Datenverlust: Kein Grund zur Panik

Shit happens – auch bei Festplatten mit wichtigen Daten. Mit den geeigneten Tools oder professioneller Hilfe lassen sich aber oft auch scheinbar aussichtslose Fälle lösen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05

     

Festplatten haben zahlreiche natürliche Feinde. Dazu zählen nicht nur Katastrophen wie Feuersbrünste oder Wasserschäden, sondern auch Viren und Würmer aus dem Internet, Schläge durch Aufprall oder Fall, die Hitze im Inneren von leistungsfähigen Rechnern – und nicht zuletzt der Mensch. Denn mit über 26 Prozent (laut einer Statistik vom Spezialisten Kroll Ontrack) geht ein grosser Teil der Fälle von verlorenen Daten auf das Konto des Benutzers, der durch Fehlmanipulation oder Unaufmerksamkeit Dokumente (oft unabsichtlich) löscht oder Warnhinweise auf einen bevorstehenden Festplattencrash standhaft ignoriert. So zeigt etwa eine 2002 durchgeführte Untersuchung des Datenwiederherstellungs-Dienstleisters Convar, dass über 70 Prozent der PC-Anwender nicht auf deutliche Warnsignale reagieren, wozu etwa lautes Klacken der Harddisk mit anschliessendem automatischem Neustart oder die Notwendigkeit zum mehrmaligen Einschalten des Rechners wegen Boot-Problemen gehören.



Vor Datenverlusten ist grundsätzlich niemand gefeit. Oft genug verabschieden sich Festplatten ohne Vorwarnung in die ewigen Jagdgründe, schnell ist ein Dokument definitiv gelöscht oder eine Partition irrtümlich formatiert.



Wohl dem, der in solchen Fällen ein aktuelles Backup zur Hand hat. Aber auch wenn ein solches fehlt, ist grundsätzlich noch nichts verloren. Moderne Datenrettungs-Tools und in schlimmeren Fällen hochspezialisierte Dienstleister haben verschiedene Methoden und Tricks auf Lager, mit denen vermeintlich definitiv verschwundene Daten oft vollständig wiederhergestellt werden können.


Software für einfachere Fälle

Daten, die durch menschliches Versagen oder einen Virus gelöscht wurden, lassen sich in vielen Fällen auf einfache Weise mit Software-Tools wiederherstellen. Eine Auswahl solcher Tools haben wir in der Tabelle auf dieser Seite aufgelistet.



Die Vorgehensweise dieser Werkzeuge ähnelt sich. Zunächst wird in einem ersten Durchlauf nach gelöschten und wiederherstellbaren Dokumenten gesucht, die darauf aufgelistet werden. Der Anwender wählt die gewünschten Daten aus, worauf sie die Software wiederherstellt. Ein Teil der Programme lässt sich auch ab Diskette respektive Boot-Diskette starten, damit durch das Installieren der Anwendung nicht weitere Daten zerstört werden oder damit auch nicht mehr ab Festplatte bootbare Systeme gerettet werden können.



Die Unterschiede zwischen den Programmen liegen vor allem im Bereich der unterstützten Dateisysteme (meist FAT16/32, teils auch NTFS) und Dateiformate – die gebräuchlichen Office-Formate wie DOC, XLS und RTF, die häufigsten Bild-, Musik- und Multimediaformate wie JPEG, MP3 und AVI sowie Archivformate wie ZIP werden aber generell unterstützt. Für USB-Sticks und Speicherkarten von Digitalkameras werden heute verschiedene Spezialversionen der Programme angeboten, die mit einer Vielzahl von Multimediaformaten umgehen können.



Die aufgeführten Tools sind allesamt auch in Testversionen erhältlich, die gelöschte Daten zwar suchen und auflisten, aber nicht wiederherstellen können. Es empfiehlt sich, vor einem allfälligen Kauf verschiedene Produkte oder auch Produktversionen zu vergleichen, um die eigenen Bedürfnisse genau abzudecken.



Bei der Anwendung dieser Programme ist allerdings Vorsicht geboten. Zunächst gilt es, durch den Download und die Installation der Tools nicht weiteren Schaden anzurichten und zusätzliche Daten zu überschreiben und so zu zerstören. Es empfiehlt sich deshalb, die Programme auf einem anderen PC herunterzuladen und ab Diskette zu benutzen oder – je nach Konfiguration des Rechners – mit verschiedenen Partitionen zu arbeiten.
Ausserdem ist zu beachten, dass all diese Tools nur solange weiterhelfen können, als keine Hardwaredefekte vorliegen. Verlorene Dateien, beschädigte Bootsektoren und gelöschte File Allocation Tables (FAT) können sie zwar wiederherstellen, bei mechanischen Problemen sind sie aber untauglich. Gibt die Festplatte untypische Geräusche von sich oder wird sie vom BIOS nicht mehr erkannt, ist deshalb vom Einsatz von Datenrettungssoftware dringend abzusehen – das Risiko, den Schaden noch zu vergrössern, ist in solchen Fällen viel zu hoch. Statt dessen sollte man sich an einen Datenrettungsspezialisten wenden.



Datenrettungs-Tools im Internet




Anbieter von Datenrettungs-Services


Datenrettung im Reinraum

Weist ein Datenträger mechanische Schäden auf (z.B. Headcrash, Motorenschaden, Bandriss) oder ist er durch Feuer oder Wasser mehr oder weniger komplett zerstört, ist dem Schaden mit Software-Tools im «Do-it-yourself»-Verfahren nicht mehr beizukommen. Statt dessen sollte einer der zahlreichen Anbieter von Datenrettungsdienstleistungen hinzugezogen werden. Einige der grösseren Anbieter haben wir in der Tabelle auf dieser Seite 43 aufgeführt.



Dabei ist zu beachten, dass man den Datenträger pfleglich behandeln sollte, um keinen weiteren Schaden zu verursachen. Auf gar keinen Fall sollte etwa eine nasse Festplatte mit dem Föhn getrocknet werden, und auch das selbsttätige Öffnen von Festplattengehäusen verbietet sich. Je nach Datenträgertyp (Festplatte, RAID-Verbund, Tape, optische Medien) gelten unterschiedliche Anforderungen, über die die Anbieter auf ihren Webseiten mehr oder weniger ausführlich informieren.



Typischerweise verläuft der Datenrettungsprozess nach der ersten Kontaktaufnahme in drei Schritten:


• Analyse: Sobald der defekte Datenträger beim Dienstleister eingetroffen ist, wird er – oft noch vor der Analyse – kopiert. Sämtliche weiteren Arbeitsschritte werden an der Kopie durchgeführt, damit im Problemfall weiter Zugriff auf den Originaldatenträger besteht. Im nächsten Schritt wird der Datenträger einer eingehenden Analyse unterzogen. Dabei wird festgestellt, welche Daten überhaupt wiederherstellbar sind und welche Kosten dabei entstehen. Der Kunde hat aufgrund des Analyse-Ergebnisses die Möglichkeit zu entscheiden, ob er den Datenrettungsprozess fortführen lassen will oder darauf verzichtet.




• Datenwiederherstellung: Im zweiten Schritt werden die Daten im Labor Bit für Bit wiederhergestellt. Dazu benutzen alle Dienstleister eigens entwickelte proprietäre Tools. Bei schweren physischen Beschädigungen wird der Datenträger im Reinraum geöffnet, worauf die Daten mit speziellen Verfahren ausgelesen werden können. Die Reinraumbehandlung ist laut Zahlen von Kroll Ontrack in rund 60 Prozent aller Fälle notwendig.




• Datenaufbereitung: Nach dieser ersten (physikalischen) Rettungsaktion sind die Daten zwar wieder vorhanden, aber noch nutzlos: es handelt sich um eine ungeheure Menge von Nullen und Einsen, aus denen wieder nutzbare Dateien gemacht werden müssen. Dieser (logische) Rettungsprozess geschieht in der Datenaufbereitung. Zuletzt werden die wiederhergestellten Daten auf einem neuen Datenträger gespeichert, der schliesslich an den Kunden zurückgeschickt wird.


Bei den meisten Anbietern wird der Kunde über den Fortschritt der Datenrettung auf dem laufenden gehalten – teils muss er dazu selber auf eine Kundenhotline anrufen oder hat wie bei Convar per Internet Zugriff auf ein Tracking-System.
Darüber hinaus bieten einige Dienstleister spezielle Services an. So hat Kroll Ontrack etwa das Remote Data Recovery im Angebot, bei dem die Daten unter bestimmten Voraussetzungen über eine gesicherte Modem- oder Internetverbindung wiederhergestellt werden.





Die häufigsten Ursachen für Datenverluste


Kein Grund zur Panik

Ein Datenverlust, sei es auf einer Festplatte, einem RAID-Verbund oder einem Backup-Tape, ist noch kein Grund zur Panik. In vielen Fällen lassen sich die Daten wiederherstellen – die Anbieter der Dienstleistungen geben Erfolgsquoten von 90 und mehr Prozent an. Um eine erfolgreiche Datenrettung zu ermöglichen, sollte aber von Anfang an richtig reagiert werden. Die Grundregeln sind einfach:


• Gerät ausschalten und nicht wieder zu starten versuchen,


• nicht auf die Daten zuzugreifen versuchen,


• Im Zweifelsfall auf Datenrettungssoftware verzichten,


• niemals eine Festplatte oder einen anderen Datenträger öffnen,


• erforderliche Sorgfalt bei Ausbau, Verpackung und Versand des defekten Geräts walten lassen.
Hält man sich an diese Richtlinien, ist der erste Schritt zur erfolgreichen Datenrettung bereits getan.




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