Das war 2008, so wird 2009

Die Finanzkrise wirkt sich auf die IT-Ausgaben der Unternehmen aus. Vor allem KMU haben für 2009 ihre IT-Budgets reduziert. Die Anforderungen an CIOs steigen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/22

     

Die Finanzkrise, die in den USA bereits vor über einem Jahr begonnen hatte, hat lange keine massgeblichen Auswirkungen auf das Investitionsverhalten der Schweizer Unternehmen gehabt. Lediglich Banken, allen voran die UBS, haben bereits früh begonnen, ihre IT-Budgets genauer unter die Lupe zu nehmen und Beschaffungen, die nicht bereits in Projekten definiert und losgetreten waren, auf die lange Bank zu schieben. So musste beispielsweise IBM Schweiz vor über einem Jahr erste Negativerfahrungen in dieser Hinsicht machen, als die Grossbank die üblicherweise im dritten Quartal getätigten Software-Bestellungen nicht wie erwartet tätigte. Noch im Frühling dieses Jahres konnten ausserdem viele IT-Hersteller die Löcher, die die Grossbanken in ihre Verkaufsvorhersagen gerissen hatten, mit Projekten bei Regional- und Kantonalbanken stopfen.


Doch mittlerweile hat die Finanzkrise nicht nur die Banken dazu gebracht, ihre Investitionen zu reduzieren. Nachdem in den letzten Wochen und Monaten eine Hiobsbotschaft die nächste jagte, ein Ende der Börsen-Baisse nicht abzusehen ist und die Konjunkturforscher hüben und drüben düstere Szenarien an die Wand malen, reagieren auch andere Branchen und setzen den Rotstift an. Philipp Ziegler, Geschäftsführer des Schaffhauser Marktforschungsunternehmens MSM Research, hat seine Prognosen für den Schweizer IT-Markt 2009 und damit für die Budgets, die Unternehmen im nächsten Jahr für IT-Investitionen planen, reduziert. Ziegler kommt zum Schluss: Das Wachstum der IT-Ausgaben wird in der Schweiz im nächsten Jahr lediglich
1,3 Prozent betragen. Im Juni dieses Jahres ging Ziegler noch von einem Wachstum von 3,6 Prozent gegenüber 2008 aus. «Die Finanzkrise und deren Auswirkungen auf die Realwirtschaft werden im kommenden Jahr auch am ICT-Markt ihre Spuren hinterlassen. Die ICT-Budgets 2009 stehen unter hohem Druck, und die geplanten Ausgaben werden zweimal hinterfragt», sagt er.



Laut seinen Erhebungen werden im 2009 Unternehmen aus dem Finanzsektor hauptverantwortlich für den Rückgang sein, gefolgt von stark exportierenden Industrieunternehmen und deren Zulieferern. Ziegler ergänzt: «Vieles wird erst in den kommenden Monaten festgemacht, vor allem bei den kleineren Firmen. Während mittlere und grössere Unternehmen ICT-Projekte längerfristig planen und in der Regel ICT-Vorhaben nicht von heute auf morgen streichen, reagieren die kleinen Unternehmen schnell auf Veränderungen der wirtschaftlichen Entwicklung.» Ihr Ausgabeverhalten auf der zurzeit volatilen wirtschaftlichen Basis könne kurzfristige Ausschläge bewirken, da kleinere Unternehmen bis 100 Mitarbeitende ein Drittel des Schweizer ICT-Marktes ausmachten.



Der Schweizer ICT-Markt 2009 / Der Schweizer ICT-Markt 2009 / IT-Ausgaben EMEA: Wachstumsraten für 2008 und 2009


Dienstleistungen und Hardware kommen unter Druck

Gemäss den Erhebungen von MSM Research werden die Ausgaben für ICT im 2009 in der Schweiz um 209 Mio. Franken auf insgesamt 16,33 Mrd. Franken steigen. Das bedeutet, dass entgegen den Vorhersagen vom Juni die Schweizer Unternehmen ihre IT-Investitionen für das kommende Jahr um umgerechnet rund 370 Mio. Franken gekürzt haben. Der Rückgang wird vor allem durch die beiden Hauptumsatz-Segmente Dienstleistungen und Hardware verursacht. Immerhin machen diese zwei Bereiche über 70 Prozent des gesamten IT-Marktes aus. Ziegler rechnet für 2009 im Dienstleistungsgeschäft mit einer «Verschnaufpause». Wuchs der Bereich in diesem Jahr noch um 4,4 Prozent, so rechnet Ziegler für nächstes Jahr nur noch mit einem Plus von 1,9 Prozent. Unter Druck werde vor allem das Projektgeschäft, also die Ausgaben für paketisierte Integrationsleistungen, Beratung und Schulung kommen. Implementierungsleistungen für neue Lösungen, Managed Services in den Bereichen Arbeitsplatz und Sicherheit würden hingegen weiter zulegen werden können.


Bei der Hardwarebeschaffung rechnet Ziegler für 2009 mit einem Ausgabenminus von 1,1 Prozent. Zwar würden Anbieter von Notebooks und Speicherprodukten dank der weiter steigenden Mobilität und der wachsenden Datenflut noch mit einem Umsatzwachstum rechnen können, Desktop- und Server-Umsätze würden 2009 aber rückläufig sein. Dafür verantwortlich wird laut Ziegler vor allem der erhöhte Wettbewerbsdruck und die damit verbundene Preiserosion sein. Für die Software-Ausgaben sieht Ziegler ein Plus von 2,4 Prozent gegenüber 2008 voraus. Hauptsächlich dafür verantwortlich seien höhere Ausgaben der Unternehmen in Lösungen für Business Intelligence, Enterprise Content Management, Workflow und IT-Sicherheit.



Trotz der gesunkenen Prognosen sieht Ziegler für 2009 aber nicht einen drastischen Einbruch bei den Ausgaben für Unternehmens-IT voraus. «Die ICT ist heute so eng in die Unternehmen und deren Geschäftsprozesse eingebettet, dass weitere Ausgaben in den Unterhalt und den gezielten Ausbau der Infrastruktur und in Lösungen unerlässlich sind», sagt Ziegler. In Zeiten wirtschaftlich düsterer Aussichten würden diese Ausgaben allerdings noch vermehrt auf ihren direkten Nutzen und Wertbeitrag für das Unternehmen ausgerichtet. Ziegler: «Entscheidend wird letztlich sein, wie schnell die global angesetzten Konjunkturpakete greifen und wie rasch die Unternehmen wieder Vertrauen in die künftige Entwicklung setzen.»


Projekte bleiben entscheidend

Die Beschaffung von Hardware und in gewissen Teilen auch von Dienstleistungen mag einen Knick – immer im Vergleich zu früheren Vorhersagen – erleiden, aber Projekte, die im Entwicklungsbereich angesiedelt sind, dürften nach wie vor hohe Priorität haben. Schliesslich lässt sich auch, oder gerade in schwierigen Zeiten nicht wegdiskutieren, dass die Informatikabteilungen in Unternehmungen nicht allein mit Beschaffung von Produkten, sondern immer stärker mit der Effi­zienz der Geschäftsprozesse und damit mit ihrem Beitrag am Unternehmenserfolg herausgefordert sind. Zu zahlreich sind Anwendungen, die in Firmen über Jahrzehnte gewachsen, um nicht zu sagen gewuchert sind. Mit solchen Aufgaben beschäftigt sich zwar zum Teil der Anbietermarkt, gerade Outsourcer würden hier nur zu gern in die Bresche springen und beten das Mantra der Auslagerung von Geschäftsprozessen, um nicht zu sagen von Kernaufgaben der Unternehmens-IT.


Allen Beteuerungen zum Trotz sind aber die Verantwortlichen in Unternehmen gefordert, ihre über Jahre und Jahrzehnte gewachsenen Anwendungen den veränderten Bedürfnissen der geschäftsrelevanten Abteilungen und somit der Wirklichkeit zu stellen. Da mögen Dienstleister helfen, aber es fragt sich im Detail immer, welcher «Hilfeleister» fähig ist, entscheidende Veränderungen der Applikationslandschaften so umzusetzen, dass ein Projekterfolg verbucht werden kann und der das Pflichtenheft erfüllt. Um dies zu bewerkstelligen, sind viele Unternehmen für einzelne Projekte auf externe Spezialisten angewiesen, da deren Wissen gezielt eingesetzt werden kann, ohne mit dem Risiko der Belastung eines zu hohen Personalbestandes die vorgegebenen und zum Erfolg eines Unternehmens beisteuernden Elemente zu gefährden.



Gemäss einer kürzlich von Swiss PRM, dem Verband schweizerischer Projekt-Ressourcen-Manager publizierten Umfrage, werden die Projektaussichten für das nächste halbe Jahr vor allem in der Pharma-, Chemie-, Bio- und Medizinaltechnik, bei Industrie- und IT- respektive Telekommunikationsunternehmen, bei der öffentlichen Hand und im Handel als zunehmend eingestuft. Die IT-Verantwortlichen dieser Wirtschaftszweige sehen sich offensichtlich mehr mit der Umsetzung von spezifischen IT-Projekten konfrontiert als etwa ihre Kollegen bei Banken und Versicherungen. Damit bestätigt sich aus dem Kreis der Projektmanager die eingangs erwähnten Erkenntnise von MSM Research. Am grössten soll gemäss Swiss PRM in den nächsten Monaten weiterhin der Bedarf an Business-Analytikern, Projektleitern und -Managern, IT-Architekten und Spezialisten aus dem SAP-Umfeld sein.


Prioritäten für und Herausforderungen an CIOs

Dass sich ausgewiesene Spezialisten, wie sie Swiss PRM nennt, auch in Zukunft keine Sorgen um ihre Anstellung machen brauchen, ist klar. Schliesslich werden trotz Finanzkrise oder gerade deshalb die Anforderungen an die Informatik in Unternehmen nicht abnehmen. Im Gegenteil. IT-Verantwortliche in Unternehmen werden immer mehr auch in kleineren und mittleren Unternehmen in die Pflicht genommen.


Gemäss einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens IDC (Middle East CIO Summit 2008, s. Grafik «Prioritäten für IT-Investi­tionen) konzentrieren sich die IT-Ausgaben der befragten 102 CIOs in absteigender Reihenfolge neben der Bereitstellung der Infrastruktur, Kundenservice und Sicherheit auf die Themen Produktentwicklung, Leistungsüberwachung, Personalwesen und mobile Lösungen (auch diese sollen bekanntlich die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen steigern, indem die Mitarbeitenden beinahe rund um die Uhr erreichbar sein und arbeiten können müssen). Weiter genannt werden neben der nicht zu unterschätzenden Aufgabe, die regulatorischen Bestimmungen mittels Informatik zu erfüllen, Leistungsüberwachungslösungen (auch hier wieder: Steigerung der Effizienz und damit des Betriebsgewinns) sowie klassische Geschäftsanwendungen wie Zulieferungs-Management, Zweigstellenautomation und Fertigungslösungen.

Ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste der Informatikverantwortlichen stehen Sourcing-Themen sowie (ebenefalls wegen hohem Kostensenkungspotential) Virtualisierung sowie die Beschaffung von umweltfreundlichen Lösungen.



Die Analysten sehen für das kommende Jahr im allgemeinen ähnliche Trends voraus. Als Beispiel seien an dieser Stelle die Ausführungen der Marktforscher von IDC weiter genannt, die für 2009 vier Trends voraussagen: Cloud Computing, Datacenter-Virtualisierung, Energieeffizienz und Virtuelle Clients. Die Herausgeber der Studie wollten von den 270 befragten Personen wissen, wie wichtig ihnen gewisse Eigenschaften eines Anbieters von Cloud-Dienstleistungen sind. Am häufigsten (über vier Fünftel aller Teilnehmer) wurde der Preis genannt, gefolgt von Service Level Agreements. Am dritthäufigsten war den Zuständigen für einen Entscheid, Dienstleistungen per Cloud C0mputing zu beziehen, die Frage, ob der Anbieter eine Ahnung vom Geschäft des Kunden hat.


Die Analysten von IDC nennen als Top-Faktoren für Cloud Services «Time to Market» (also Vorlaufzeit), Kapazitätsbelange und den Vorteil von weniger IT-Mitarbeitenden. Hemmend für den Einsatz von Cloud Computing werden Belange wie Sicherheit, Verfügbarkeit, Performance und Intregration sein. Allenfalls könnten, so IDC, anstehende Erneuerungen von Datencentern dem Cloud Computing zum besseren Durchstarten verhelfen, Server- und Storage-Kapazitäten stehen aber dennoch zu unterst auf der Liste. Hingegen stossen kollaborative und persönliche Anwendungen auf höchste Beachtung. Wie erwähnt gehören neben dem Cloud Computing Datencenter-Virtualisierung und Energieeffizienz zu den wichtigsten Herausforderungen der CIOs. Es geht hier, wie auch bei den Virtuellen Desktops, neben Faktoren wie einfacheres Software-Management vor allem um die
enormen Steigerungen der Energiekosten. Wie grün sich dabei die Unternehmen (gemeint sind Anbieter und ihre Kunden) für den Einsatz von energiesparenden Produkten und Lösungen auch geben, so lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Kosten für Energiezufuhr und Kühlung explodieren. Neben den ständig steigenden Stromkosten sind die dauernd wachsenden Systeme, Speicher und Netzwerke ein Grund für die Kostenexplosionen.




Prioritäten für IT-Investitionen





Herausforderungen für CIOs


Es wird nicht leichter

Die Aufgaben der Unternehmens-IT werden also ständig schwieriger und immer neue Aspekte, aber auch Lösungen kommen hinzu. Nach der Vorausschau auf den Einsatz von IT-Lösungen, den Empfehungen der Analysten sowie den Einschätzungen der befragten IT-Verantwortlichen hat InfoWeek für Sie auch heuer die wichtigsten Ereignisse des zu Ende gehenden Jahres zusammengefasst. Im Ticker «Jahresrückblick: Die wichtigsten News aus 2008» können Sie im Telegrammstil noch einmal nachlesen, was im Schweizer Jahr der Informatik sonst noch so alles passiert ist, sei es hierzulande oder in der weiten Welt.


Apropos Krise: Ähnlich wie die eingangs erwähnte Studie von MSM Research kommt auch IDC zum Schluss, dass nach dem Eintreten der globalen Finanzkrise die Prognosen für 2009 für die IT-Ausgaben im EMEA-Raum (Europa, Naher Osten und Afrika) tiefer ausfallen werden als gedacht (s. Grafik Seite 26).



Hoffen wir bloss nicht, dass die schlimmsten Befürchtungen unserer Kollegen vom «Guardian» eintreten werden: Diesen ist nämlich aufgefallen, dass die Hardrock-Gruppe AC/DC immer mit schlimmen wirtschaftlichen Veränderungen in Zusammenhang gebracht werden kann. Als diese sich 1973 in Sydney formierten, brach die Ölkrise aus. 1980 kam ihr Album «Back In Black» heraus, und prompt erreichte die Inflation und die Arbeitslosenzahlen Höchstwert. 1990 erschien die Scheibe «The Razor’s Edge», was in Grossbritannien zu einer Rezession führte. Und 2008, im Jahr der schlimmsten Finanzkrise aller Zeiten, kommen AC/DC mit dem neusten Album «Black Ice» in die Album Charts. Es kann also nur noch schlimmer werden!



AC/DC und die Weltwirtschaft


Um Ihnen das Leben etwas zu versüssen und die positiven Seiten nicht unbeachtet zu lassen, hat die Redaktion auch dieses Jahr wieder eine Auswahl der «Produkte des Jahres 2008» getroffen. Diese mag in gewissen Fällen subjektiv sein, aber einmal im Jahr erlaubt sich die
InfoWeek-Redaktion, frei von Testresultaten ihre persönliche Wahl zu treffen. Viel Vergnügen beim Lesen!




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