Kolumne: Gehirnverdunstungsrate: Von Pyramiden zu KI
Quelle: zVg

Kolumne: Gehirnverdunstungsrate: Von Pyramiden zu KI

Andy Fitze zum Einfluss von Technologie auf die Anstrengung ­unseres Gehirns und das Wissen von KI.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/11

     

Wissen Sie noch, wie man ohne GPS von A nach B kommt? Oder wie man eine mathematische Gleichung ohne Taschenrechner löst? Nein? Nun, Sie sind nicht allein. In einer Zeit, in der unsere Smartphones klüger sind als wir (zumindest manchmal), ist es keine Überraschung, dass unsere Gehirne eine wohlverdiente Pause eingelegt haben. Digitaler Gedächtnisverlust ist zur Volkskrankheit verkommen, quasi eine neuronale Atrophie.

Blicken wir zurück auf unsere Freunde, die alten Ägypter. Sie haben Pyramiden gebaut, die den Test der Zeit bestanden haben – und das ganz ohne Hilfe von Youtube-Tutorials! Und dann gibt es die Inkas, die ein ganzes Kommunikationssystem aus Knoten hatten. Ja, Knoten!


Aber in der heutigen Ära von Google und ChatGPT fragen wir uns: «Warum sollte ich mir etwas merken, wenn ich es einfach googeln und prompten kann?» Tja, vielleicht, weil das Internet gerade nicht funktioniert und Sie sich in einem peinlichen Gespräch wiederfinden, in dem Sie nicht wissen, wer der erste Mensch auf dem Mond war (Kleiner Tipp: Es war nicht E.T.).

Damals, als man für ein Faktum noch Nachforschungen anstellen musste, statt es einfach in eine Suchmaschine einzutippen, fühlte man sich nach einer Antwort oft erleuchtet. Heute erhalte ich von meiner KI mehr Wissen, als ich je in einem Semester an der Uni gelernt habe. Und das Beste daran? Ich muss nicht einmal aufpassen. Aber seien wir ehrlich, während KI und LLMs wunderbare kognitive Outsourcing-­Werkzeuge sind, die uns bei so vielen Dingen im Leben helfen, verlieren wir vielleicht ein bisschen den Touch mit unserer eigenen menschlichen Intelligenz. Nicht, dass ich nostalgisch werden möchte, aber ich vermisse die Zeiten, in denen ein kluger Gedanke von einem Menschen und nicht von einem Algorithmus kam. Algorithmen-Abhängigkeit ist wie Sucht, einfach digital.
Die Ironie? Früher verloren Zivilisationen Wissen durch Eroberungen und Katastrophen. Heute tun wir das freiwillig, indem wir uns auf Technologie verlassen, die uns zuweilen im Stich lässt. Natürlich gibt es viele Vorteile der Technologie, und ich bin der Erste, der sein Smartphone umarmt. Aber vielleicht, nur vielleicht, sollten wir ab und zu den Offline-Modus einschalten, uns auf unsere eigenen grauen Zellen verlassen und versuchen, nicht zu vergessen, wie man einen Stift benutzt. Inmitten all dieser Technologie sollten wir uns daran erinnern, dass es einmal eine Zeit gab, in der Wissen Macht war – und nicht nur ein weiterer Tab in unserem Browser. Als Extremsegler weiss ich aus Erfahrung: robustes Wissen und Können sind überlebenswichtig. Technologische Amnesie wäre mein Bermudadreieck.

Wir sind also herausgefordert, unsere Gehirnverdunstungsrate mit kognitiven Prothesen zu kompensieren, uns der digitalen Realitätsentwurzelung zu entziehen, Intoxikation im Griff zu haben und unseren digitalen Narzissmus zu bändigen. Kurz, wir sind Kinder des Dataismus. Lass uns lernen, Kartoffeln zu pflanzen.


PS: Die Hochkulturen der Inkas und Ägypter sind auch untergegangen.


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