Service Desk gehört ins Unternehmen
Quelle: Crown/Glenfis

Service Desk gehört ins Unternehmen

Von Martin Andenmatten

IT-Organisationen stehen angesichts steigender Komplexität zunehmend unter Druck und sind vermehrt auf externe Kräfte angewiesen. Im Unternehmen behalten sollte man allerdings den Service Desk.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/05

     

Der stetige Wandel ist in der IT seit jeher die Normalität. Das, was aktuell geschieht, erwischt jedoch manchen CIO und IT-Spezialisten auf dem falschen Fuss: Der immer grössere und schnellere Bedarf an Veränderungen im Business und die schier grenzenlosen Angebote aus der Cloud erhöhen den Druck auf interne IT-Organisationen, die IT-Services noch professioneller, transparenter und kostengünstiger zu entwickeln und zu betreiben. Anforderungen, welchen gerade viele IT-Teams in KMU nicht mehr aus eigener Kraft zu genügen vermögen. Dazu kommt der immer höhere Regulierungsdruck, welcher auch der IT ein lückenloses Aufzeichnen aller Transaktionen aufzwingt.
Die zunehmende Automatisierung entkoppelt die Businesseinheiten immer stärker von der IT selbst, statt sie näher zusammen zu bringen. Gerade einfache Aufgaben wie beispielsweise Passwort-Änderungen, IT-Arbeitsplatz-Bestellungen oder Umzugsaufträge lassen sich einfach mit Workflow-Anwendungen abwickeln, während technische Konfigurationen und Entwicklungen nicht standardmässig und damit auch nicht so einfach automatisierbar erfolgen.

Der Service Desk als ungeliebtes Stiefkind


Der Helpdesk wurde zwar mit ITIL und etwas Job Enrichment zum Service Desk weiterentwickelt, ist aber in den Augen vieler ITler nie richtig dem ungeliebten Stiefkind-Status entwachsen. Und auch viele Service-Desk-Mitarbeiter möchten möglichst schnell vom Telefon weg, um ihre IT-Karriere losgelöst von den genervten IT-Usern im Kreise gleichgesinnter Technologie-Experten aus- und aufzubauen. Was liegt also näher, als gerade den Service Desk in fremde Hände zu geben, welche sich darauf spezialisiert haben.
Entsprechend oft und gerne wird dies getan. Denn es gibt viele Outsourcing-Anbieter, die diese Aufgabe sehr gerne übernehmen. Die Outsourcing-Mitarbeiter werden dann mit Skripts für häufig auftretende Probleme bewaffnet, um den grössten Ansturm an Fragen möglichst einfach zu lösen. Alle komplexeren Fragestellungen werden aber umgehend wieder in die IT-Organisation zurück geschickt.
Für den Outsourcing-Partner ist dies ein lukratives Geschäft, denn in aller Regel wird er pro User und Anruf entschädigt. Er hat im Prinzip also grösstes Interesse, möglichst viele Anfragen zu erhalten und auch häufig wiederkehrende Störungen möglichst lange nicht dauerhaft zu lösen. Zudem ist er an der verwundbarsten Stelle der IT-Organisation: Er weiss aufgrund der gemeldeten Probleme, wo es klemmt und ist als schlauer Anbieter gerne mit Zusatzangeboten zur Stelle – nicht immer zum Vorteil der verbleibenden internen IT. Zudem hat der externe Provider aufgrund seiner Nähe zu den Benutzern ein sehr gutes Bild darüber, wer was benötigt und wo welche Systeme stehen. Er ist quasi zum Sprachrohr der IT-Organisation geworden.

Visitenkarte der IT-Organisation nicht aus der Hand geben


Es ist wichtig und richtig, dass möglichst viele einfache Standardabläufe automatisiert werden. Es ist auch sinnvoll, den Benutzern häufig gestellte Fragen mittels FAQ-Online-Skripts zur Verfügung zu stellen, damit diese sich möglichst einfach und schnell selber helfen können. Wenn diese Angebote aber nicht mehr ausreichen, ist es für den Benutzer wichtig, dass er sich an jemanden wenden kann, der sein Anliegen versteht und sich für die Abwicklung einsetzt. Es ist in diesem Moment jemand gefragt, der mehr kann, als Fragestellungen mittels Skript in ein Ticket zu transkribieren. Vielmehr braucht es jemanden, der die Dringlichkeit erkennt und sich mit der Problemstellung identifizieren kann. Dazu eignet sich ein externer Mitarbeiter in aller Regel nicht.
Wie sich der Service-Desk-Agent den Fragen des Anwenders annimmt und wie sich dieser ernst genommen und aufgehoben fühlt, beeinflusst direkt die Wahrnehmung der Servicequalität. Es geht nicht darum, wie komplex die Fragestellung ist, sondern um die Hilfestellung, welche der Benutzer in dem Moment erfährt. So präsentiert sich der Service Desk als die Visitenkarte der IT. Der Service Desk ist mit der Hotel-Rezeption zu vergleichen; und diese gibt man nicht in fremde Hände.

Für den Service Desk braucht es Menschen, die User-Anfragen annehmen können und über ein breites technisches Verständnis verfügen, um die Triage und Diagnose von Problemstellungen mit mehreren Ursachen in teilweise übergreifenden Technologie- und Business-Disziplinen durchzuführen. Sie müssen verstehen, wie das spezifische Geschäft des Kunden funktioniert. Es braucht Menschen, die sich einfühlen und zuhören können und die auch tatsächlich Spass daran haben, technisch weniger anspruchsvolle Lösungen zu präsentieren.
Dies bedeutet nicht, dass Call Center nicht ausgelagert werden können, etwa um die Erreichbarkeit zu erhöhen. Aber ein Call Center ist nie ein Service Desk. Während ein Call Center die Anrufe entgegennimmt und in erster Linie die Meldungen an die richtige Stelle weiterleitet, kümmert sich der Service Desk um die Lösung der Anliegen.

Drehscheibe zwischen Business und Service Provider


In zunehmendem Mass werden gerade auch Plattform- und Infrastruktur-Services von externen Providern angeboten, und ganze Applikationen werden als SaaS-Lösungen aus der Cloud bezogen. Die IT aus einer Hand ist schon lange Geschichte. Auch die Provider selbst haben ihre Dienstleistungen nach dem Kosteneffizienz-Prinzip so schlank gestaltet, dass nur noch der eigene Mehrwert auch selber erbracht wird und der Rest aus möglichst kostengünstigen, externen Alternativen zugemietet oder eingekauft wird. Die Leistungskette eines IT-Service beschäftigt heute teilweise bis zu mehrere Dutzend juristisch unabhängige Anbieter.
Die verschiedenen beteiligten externen Provider im Griff zu behalten und auf ein gemeinsames, für das Business relevantes Ziel auszurichten, ist eine Herausforderung, welcher sich viele IT-Organisationen noch nicht wirklich bewusst sind. Gerade in KMU ist es elementar, dass sich jemand dieser Problematik annehmen kann. Es kann nicht sein, dass verschiedene Business-Einheiten mit verschiedenen externen Anbietern ihre eigenen IT-Services einkaufen und Schatten-ITs pflegen. Hier bietet sich der Service Desk als Drehscheibe geradezu an. Der Service Desk kann als letzte intern verbleibende IT-Instanz zum Service Broker zwischen internen Anforderungen des Business (in SLAs manifestiert) und der Auswahl und Überwachung der externen Provider werden. Die Probleme werden intern gemanagt und sind transparent. Die Provider werden so ausgewählt und gesteuert, dass keine existentielle Abhängigkeit von einem fremden Unternehmen entsteht, aus dessen Klauen man sich dann kaum mehr befreien kann.

Strategischer Differenzierungsfaktor

Dass die IT-Technologie noch einiges an Überraschungen und Rationalisierungspoten­tialen in petto hat, ist wohl zu erwarten. Die Zahl der IT-Spezialisten, die am Markt verfügbar sind, ist aber begrenzt und wird in Zukunft nicht ausreichen, um eine vollständige eigene Mannschaft aufzubauen. Outsourcing zu spezialisierten Service Providern wird daher auch weiterhin Konjunktur haben. Das macht auch Sinn. Wieso braucht jedes Unternehmen Netzwerk-, Datenbank- oder Java-Entwickler, wenn diese doch mehr oder weniger überall das gleiche tun. Ein Differenzierungsmerkmal einer guten Service-Organisation ist nicht die Technik an sich, sondern es sind die Menschen, welche in der Lage sind, hervorragende Dienstleistungen zu erbringen. Dazu gehört entscheidend, sich um die Kunden und Benutzer zu kümmern und sich deren Anliegen anzunehmen.
Die Schnittstellen zum Benutzer und zum Kunden sind dabei die sensibelsten Bereiche, weil dort der Service spürbar erbracht wird. Ein KMU, welches seine gesamte IT-Technik ausgelagert hat, dafür aber über einen Service Desk verfügt, der treuhänderisch die Anliegen sicherstellt, bleibt auch in Zukunft unabhängig und selbständig und hat die Fäden in der Hand.


Martin Andenmatten ist Geschäftsführer beim ICT-Dienstleister Glenfis und dabei unter anderem auf Service-Management-Projekte spezialisiert.


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