Windows-XP-Workshop, Teil 7: Windows.Net Server - Die 64-Bit-Plattform

Microsoft veröffentlicht mit einer Client- und einer Server-Version gleich zwei Varianten seines 64-Bit-Betriebssystems. Die Server-Version ist aber eher als Marketing-Massnahme zu verstehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/41

     

Mit dem Itanium-Prozessor wird das Thema der 64-Bit-Betriebssysteme auf der Intel-Plattform relevant. Und auch wenn derzeit eher noch Abwarten dominiert, so ist es doch letztlich nur eine Frage der Zeit, bis 64-Bit-Systeme und -Anwendungen sich auf breiter Front durchsetzen. Denn gerade die Grenze von 4 GB direkt adressierbarem Hauptspeicher, wie er in 32-Bit-Betriebssystemen existiert, wird im praktischen Einsatz zunehmend zum Engpass. Selbst bei Clients sind heute Hauptspeicher mit Grössen von 512 MB und darüber keine Ausnahme mehr.



Auf der Client-Seite ist der Schritt zum 64-Bit-Computing dabei schon vollzogen. Mit der Windows XP 64-Bit-Edition steht ein System bereit, das insbesondere auf High-End-Workstations im Grafik-Bereich ausgerichtet ist.




Auf der Server-Seite gibt es den Windows Advanced Server Limited Edition als Preview-Release der zukünftigen 64-Bit-Server-Plattform von Microsoft. Dieses System wird nur in Verbindung mit Itanium-basierender Hardware diverser Hersteller wie Dell, HP, IBM und Fujitsu angeboten.


Windows XP 64-Bit-Edition

Die Windows XP 64-Bit-Edition unterscheidet sich von Windows XP Professional vor allem in einem Punkt: Statt 4 GB RAM können im ersten Release bis zu 16 GB physischem Hauptspeicher und bis zu 8 Terabyte virtuellem Speicher genutzt werden. In zukünftigen Versionen soll dann, entsprechend der verfügbaren Hardware, auch mehr physischer Hauptspeicher genutzt werden können. Die Zielrichtung sind technische und grafische Workstations im High-End-Bereich, wo sich die Vorteile der 64-Bit-Systeme bei Fliesskommaoperationen und mit der unterstützten Menge an Hauptspeicher besonders deutlich auswirken.



Nicht zu unterschätzen sind daneben auch die Erweiterungen verschiedener Systemressourcen wie dem Paged Pool und dem Non-Paged Pool, deren Restriktionen sich heute insbesondere bei ressourcenintensiven Systemen bereits als Engpass auswirken.




Aus Sicht der Anwendungsentwicklung gibt es zwischen den 32-Bit- und den 64-Bit-Plattformen keine wesentlichen Unterschiede. Es werden im wesentlichen die gleichen API-Funktionen angeboten, wobei der verwendete Code dort, wo es Sinn macht, für die Nutzung der Itanium-Plattform optimiert wurde.



Im ersten Schritt ist die Windows XP 64-Bit-Edition eindeutig eine Plattform für die Einsatzbereiche, die heute bereits an die Grenzen der von Windows 2000/XP unterstützten Ressourcen stossen. Nur dort machen die aktuell noch hohen Investitionen in die benötigte Hardware Sinn. Aber wie schon eingangs gesagt: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert und 64-Bit-Systeme auch auf breiterer Basis genutzt werden.




Advanced Server Limited Edition

Die 64-Bit-Variante des Windows Advanced Server wird von Microsoft explizit als Limited respektive Preview Edition bezeichnet. Das System wird nur mit geeigneter Hardware von OEMs ausgeliefert und ist für Early Adopters gedacht, die kurzfristig Bedarf für 64-Bit-Serverlösungen auf Basis von Windows haben. Das System wird nicht direkt an Endkunden vertrieben werden. Der Support erfolgt primär über die OEMs, wobei allerdings auch Microsoft den Release voll und nicht nur im Sinne einer Betaversion unterstützt.



Bei der Advanced Server Limited Edition handelt es sich nicht einfach um eine Servervariante von Windows XP 64-Bit-Edition, was sich schon an der Speicherunterstützung zeigt. Diese wird über 64 GB hinausgehen, wobei es noch keine eindeutigen Aussagen zum maximal unterstützten Hauptspeicher gibt. Der virtuelle Speicher kann bis zu 16 Terabyte gross werden.




Interessant sind auch die erweiterten Funktionen im Bereich des Hardware-Fehlermanagements. Mit diesem Feature, das auf einer Funktion des Itanium-Prozessors basiert, können Fehler bei Systemkomponenten gezielt erkannt werden, was die Verfügbarkeit von Serversystemen deutlich erhöhen kann.



Microsoft bezeichnet die Limited Edition als eine Windows.Net Server-Variante, die auf dem aktuellen Stand basiert und die bis zum Release des Windows.Net Server entsprechend erweitert wird.



Auf der anderen Seite gilt für die Limited Edition ebenso wie für die 64-Bit-Version von Windows XP, dass die 64-Bit-API weitestgehend der vertrauten 32-Bit-Windows-API entspricht. Die Umstellung von Anwendungen ist damit vergleichsweise einfach. Entsprechend arbeiten Anbieter von Anwendungssystemen wie SAP bereits intensiv an optimierten Lösungen. Microsoft selbst entwickelt eine 64-Bit-Version des SQL Server, die für Mitte 2002 angekündigt ist; die Portierung anderer .Net Server ist in der Planungsphase, konkrete Ankündigungen gibt es aber noch keine.



32-Bit-Anwendungen lassen sich unter dem 64-Bit-Windows in einem Subsystem ausführen. Da deren Performance auf 64-Bit-Prozessoren aber schlechter als auf 32-Bit-Plattformen ist, macht das nur in Ausnahmefällen Sinn. 16-Bit-Anwendungen schliesslich werden überhaupt nicht mehr unterstützt.



Ebenfalls für das 64-Bit-Windows weiterentwickelt wird der Microsoft Operations Manager (MOM), der die neue Plattform relativ frühzeitig unterstützen soll. Hier gibt es derzeit aber noch keinen konkreten Termin.




Ein detaillierter Blick

Dass die Limited Edition auf dem Windows.Net Server aufbaut, wird schon bei den Feature-Listen deutlich - aber auch, wenn man sich verschiedene Funktionen des Windows.Net Server betrachtet. So kann beispielsweise bei den Gruppenrichtlinien gezielt gesteuert werden, welche Anwendungen auch auf 64-Bit-Systemen eingerichtet werden sollen. Das ist schon deshalb wichtig, weil 64-Bit-Systeme auf Server- wie auf Client-Seite zunächst spezielle Einsatzbereiche haben werden und nicht alle Anwendungen darauf eingerichtet werden sollen. Hinzukommt die schwächere Performance der 32-Bit-Anwendungen auf diesen Systemen. Entsprechend wurde auch der Windows Installer erweitert, um 64-Bit-Komponenten korrekt verarbeiten zu können.



Die meisten der neuen Funktionen in der Limited Edition sind Funktionen, die sich in gleicher Weise auch beim bereits in den letzten drei Folgen der Serie besprochenen Windows.Net Server finden. Dazu zählen die automatisierte Systemwiederherstellung, die zusätzlichen Befehlszeilenwerkzeuge und natürlich auch die angepasste Oberfläche.




Auch die Erweiterungen beim Active Directory entsprechen in den meisten Bereichen denjenigen, die sich bei der aktuellen Betaversion des Windows.Net Server finden. Das Active Directory auf 64-Bit-Servern mit der Limited Edition ist mit anderen Active-Directory-Varianten interoperabel.




Umsteigen?

Wie schon beim Client, gilt auch beim Server: Ein Umstieg macht nur Sinn, wenn man die grössere Leistung des Systems auch wirklich benötigt. Gerade in Anbetracht dessen, dass die Limited Edition auf der Betaversion des Windows.Net Server basiert, will das gut überlegt sein. Zudem gibt es auch nur wenige verfügbare 64-Bit-Server-Anwendungen, die sich zum Grossteil auch noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden.



Richtig ernst wird es erst mit dem Release des Windows.Net Server, bei dem ziemlich zeitgleich auch die Final-Version des 64-Bit-Windows-Server auf den Markt kommen dürfte. Wer heute nicht zwingend darauf angewiesen ist, mit 64-Bit-Systemen zu arbeiten, sollte noch abwarten.




In vielen Fällen dürfte eine vergleichbare Skalierbarkeit auf ausgereifterer Soft- und Hardware zu erreichen sein, wenn man beispielsweise den Datacenter Server mit einer entsprechenden Zahl von Prozessoren einsetzt. Denn auch dort stehen immerhin bis zu 64 GB Hauptspeicher zur Verfügung. Und Lastverteilung lässt sich auch durch mehrere Instanzen von Anwendungen, die Verteilung auf mehrere Server und die Nutzung von SMP-Systemen erreichen. Selbstverständlich lassen sich damit nicht alle Einsatzfälle abdecken - dort, wo diese Lösungen funktionieren, ist die Nutzung der bestehenden Windows-Server-Plattformen in einem echten Final-Relase sinnvoller als der schnelle Schritt zum 64-Bit-Windows, das vor allem aus Marktgründen bereits herausgebracht wurde.




64-Bit-Windows: Mehr Speicher für das System

Es ist nicht unbedingt der maximal nutzbare physische Hauptspeicher, der die grösste Einschränkung bei 32-Bit-Windows-Systemen darstellt. Im System gibt es einige andere Speicherbeschränkungen, die viel früher zum Engpass werden können. So kann es beispielsweise, wie im Artikel Q247904 der Knowledge Base von Microsoft beschrieben, zu Problemen beim Kopieren sehr grosser Dateien kommen, weil der Auslagerungsbereich eines Systems nicht ausreicht. Dort wird 1 MB Platz pro GB zu kopierender Datei reserviert, wenn die Standard-Systemaufrufe von Windows NT und Windows 2000 verwendet werden. Erst ab dem Service Pack 2 von Windows 2000 wurden diese Aufrufe modifiziert, um die Einschränkung zu umgehen. Da der Auslagerungsbereich eine maximale Grösse von 470 MB hat und auch das System und andere Anwendungen darauf zugreifen, kann dieser Punkt vergleichsweise früh erreicht sein. Der Engpass kann dann beispielsweise beim Kopieren der Sicherungsdateien von sehr grossen Datenbanken auftreten.



Sowohl der Auslagerungsbereich als auch der Nichtauslagerungsbereich sind abhängig von der Grösse des physischen Hauptspeichers, können aber auch durch Registry-Parameter angepasst werden. Der Auslagerungsbereich ist ein Systemspeicherbereich, in den die Auslagerungsdatei verschoben werden kann. Diese Seiten werden von Anwendungen im Kernel-Modus reserviert. Systemanwendungen nutzen einen Bereich von 2 GB virtuellem Speicher. Ein wesentlicher Bereich davon ist eben der Auslagerungsbereich.




Ein zweiter wichtiger Bereich ist der Nichtauslagerungsbereich mit Seiten, die nicht ausgelagert werden dürfen. Daneben gibt es dann noch den Kernel-Stack, in dem Stacks für jeden Thread gehalten werden, der Systemaufrufe macht. Die Nutzung des Kernel-Stack wird in der System-PTE (Page Table Entry) verwaltet. Detaillierte Informationen dazu finden sich unter anderem in den Artikeln Q247904 und Q126402 der Microsoft Knowledge Base.



Generell gilt, dass alle Einschränkungen vom Auslagerungsbereich bis zum maximalen Cache, der vom Betriebssystem verwaltet werden kann, in einem Zusammenhang mit dem verfügbaren physischen Hauptspeicher stehen.



Bei den 64-Bit-Versionen von Windows gibt es diesen Zusammenhang in Teilen immer noch, weil beispielsweise bei 4 GB installiertem Hauptspeicher nicht einfach 2 oder 3 GB für den Auslagerungsbereich verwendet werden können, da Anwendungen und Cache ja ebenfalls Hauptspeicher belegen. Die Flexibilität in der Nutzung des Hauptspeichers wurde aber erhöht und die Grenzen deutlich nach oben verschoben.



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