Green im Clinch mit Lausanner Richterin

Green.ch-Chef Guido Honegger will eine Site trotz Gerichtsentscheid nicht sperren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/03

     

Bereits im Dezember letzten Jahres verordnete die Waadtländer Untersuchungsrichterin Françoise Dessaux den Schweizer Providern die Sperrung von verschiedenen URLs, die alle zum gleichen Ziel führen. Bei diesem Ziel handelt es sich um eine Site namens "Appel au Peuple", deren Inhalt ehrverletzend sein soll. Der Aufforderung ist eine Verleumdungsklage vorausgegangen, die im Kanton Waadt eingegangen ist.




Die Site selbst wird jedoch in den USA gehostet, die ISP konnten lediglich die Inhalte der drei URLs sperren und die entsprechende Domain von ihren DNS-Servern entfernen. Diese Massnahmen zu umgehen sind jedoch für einen Sitebetreiber ein leichtes. Zudem bezweifelten einige Provider, ob für die Sperrverfügung überhaupt eine rechtliche Grundlage besteht und ob sie für die ganze Schweiz gültig ist. Sie entschlossen sich deshalb, der Verfügung nicht nachzukommen. Inzwischen jedoch haben fast alle ISPs der Verfügung aufgrund einer erneuten Aufforderung mit Widerwillen nachgegeben - "fast alle" deshalb, weil sich Green.ch nach wie vor sträubt.


Green.ch verklagt

Als auch die letzten Provider die Site gesperrt hatten, liess Green.ch eine Medienmitteilung vom Stapel, in der man sich zwar für Ethik im Internet aussprach, hingegen aber die Klärung der rechtlich unklaren Situation forderte. Prompt wurde Green.ch-Chef Guido Honegger mit einer Anzeige wegen Ungehorsams beglückt. Ihm drohen Busse oder gar Gefängnis.



Eingeschüchtert ist Honegger dadurch aber nicht, im Gegenteil: "Ich will es jetzt wissen", so Honegger. Der Zeitpunkt sei dafür ideal, weil der Fall - ehrverletzende Inhalte - wenig Emotionen auslöse. Hätte es sich um pornografische oder gar pädophile Inhalte gehandelt, läge die Situation anders. Mit diesem Fall aber gehe er bis vor Bundesgericht, weil jetzt ein klarer Entscheid her müsse, ansonsten werde man künftig von ähnlichen Fällen überrollt.





Einmal und nie wieder

Auch wenn die anderen Provider der Sperrverfügung nun nachgekommen sind, der Unmut ist gross. Kein Blatt vor den Mund nimmt beispielsweise ein sichtlich genervter Frédéric Gargula, Systems & Network Manager bei Easynet. Man habe die Site nun zwar unzugänglich gemacht, sollte aber wieder eine solche Aufforderung in einem anderen Fall eintreffen, würde man dieser keinesfalls mehr nachkommen.



Angst haben die Provider vor allem davor, dass die kantonale Verfügung Schule macht und eine Fülle von ähnlichen Fällen folgt. Laut Gargula würde dies einen riesigen Aufwand für die Provider bedeuten, den sie selbstredend niemandem verrechnen können. Müssten tatsächlich plötzlich 50 solcher Sites pro Woche unzugänglich gemacht werden, hätte dies irgendwann Einfluss auf die Preise eines Providers.




Andere Provider nehmen, auf diesen Fall angesprochen, das Wort "lächerlich" in den Mund und gestehen ein, sie hätten die betreffenden Sites nur gesperrt, da ihnen die Sache langsam zu blöd geworden ist. Ein Provider, der nicht genannt werden will, hat sogar die Vermutung geäussert, das eine persönliche Sache hinter der Verordnung stecken könnte.



Wie dem auch sei: Die betroffene Site hat durch den ganzen Wirbel einen wahren Schub an Besuchern erfahren. Zudem darf es nicht angehen, dass ein Provider für Inhalte im Web verantwortlich gemacht werden kann, die nicht auf seinen Servern gehostet sind. Ein Rekurs in dem Verfahren ist noch hängig.



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