Der erste Schritt zur Gesundheitskarte
Politik der kleinen Schritte
Ganz so weit wie ihre Nachbarländer geht die Schweiz allerdings (noch) nicht. Im entsprechenden Gesetzesartikel (Art. 42a KVG), den das Parlament im Oktober 2004 verabschiedet hat, ist zunächst nur von einer Versichertenkarte die Rede, die den Namen der versicherten Person und eine vom Bund vergebene Sozialversicherungsnummer (voraussichtlich die neue AHV-Nummer) enthält. Alleiniger Zweck einer solchen Karte ist damit die eindeutige Identifikation des Versicherten und die Vereinfachung von administrativen Abläufen bei der Abrechnung von Leistungen – weniger Fehler bei der Datenerfassung, einfachere Handhabung der Daten und eine höhere Datenqualität stehen im Vordergrund.
Das Parlament zeigte mit der Verabschiedung des Artikels angesichts der Entwicklung im Ausland und der mittlerweile laufenden Gesundheitskarten-Projekte in den Kantonen Genf und Tessin den Willen, eine gesamtschweizerische Lösung anzustreben. Sie genügt allerdings aus politischen Gründen vorerst eher rudimentären Anforderungen. Immerhin ist in Absatz 4 des genannten Gesetzesartikels von persönlichen Daten die Rede, die künftig auf der Karte integriert werden könnten – der spätere Ausbau von der Versicherten- zur Notfallkarte wurde vom Gesetzgeber also explizit vorgesehen. Für einen noch weitergehenden Ausbau zur vollwertigen Gesundheitskarte mit dahinterliegendem Gesundheitsnetzwerk fehlen derzeit allerdings noch die Rechtsgrundlagen.
Abgesehen davon, dass sie als Grundlage für Weiterentwicklungen möglichst offen sein soll, muss allerdings auch die für 2008 geplante Versichertenkarte verschiedenen Anforderungen genügen. Im Vordergrund steht dabei die internationale Kompatibilität: Bereits 2006 wird eine europäische Krankenversicherungskarte eingeführt, deren Minimalversion auch die Schweiz übernehmen muss. Dabei handelt es sich um eine simple Karte mit einem Basissatz von Daten wie Name und persönlicher Kenn-Nummer, Geburtsdatum, Versichertennummer etc., die als Sichtdaten vorhanden sein müssen. Ausserdem ist zu vermuten, dass die Euro-Kompatibilität auch bei der Chip-basierten Karte beibehalten
und die Schweizer Lösung von den Erfahrungen in Frankreich und Deutschland profitieren und sich mittelfristig ebenfalls in diese Richtung weiterentwickeln wird.
Medizinische Daten freiwillig
Die Schweizer Versichertenkarte ist so konzipiert, dass sie alle nötigen Administrativdaten und einen limitierten Satz mit freiwilligen medizinischen Daten (Notfalldaten) in einem Speicherchip und teilweise zusätzlich als Sichtdaten enthält (vgl. Kasten). Dahinter steht die Überlegung, dass die Karte so einerseits der Abrechnung medizinischer Leistungen dient, später aber jederzeit zur vollwertigen Gesundheitskarte ausgebaut werden kann. Vom Direkteinstieg zur Gesundheitskarte, der vom Bundesrat ebenfalls geprüft wurde, hat man wieder Abstand genommen, weil die damit verbundene obligatorische Speicherung sensibler Gesundheitsdaten die Akzeptanz der Karte erschweren könnte.
Die Karte wird ein Foto des Versicherten enthalten, wodurch eine Reduktion des Missbrauchs beim Bezug von medizinischen Leistungen angestrebt wird. Für die Authentifikation ist ein PIN-Code vorgesehen, der den Lese- und Schreibzugriff auf die geschützten Daten ermöglicht. Wird die Karte etwa beim Arzt zur Eingabe von freiwilligen medizinischen Daten benötigt, ermächtigt der Versicherte diesen durch die Eingabe seines PIN-Codes zum Datenzugriff, während sich gleichzeitig der Arzt mit seiner «Health Professional Card» beim System ausweisen muss. Im Notfall – beispielsweise, wenn der Patient nicht ansprechbar ist – kann ein Arzt auch ohne dessen Einwilligung auf die geschützten Daten zugreifen, muss diesen Bruch mit den Regeln aber im System dokumentieren und begründen. Krankenversicherungen erhalten aus Datenschutzgründen keinen Einblick in die medizinischen Informationen.
Im Gegensatz dazu haben Leistungserbringer und Versicherer auch ohne explizite Einwilligung des Versicherten Zugriff auf dessen administrative Daten. Der Bundesrat sieht deshalb auch eine Pflicht zum Gebrauch der Karte für die Abrechnung von medizinischen Leistungen vor – der Karteneinsatz beim Bezug von Leistungen soll dagegen freiwillig bleiben.
Über die technische Umsetzung der Versichertenkarte ist bisher nichts bekannt, ebensowenig über die Kosten. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht in einem Zwischenbericht aufgrund einer unabhängigen Studie von einer Gesamtsumme von über 53,7 Millionen Franken aus – zu finanzieren von den Versicherern und Leistungserbringern sowie allenfalls den Versicherten und den Kantonen.