Editorial

Informatik: Uninteressant


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/16

     

Wir stehen im «Jahr der Informatik». Am Freitag, 29. August, war der «Tag der Informatik», sicher ein Höhepunkt innerhalb der vielen Veranstaltungen dieses Jahres. Etwa 10’000 Besucherinnen und Besucher kamen zum Zürcher Technopark und auf den davor liegenden Turbinenplatz, interessierten sich für Informatik-Neuigkeiten – von der Forschung bis zu Produkten –, aber auch für Einblicke in Firmen, Kontakte mit Fachleuten aus diesen Firmen und Stellenangebote. Über 90 Schulklassen besuchten zusammen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern Workshops und Experimentierstände und erlebten eine Welt mit vielen Bildschirmen, aber auch mit praktischen Experimenten und vor allem mit vielen Menschen aus Fleisch und Blut – ansprechbar, anschaulich und motiviert.



Mit diesem «Tag der Informatik» und seinem Grossaufmarsch von Ausstellern und Besuchern wollten die Organisatoren des Jahrs der Informatik auch die Aufmerksamkeit der Medien wecken. Selbstverständlich wurden diese im Voraus ausführlich dokumentiert, auch die elektronischen. Daher habe ich an diesem Tag schon am Morgen die DRS-Radionachrichten verfolgt, am Abend dann die Fernsehbeiträge in «Schweiz aktuell», «Tagesschau» und «10 vor 10». Das Ergebnis: katastrophal.




In den Morgennachrichten am Radio kam die Informatik zwar durchaus zur Sprache. Aber nicht mit dem Tag der Informatik, sondern weil die Zürcher und die Waadtländer Kantonalbank die geplante Zusammenlegung ihrer Informatikplattformen (ein Informatik-Grossprojekt) abgebrochen haben – zu teuer und zu schwierig. Also: Informatik negativ.



Am Abend war der Tag der Informatik für das Schweizer Fernsehen trotz 10’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern schlicht kein Thema. Kein Wort, kein Bild dieses Events. Es ist mir klar, dass in diesen Informationssendungen die Zeit knapp ist und dass dabei die Interessen einer breiten Öffentlichkeit befriedigt werden müssen («Infotainment» ist gefragt). Daher mussten «Weltklasse Zürich» und die Vorbereitung des Madonna-Auftritts selbstverständlich gezeigt werden. Aber auch für andere Schweizer Themen gab es Platz in diesen Sendegefässen, darunter:



- Belastungstests für das neue (deutsche) Bodenseeschiff «Sonnenkönigin»,

- zunehmendes Interesse für Polo-Spiele,

- Meerschweinchen-Miete (ein neues Angebot, um einsamen Tieren ein «Gspänli» zu vermitteln).



Die Informatik jedoch war (ausser mit einem Projektabbruch) bei unseren «Idée Suisse»-Medien trotz 10’000 Teilnehmenden kein Thema. Wissen deren Programm-Macher eigentlich nicht, dass sie ihre Aktualitäten aus Wirtschaft und Sport, von Rockkonzerten und Politik-Ereignissen ohne Informatik und vor allem ohne qualifizierte Informatikfachleute gar nicht mehr aufbereiten und ausstrahlen könnten? «Informatik» ist offenbar bereits allzu selbstverständlich und damit uninteressant geworden.
Das Jahr der Informatik soll namentlich das Interesse der Jugend an Informatikberufen fördern. Warum übergeht dann die «Idée Suisse» dieses Thema am Tag der Informatik demonstrativ?




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