Editorial

Alle müssen den Gürtel enger schnallen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/22

     

Am Anfang versprach 2008 noch ganz harmlos zu werden. Eher unerwartet traf die meisten von uns daher die Finanzkrise und ihr ganzes Ausmass. Ende 2008 ist von der Begeisterung zum Jahresbeginn nichts mehr zu spüren.



Das Fazit 2008 ist ernüchternd: Die Situation könnte vielerorts kaum schlimmer sein. Die Meldungen über Sparmassnahmen und Entlassungen im Rahmen von Umstrukturierungen häufen sich und überraschen kaum mehr. Wenn sich aber selbst Suchmaschinengigant Google, der bislang ungehemmt Geld investierte, in die Reihen der Ausgabenkürzer einordnet und seine Mittel zurückhaltender einsetzen will, so scheint die Lage wirklich ernst zu sein. Wie ernst zeigt sich darin, dass die erst im Sommer lancierte virtuelle Google-Welt Lively bereits wieder untergeht. Und auch die Projektleiter müssen für ihre Vorhaben künftig mit weniger Entwicklern auskommen als bisher, hat Google-Chef Eric Schmidt verkündet. In der Krise will sich Google wieder auf seine Kernbereiche konzentrieren, nämlich Werbung im Internet und auf Mobiltelefonen sowie Online-Software für Unternehmen. SAPs Situa­tion stellt sich derweil kaum anders dar. Auf Grund von aktuellen Unsicherheiten hat SAP-Chef Henning Kagermann ebenfalls Sparmassnahmen eingeläutet. Das Oberhaupt der Walldorfer rechnet denn auch kaum mit einer raschen Erholung der IT-Branche. Ein Aufwärtstrend sei frühestens für 2010 zu erwarten. 2009 werde für alle ein schwieriges Jahr.




Doch wo positioniert sich die kleine Schweiz in dieser weltumspannenden Krise? Experten propagieren, dass die Auswirkungen der Finanzkrise für die Schweiz nicht sehr gross sein werden. Dennoch scheint sich die Situation stetig zu verschlimmern. Ende November hat Swiss Life zahlreiche Informatikprojekte gestrichen und baut 200 Stellen ab. Schuld an den Kürzungen ist auch hier die Finanzkrise. Statt dem prognostizierten Gewinn von 1,9 Milliarden Franken fährt das Unternehmen dieses Jahr einen deutlichen Verlust ein. Und auch beim Rückversicherer Swiss Re fielen vergangene Woche 80 IT-Stellen dem Rotstift zum Opfer. Dennoch betonen die ewigen Optimisten weiter, dass die Auswirkungen auf die IT-Branche nicht sehr drastisch sein werden. IT sei heute so relevant für die Geschäftsprozesse, dass man selbst in Krisenzeiten nicht darauf verzichten könne. Gerade jetzt müssten die Firmen in ihre IT-Infrastruktur investieren, um wettbewerbsfähig und effizient zu bleiben. Dies betrifft vor allem die KMU, die die Finanzkrise am härtesten trifft.



Doch gerade die kleinen Player im Markt reduzieren ihre IT-Budgets für das kommende Jahr zur Sicherheit bereits jetzt und sparen bei den IT-Projekten. Die Streichung von IT-Projekten ist für KMU eine der wenigen Möglichkeiten, sich rasch den momentanen Umständen anzupassen. Gestrichene Projekte und Kredite — die Banken sind momentan wenig überraschend eher zurückhaltend bei der Geldvergabe — können im schlimmsten Fall zu einem KMU-Sterben führen. Doch was bedeutet dies für den IT-Standort Schweiz? Abgesehen davon, dass viele Arbeitsplätze verschwinden würden, wären wohl vor allem die Auswirkungen auf die Schweizer Innova­tionskraft gravierend. Die KMU sollten es Google gleich tun und sich in Krisenzeiten auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Ihre Funktion als Innova­tionstreiber und Entwickler individueller, neuartiger Produkte ist ihre grösste Stärke. Damit könnten sie sich selbständig aus der Krise hieven.
So oder so: Wir dürfen gespannt sein, welche Überraschungen 2009 für uns bereithält.

(abr)


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