E-Schweiz ohne Standards und ohne Koordination

Das Schweizer E-Government beschränkt sich in vielen Teilen auf reine Informationsweitergabe. Brauchbare Transaktionsangebote sind die Ausnahme. Vorgaben und Standards fehlen komplett.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/21

     

Die Schweiz ist reich, die Schweiz ist hochtechnologisiert, und die Schweiz ist rückständig bei staatlichen elektronischen Angeboten für ihre Bürger. Diese pauschale Erkenntnis, die vor allem aus Erhebungen bekannt ist und uns im internationalen Kontext schlecht aussehen lässt, wurde nun durch eine ausführliche Studie differenziert.
Das Informatikstrategieorgan Bund und die Kantone haben beim Forschungsinstitut GFS Bern eine Studie zum Thema Verwaltung und E-Government in Auftrag gegeben.



Sie führt in erschreckender Weise die nachteilige Auswirkung des Föderalismus auf zeitgemässe Kommunikation und Interaktion zwischen Behörden und Bürgern vor Augen. Die Studie wurde bei Bundesämtern (41 von 69 haben teilgenommen), Kantonen (Luzern, Schwyz und Solothurn haben nicht teilgenommen) und Gemeinden (1047 nahmen teil) durchgeführt. Die gute Nachricht zuerst: Gemäss den Autoren der Studie haben alle Gemeinden, also sämtliche Behördenstellen, ein Online-Angebot aufgebaut. Die meisten kann man über Internet mittlerweile auch elektronisch, also per E-Mail oder Formular auf der Website kontaktieren. Auf allen drei Ebenen (Gemeinde, Kantone, Bundes-
ämter) wurden die Websites im Mittel zuletzt im Jahr 2006 überarbeitet.
Es gibt heute in der Schweiz kaum mehr eine Gemeinde, die ihren Bürgern nicht ein Minimum an Informationen online zur Verfügung stellt. So ist es mittlerweile praktisch jedem Einwohner möglich, übers Internet den Entsorgungsplan oder Kontakt-
adressen von Vereinen abzufragen. Dasselbe gilt für die Kantone, die in der Regel Informationen, die für einen breiten Interessentenkreis von Nutzen sind, auf ihrer Online-Plattform abrufbar machen. Entsprechend sehen denn auch die Anbieter im Bereich der Informationsweitergabe wenig Handlungsbedarf.




Weniger erfreulich sieht es bei den Transaktionsleistungen aus. Lediglich in den Kantonen Zürich, St. Gallen und Waadt existiert ein überdurchschnittliches Angebot auf kantonaler und kommunaler Ebene. Und nur 20 Prozent der Kantone bieten eine Leistung überhaupt als vollständige Transaktion an. Beispiele für solche Angebote sind: Das Einreichen der Steuererklärung, öffentliche Ausschreibungen, Baugesuche oder das An- und Abmelden von Fahrzeugen. Das sind die üblichsten Besorgungen, die man mittlerweile online anstatt in der Warteschlange am Schalter vornehmen kann. Auf Gemeindestufe gehören das Bestellen einer GA-Flexicard (36%) oder des Heimatausweises (25%) zu den häufigsten Angeboten.



Ein weiterer Bereich des E-Governments ist die «elektronische Demokratie». In der Schweiz ist es kaum möglich, online Debatten zu führen, Petitionen zu starten oder Eingaben zu machen. Von E-Voting oder Web-2.0-Dienstleistungen gar nicht zu sprechen. Die Autoren der Studie kommen zum Schluss, dass in der Gesamtanalyse aller erfragten Dienstleistungen, die die reine Information übersteigen, sich auf einem tiefen Niveau ein unterschiedlicher Stand umgesetzter Lösungen bietet. Es gibt keine übergeordnete Strategie und statt elektronischer Prozesse bei der Abwicklung von Aufgaben arbeitet man vielerorts ganz simpel per E-Mail.




Benchmarking: Transaktionsangebote der Kantone und Gemeinden




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