CIO-Interview: «Es gibt keinen Spagat zwischen Business und IT mehr»
Quelle: Zweifel Pomy-Chips

CIO-Interview: «Es gibt keinen Spagat zwischen Business und IT mehr»

Marc Bischoff, Leiter Informatik und Digitalisierung bei Zweifel Pomy-Chip, berichtet über den aktuellen Wechsel von SAP zu Abacus beim Familienunternehmen und den Einsatz von KI.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/07

     

Swiss IT Magazine»: Herr Bischoff, wie viel IT steckt in ­einer Tüte Chips? Oder anders gefragt: Welchen Stellenwert hat die Informatik im Traditionsunternehmen Zweifel Pomy-Chips?
Marc Bischoff:
In einer Chips-Tüte stecken natürlich primär hochwertige Schweizer Rohstoffe, zubereitet durch Mitarbeitende mit einem hohen Qualitätsbewusstsein sowie grossem Innovationsdrang. IT ist da wenig drin. Selbstverständlich ist die Informatik inzwischen jedoch in allen Unternehmensbereichen von zentraler Bedeutung: sowohl in unserem Werk in Spreitenbach, also in der Produktion, als auch in allen vor- und nachgelagerten Prozessen wie beispielsweise hier bei uns im Backoffice in Zürich-Höngg.

Wo ist die Informatik heute präsenter: Hier am Backoffice-Standort in Zürich-Höngg oder in der Produktion in Spreitenbach?
Sie ist in allen Abteilungen gleichermassen gefragt. Das heisst, wir haben keinen besonderen Fokus auf die Produktion oder das Backoffice. Wichtig ist die IT insbesondere auch im Bereich Frisch-Service mit zwölf Verteildepots in der ganzen Schweiz sowie 160 Mitarbeitenden. Sie sorgen dafür, dass unsere Produkte selbst bis in die Regale der kleinsten Verkaufsstellen gelangen und dort stets frisch gekauft werden können. Dabei nutzen die Mitarbeitenden nun schon länger eine Tablet-Lösung, womit wir die entsprechenden Prozesse digitalisieren und effizienter gestalten konnten.


Wie steht es um Innovationen in ­der Produktion? Stichwort Automa­tisierung?
Wir haben im Unternehmen einen dedizierten Bereich für Automation, der sich insbesondere um die Steuerung unserer Produktionsanlagen sowie die Automatisierung der Prozessschritte kümmert. Entsprechende Projekte sind dort angesiedelt, weshalb ich Ihnen hierzu weniger gut Auskunft geben kann. Unsere Teams arbeiten jedoch eng zusammen, beispielsweise wenn es um Themen wie Sicherheit oder Infrastruktur geht.

Ich habe kürzlich gesehen, dass man neu auch persönliche Chips-­Packungen gestalten kann. Inwieweit unterstützen Sie solche bestimmt Marketing-getriebenen Projekte?
Stark. Wir haben mit Yourz zudem ein weiteres spannendes Angebot, bei dem man nicht nur über die Gestaltung der Verpackung, sondern auch den Geschmack der Chips mitbestimmen kann. Die entsprechende technische Umsetzung liegt in den Händen eines Partners, der bereits unseren Webshop betreibt und sich um weitere Web-Entwicklungen kümmert.

Was machen Sie und Ihr Team noch inhouse? Und wie gross ist die Informatik-Abteilung von Zweifel Pomy-Chips überhaupt?
Wir sind zwei Teams mit je sechs Mitarbeitenden plus meine Person als Leiter Informatik und Digitalisierung. Eines der beiden Teams kümmert sich um die klassische technische Informatik vom System Engineering über die IT-Security bis hin zu unseren Kommunikationssystemen, während sich das andere unseren Applikationen widmet, inklusive allfälligen Betriebsoptimierungen und Weiterentwicklungen. Wir erbringen IT-Dienstleistungen für die gesamte Zweifel-Holding, also nicht nur für Zweifel Pomy-Chips, sondern beispielsweise ebenfalls für die Weinhandlung Zweifel 1898.

Wo laufen Ihre Anwendungen und befinden sich Ihre Daten? Noch in eigenen, lokalen Rechenzentren oder bereits in der Public Cloud?
Sowohl als auch. Wir betreiben für bestimmte Applikationen lokale Rechenzentren, unsere Daten befinden sich derweil grossmehrheitlich in der Microsoft Cloud. Ausserdem nutzen wir verschiedene SaaS-Lösungen sowie Infrastruktur- und Security-Services, die wir aus der Cloud oder externen Rechenzentren beziehen. Treiber sind die jeweiligen Anforderungen an ­einen IT-Service in Bezug auf Verfügbarkeit, Sicherheit oder Skalierbarkeit. Anhand dieser und weiterer Kriterien entscheiden wir, ob etwas lieber hier bei uns vor Ort läuft oder extern. Wir haben zusammengefasst also die Wahl und die nötige Flexibilität, selbst innerhalb eines IT-Services.


Was spricht dafür, bestimmte IT-Services nach wie vor lokal, also inhouse, zur Verfügung zu stellen?
Wenn es um standardisierte Services geht, die keine hohen Auslastungsschwankungen haben und wenig Flexibilität benötigen, so ist es manchmal kosteneffizienter, diese inhouse zu betreiben, anstatt aus der Cloud zu beziehen. Es gibt aber auch noch andere Gründe wie die Nähe zum Business. Ein gewisses Know-how möchten wir bewusst bei uns behalten und es wäre wenig effizient, dieses auszulagern. Wenn wir hingegen etwas auslagern, dann gehen wir nach dem Best-of-Breed-Ansatz vor und schauen, welcher Anbieter unsere Anforderungen am besten erfüllt, und die beste Lösung bietet.

Der Entscheid ist also nicht primär datenschutzgetrieben?
Durch unser Geschäftsmodell stehen wir nur selten in direktem Kundenkontakt und besitzen so kaum schützenswerte Kundeninformationen. Dort, wo wir sie dennoch haben, beispielsweise durch den Verkauf in unserem Web-Shop, befinden sie sich nicht in der Cloud. Für andere schützenswerte Daten nutzen wir verschiedene technische Möglichkeiten, unter anderem jene, die Microsoft in One-drive oder Azure zur Verfügung stellt.

Inwieweit nutzen Sie weitere Microsoft-­Tools wie beispielsweise Teams?
Microsoft Teams wird bei uns breit eingesetzt und unterstützt das hybride Arbeiten, das mit Ausbruch der Coronapandemie natürlich bei uns ebenfalls stark an Bedeutung gewonnen hat. Gegenwärtig sind wir gerade dabei, auch die klassische Telefonie auf Teams umzustellen. Gleichzeitig zentralisieren und vereinheitlichen wir verschiedene lokale Installationen und Lösungen. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um ein sehr komplexes Projekt, es gilt allerdings doch das eine oder andere zu beachten und insbesondere die Mitarbeitenden mit an Bord zu holen, die bis auf wenige Ausnahmen beispielsweise ihre Tischapparate verlieren werden.


Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeitenden künftig bei einem Microsoft-­Ausfall nach wie vor mit Teams telefonieren können?
Das kann selbstverständlich vorkommen und wäre suboptimal. Es gibt allerdings Möglichkeiten, um die Folgen einzudämmen und wir werden entsprechende Konfigurationen vornehmen beziehungsweise Lösungen implementieren. Eine gewisse steigende Abhängigkeit ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, wobei auch unsere heutige, klassische Telefonanlage theoretisch ausfallen könnte. Sie läuft allerdings sehr stabil.

Ihre Mitarbeitenden verlieren also ihre Tischapparate. Welche Hardware bleibt ihnen, angefangen beim Client?
Wir haben alle Mitarbeitenden mit Microsoft Surface Notebooks ausgestattet. Vereinzelt existieren auch noch klassische PC-Arbeitsplätze, insbesondere dort, wo beispielsweise mehr Grafikleistung gefordert ist. Zu den Notebooks gesellt sich natürlich eine Docking-Station und ein passendes Monitor-Setup, womit ebenfalls ein standortübergreifendes Arbeiten möglich ist.

Nun sind Sie nicht nur Leiter Informatik, sondern auch Leiter Digitalisierung des Unternehmens. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Business und IT?
In meinen Augen gibt es keinen Spagat mehr. Die IT und interne IT-Dienstleister müssen inzwischen sehr nah am Business sein, um wirklich einen Mehrwert schaffen zu können. Nur zusammen werden Innovationen gestaltet und neue Services effizient eingeführt. Man kann auch sagen, dass eine effiziente und moderne interne IT inzwischen eigentlich vertikal in die verschiedenen Fachabteilungen integriert sein sollte. Ist ein Verständnis für das Business und das, was das Business ausmacht, vorhanden, so kann die Informatik heute ein sehr wertvoller Dienstleister sein und einen signifikanten Unterschied für ein Unternehmen ausmachen. Und das ist genau der Anspruch, den ich an meine Abteilung habe.

Apropos moderne IT: Ist das aktuelle Hype-Thema KI bei Zweifel Pomy-Chips ebenfalls bereits präsent? Nutzen Sie Tools wie ChatGPT schon produktiv?
Natürlich ist KI bei uns ebenfalls ein Thema. Wir ermuntern alle unsere Mitarbeitenden, diese Tools zu nutzen und Erfahrungen damit zu sammeln. Dabei sollen sie prüfen, wo ihnen entsprechende Lösungen im Alltag helfen können und wo vielleicht nicht. Gleichzeitig gilt es aber, nicht nur auf die vielen Chancen, sondern auch Gefahren aufmerksam zu machen, also entsprechende Do’s und Dont’s zu formulieren. Wir als IT prüfen derzeit, wo wir GPT-Maschinen konkret einsetzen könnten. Dabei denken wir beispielsweise an die Wissensvermittlung beziehungsweise den Zugang zu internem Wissen à la ChatGPT. Eine andere Thematik, an der wir in diesem Zusammenhang arbeiten, ist der Aufbau von Datenmodellen. Hier geht es darum, datenbasierte Entscheidungsfindungen im Unternehmen voranzubringen. Wir wollen anhand unserer Daten lernen und uns weiterentwickeln. Grundsätzlich betrifft KI inzwischen aber jeden Bereich in der IT.


Sie waren zuvor einige Jahre bei Bindella als Geschäftsleiter Informatik tätig. Was konnten Sie aus dieser Zeit mit zu Ihrem aktuellen Arbeitgeber nehmen? Wo gibt es Unterschiede?
Nebst vielen schönen Erinnerungen und Erfahrungen, sicher mein Wissen im Bereich Weinbau und Weinhandel, das ich bei Bedarf bei Zweifel 1898 einbringen kann. Den grössten Unterschied, begründet im Geschäftsmodell, gibt es bestimmt in der Anzahl der direkten Kundeninteraktionen, welche bei Bindella höher war. Zudem werden ähnliche Themenbereiche etwas anders gewichtet. Jede Branche hat ihre eigene Akzentuierung. Für eine Privatbank haben Sicherheitsaspekte beispielsweise ein höheres Gewicht als in anderen Firmen. Hier bei Zweifel Pomy-Chips liegt die erwähnte Nähe zum Geschäft und den Kunden sowie das Verständnis der relevanten Prozesse im Fokus.

Ihre Informatik-Lehre haben Sie ebenfalls in einem spannenden Betrieb, dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos, absolviert. Wie kam es dazu?
Ich bin in Davos aufgewachsen und leidenschaftlicher Wintersportler sowie Snowboarder – heute vielleicht etwas weniger als früher. Deshalb war es naheliegend, meine IT-Lehre dort zu machen. Zudem gab es 1997 in Davos und Umgebung noch nicht so viele Informatiklehrstellen. Wenn ich mich recht erinnere, waren wir erst der zweite IT-Lehrgang im Kanton Graubünden überhaupt.


Was haben Sie in dieser Zeit gelernt, das Sie heute noch anwenden können?
In fachlicher Hinsicht hat sich in den letzten Jahren natürlich einiges verändert. Es gibt jedoch viele Dinge, die man in einer Lehre im besten Fall sonst noch vermittelt kriegt. Prägend waren beziehungsweise sind sicher Themen wie das Entwickeln einer eigenen Arbeitstechnik oder der Umgang mit Konflikten beziehungsweise Problemstellungen und Mitarbeitenden.

Nun bilden Sie selbst Informatiker aus. Wie wichtig ist dies hinsichtlich des omni­präsenten Fachkräftemangels?
Aktuell bilden wir leider gerade keine Lernenden aus. Für 2024 wollen wir jedoch wieder entsprechende Ressourcen aufbauen und künftig eine Lehrstelle als ICT-Fachmann beziehungsweise ICT-Fach­frau anbieten. Die Ausbildung von künftigen Fachkräften ist wichtig und etwas Schönes, bringt aber ebenfalls viel Verantwortung mit sich. Das Ziel darf nicht sein, Arbeit auf Angestellte umzuverteilen, die weniger kosten. Man muss bereit sein, etwas zu investieren. Die Lehrstelle zu besetzen, dürfte kein Problem sein. Den Fachkräftemangel spüren natürlich auch wir. Wir hatten jüngst eine Vakanz und benötigten einige Zeit, um ­einen passenden Mitarbeitenden zu finden. Diese Zeit, und den dafür nötigen Raum, sollte man sich trotz eines ausgetrockneten Marktes unbedingt nehmen. Es gibt für beide Seiten nichts Ärgerlicheres als Kündigungen in den ersten Monaten.


Mit welchen weiteren Herausforderungen sind Sie aktuell konfrontiert? Oder anders gefragt: Welche weiteren IT- oder Digitalisierungsprojekte stehen auf Ihrer Agenda?
Wir haben ein sehr breites Portfolio an bereits laufenden sowie geplanten IT-Projekten, darunter ebenfalls einige neue Angebote für unsere Kunden. Die entsprechenden Pläne kann ich Ihnen aber leider noch nicht verraten. Es gibt jedoch auch Handfesteres, wie die Weiterentwicklung und Optimierung unserer Business-­Applikationen. In diesem Zusammenhang beschäftigt uns derzeit insbesondere eine SAP-Ablösung. Ausserdem investieren wir laufend in unsere Infrastruktur sowie in den Betrieb und die Sicherheit. So steht in Kürze eine Storage- und Netzwerkerneuerung an. Weiter wollen wir unsere Digitalstrategie neu ausrichten und entsprechende Kompetenzen im gesamten Unternehmen stärken.

Welcher Hersteller wird in Zukunft Ihr ERP-Lieferant? Und warum der Wechsel weg von SAP?
Wir werden künftig mit Abacus arbeiten und, Stand heute, Anfang nächstes Jahr live gehen. Natürlich haben wir uns den ERP-Wechsel, der wie in anderen Unternehmen auch bei uns ein Grossprojekt ist, gut überlegt. Der Entscheid wurde zwar noch vor meinem Eintritt gefällt, ich kann diesen aber absolut mittragen. Wir können unsere Prozesse mit der Lösung von Abacus, notabene einem Schweizer Hersteller, ebenfalls sehr gut abdecken und benötigen keine grössere Lösung mehr. Ins Rollen gebracht hat den Wechsel die Tatsache, dass unser bestehendes ERP demnächst sein Lebensende erreicht. Dabei stellte sich die Frage, ob wir bei SAP bleiben und auf S/4 HANA migrieren oder, wie das nun der Fall ist, zu einem anderen Hersteller wechseln.

Wo geht die Reise im Storage- und Netzwerk-Bereich hin? Werden Sie neue Technologien einführen?
Es handelt sich hierbei ebenfalls um die Ablösung eines Systems, das sein Lebensende erreicht hat. Dabei geht es primär um Weiterentwicklungen auf bestehender Technologie, um unsere Kapazitäten zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten zu optimieren. Neue, disruptive Technologien stehen hier nicht im Zentrum, viel mehr wollen wir damit auch unsere Betriebssicherheit und Verfügbarkeit weiter erhöhen.

Marc Bischoff

Marc Bischoff (41) ist seit Mai 2022 Leiter Informatik und Digitalisierung bei Zweifel Pomy-Chips. Zuvor war der in Hausen am Albis wohnhafte, gelernte Informatiker sowie Dipl. Techniker HF Informatik mit einem MAS in Business Engineering und Wirtschafts­informatik sowie einem Nachdiplomstudium im Bereich Mitarbeiter- und Unternehmensführung einige Jahre als Geschäftsleiter Informatik und Leiter IT für Bindella tätig. Weitere Karrierestationen waren Marché Restaurants Schweiz, Marionnaud sowie die Dresdner Bank (Schweiz).

Zum Unternehmen


Wer kennt sie nicht, die Pommes-Chips und Snacks von Zweifel Pomy-Chips. Über 70 Sorten in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen bietet das 1958 gegründete Schweizer Familienunternehmen an. Diesen Herbst soll eine neue Snack-Innovation dazu kommen. Die Firma setzt dabei auf Schweizer Rohstoffe sowie den Produktionsstandort Schweiz. Hergestellt werden die beliebten Chips und Snacks bereits seit vielen Jahren in Spreitenbach (AG), wo sich auch der Hauptsitz des Traditionsunternehmens mit seinen über 440 Mitarbeitenden befindet. Im vergangenen Jahr erzielte Zweifel Pomy-Chips einen Umsatz von fast 288 Millionen Franken und stellte rund 10’000 Tonnen Chips und Snacks her. Jüngst wurde der Chips-Pionier von der «Handelszeitung» und PME in Zusammenarbeit mit Statista ausserdem als «Bester Arbeitgeber» ausgezeichnet. (mv)


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