vorgehensweise. Die Erfahrungen aus einzelnen Prozessen erweitern die Strategie und optimieren ganze Prozessketten. Die Überarbeitung ganzer Geschäftsmodelle folgt, reicht am weitesten und bildet damit Phase III.
Die Auswirkung von KI auf Geschäftsmodelle
Haben Sie eben überlegt, in welchem Reifegrad sich Ihr Unternehmen befindet? Keine Sorge: So lange die Antwort nicht „in keinem“ war, sind Sie in der Spur. Wer aber in puncto KI noch nicht aktiv ist, riskiert bereits erhebliche Produktivitäts- und damit Wettbewerbsnachteile. Wahrscheinlich wurden aber bereits erste Vorhaben geprüft oder gar mit strategischen Massnahmen begonnen. Erste Tests sind erfolgreich verlaufen, und operative Anwendungen werden schnell produktiv. Jetzt richtet sich der Fokus auf grössere Nutzungszenarien, und eine Roadmap wird entworfen.
Doch KI wahrhaft wirtschaftlich nachhaltig einzusetzen heisst, am Kern der Geschäftsmodelle anzusetzen. Dazu werden Produkte, Lösungen und Services neu geordnet bzw. monetarisiert. Das gilt für das Unternehmen im Inneren, genauso wie für die operativen Bereiche mit Kundenkontakt. Aktuell sind noch viele Innovationen innerhalb der eigenen Organisationen angesiedelt. Der Grund ist recht simpel: Mit Blick auf oben dargelegtes Maturity-Modell lassen sich taktische Projekte dort am raschesten umsetzen und intern skalieren, wie nachstehendes Beispiel zeigt.
Schon im ersten Reifegrad können einzelne Mitarbeiter KI nutzen, um eine Tätigkeit wie das Erstellen eines Textes schneller zu erledigen; im zweiten Reifegrad mit mehr und spezifischen Daten kann das Marketing-Team hierbei ein deutlich höheres, Corporate-Identity-konformes Level erreichen. Mit dem dritten Reifegrad verändern sich die Grundlagen der Arbeit und Zusammenarbeit grundlegend. Erste Projekte, wie Self-Service-Portale, gehen in den operativen Betrieb und bieten umfassende Dialogfähigkeiten; diese entlasten etwa bestehende Contact Center erheblich und verkürzen die Wartezeiten für Kunden. Das Gesagte verdeutlicht: Für eine strategische Herangehensweise ist eine Plattform unverzichtbar.
Die tragende Rolle von Plattformen für die KI-Integration
Plattformen fungieren als KI-Hubs, die für das gesamte Unternehmen zum Einsatz kommen. Sie dienen als Nährboden, in den die Kernservices für zukünftige KI-Anwendungen eingepflanzt und entwickelt werden. Das Plattformkonzept stellt sicher, dass diese Entwicklung nahtlos sowie einfacher und effizienter abläuft als in isolierten Systemen. Die Modelle basieren auf wiederkehrenden Mustern und werden durch eine Pipeline mit relevanten Anwendungsszenarien versorgt. Bereits an diesem Punkt sollten Unternehmen über grundlegende generative KI-Services hinausdenken und zum Beispiel Datenkonnektoren und klassische KI-Services integrieren.
Modelle unterschiedlicher Hersteller oder Open-Source-Lösungen vermeiden einen Vendor-Lock-in und bieten möglicherweise Kostenvorteile – bergen jedoch die Gefahr höherer Komplexität. Daher sind Multi-Cloud-Konzepte eher für grössere Unternehmen eine Überlegung wert. Ein realistisches Beispiel: Eine generative KI-Anwendung könnte auf einer Microsoft-Cloud-Instanz laufen, gleichzeitig aber auf Services oder Daten anderer Anbieter oder einer On-Premise-Instanz zugreifen. Bei Bedarf ist so der einfache Wechsel von Modellen möglich. Eine so gewonnene Flexibilität kann wichtiger sein als die Vermeidung des Vendor-Lock-ins.
Es gibt einen weiteren massgeblichen Grund, warum der Plattformansatz der einzig sinnvolle ist: Der Zugang zu den Daten ermöglicht es, globale Standards zu setzen. Die Bedeutung wird schnell klar anhand eines weiteren Beispiels: Beim Einsatz KI-basierter Chatbots zählt eine kanalübergreifende konsistente Tonalität – es wäre ungut, wenn der Bot im Webshop förmlich bleibt, aber auf einer Social-Media-Plattform eine lockere Ansprache verwendet. Ebenso wäre es inkonsistent, wenn der Bot einmal sachlich und nüchtern ist und ein anderes Mal exaltiert auftritt etc.
Der erfolgreiche Einsatz von KI beginnt mit der richtigen Basis
Um noch einmal die Mittel-Ziel-Thematik aufzugreifen: Trotz aller technologischen Fortschritte sitzen vor dem Computer Menschen, die die Systeme bedienen und Entscheidungen treffen. Sie sind weit mehr als blosse Überwacher oder gelangweilte Kostenfaktoren. Ebenso bedeutet KI nicht, einfach nur einen Knopf zu drücken und sich zurückzulehnen, während alles automatisch passiert. Auch hier muss erst gedacht, konzipiert und programmiert werden. Nach über zwei Jahren Projekterfahrung im Bereich der generativen KI kann ich bestätigen, dass der Weg sich lohnt – vorausgesetzt, die Basis ist solide, und sowohl Strategie als auch Plattform sind gut durchdacht und implementiert.
Der Autor
Andreas Schindler ist Geschäftsführer der Avanade Switzerland GmbH. In dieser Rolle entwickelt er den führenden Anbieter digitaler Innovationen im Microsoft-Ökosystem seit 2018. Bevor er seine Arbeit bei Avanade aufgenommen hat, war er lange Jahre in zahlreichen führenden Positionen bei etablierten Unternehmen tätig. Der gebürtige Zürcher verfügt über einen Masterabschluss in Mechanical Engineering, den er an der ETH Zürich erworben hat.