Editorial

Es lebe das freie Internet

Web-Sites sperren oder nicht?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/03

     

Zugegeben, es gibt viele scheussliche, abartige und verachtenswürdige Seiten im Internet. Seiten, bei denen man alles erdenkliche tun sollte, um sie für die Öffentlichkeit unzugänglich zu machen und die Verfasser zur Verantwortung zu ziehen.



Die Site Appel-au-Peuple gehört nicht dazu. Jedenfalls solange nicht, wie jedermann Zugang findet zu kinderpornografischen, rechtsradikalen und anderen menschenverachtenden Inhalten. Bei Appel-au-Peuple hingegen handelt es sich (lediglich) um den Internetauftritt einiger Chaoten, die an Verschwörungstheorien und Rechtsmissbrauch in der Schweiz glauben - nichts Unterstützungswürdiges, aber, mein Gott, auch nichts Schlimmes. Anderer Meinung ist in diesem Punkt aber die Lausanner Richterin Françoise Dessaux. Sie erachtet den Inhalt der Site als ehrverletzend - was ja sogar stimmen mag - und verlangte von den Schweizern Providern, ihren Kunden den Zugang zu besagten, in den USA gehosteten Inhalten zu verunmöglichen.




An dieser Forderung sind gleich mehrere Dinge lächerlich. Zum Ersten: Die URL der Site kann schneller geändert werden als ein Provider eine Adresse sperren kann. Zum Zweiten: Ein einzelner Provider kann unmöglich für den gesamten Internetinhalt verantwortlich gemacht werden. Schliesslich wird Cablecom auch nicht zur Verantwortung gezogen, wenn irgendein deutscher Privatsender unsägliche Schmuddelprogramme durch den Äther schickt. Drittens: Sollte die Richterin mit ihrer Forderung durchkommen, können sich die Provider bald auf eine Flut von Sperrverfügungen freuen - neue Full-Time-Jobs oder der bescheidene Beitrag einer Lausanner Richterin zur Senkung der Arbeitslosenzahlen. Und viertens, und damit wieder zurück zum Anfang: Es gibt Sites en Masse, die es wirklich verdient hätten, gesperrt zu werden, aber Appel-au-Peuple gehört nicht dazu.



Ganz andere Probleme hatten hingegen die Aussteller an der iEX, die letzte Woche über die Bühne ging. Sie konnten nicht nur Appel-au-Peuple nicht erreichen, nein, ihnen blieb das gesamte Web verschlossen. Der Grund: Ein überaus bekannter und berüchtigter Wurm namens Slammer, der seinen Weg in die Messehallen gefunden hatte, das iEX-Netz praktisch zum Erliegen brachte und im Gegenzug die Aussteller in Aufruhr versetzte. Irgendwie ironisch, eine Internet Expo ohne Internet, und das in IT-Krisenzeiten.

(mw)


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