ERP-Sorgen auslagern

Die Einführung eines ERP-Systems verlangt nach einer leistungsfähigen Infrastruktur. Doch dieser Aspekt kann an spezialisierte Anbieter delegiert werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/16

     

Der Gedanke, mit Hilfe von Software Kosten zu senken, ist verlockend. Und tatsächlich kann ein ERP-System dazu beitragen, indem es wiederkehrende Geschäftsabläufe automatisieren hilft und den Überblick über den Geschäftsgang verbessert. KMU sehen sich dabei mit einem wachsenden Angebot an Unternehmens-Applikationen konfrontiert. Neben den ohnehin auf mittelständische Betriebe ausgerichteten Anbietern wie Abacus oder Proffix beackern vermehrt auch Grosse wie SAP dieses Segment. In der Folge werden die Automatisierung von Prozessen und die verstärkte Unterstützung für den täglichen Betrieb auch für KMU erschwinglich. Gleichzeitig eröffnen sich neue Geschäftsfelder. Beispielsweise vereinfacht die Koppelung von Online-Shop und ERP-System, das Internet als Vertriebskanal zu erschliessen.





Anforderungen an ERP und Umfeld


Neue Möglichkeiten - und Ansprüche

Diese an sich erfreuliche Entwicklung hat aber auch eine Kehrseite. Je stärker sich ein Unternehmen auf IT-Systeme abstützt, umso grösser wird die Abhängigkeit davon. Dadurch wachsen die Ansprüche an die Infrastruktur. Die Verfügbarkeit von Servern und Netzwerk muss gesteigert werden, weil ein Ausfall des ERP-Systems den operativen Betrieb gefährdet. Und über 60 Prozent der Unternehmen verlangen laut dem ERP Trend Report 2007 von Alpha Solutions, dass das ERP-System über eine Webanbindung verfügt und für den Datenaustausch Web Services unterstützt.





Wenn aber ein Zugriff von aussen erfolgen soll, hat das weitreichende Konsequenzen für die Netzwerk-Infrastruktur und die Sicherheit.
Viele Betriebe unterschätzen den Aufwand, den solche Anpassungen mit sich bringen – oft mangels entsprechender Informationen. Auch fehlt vielerorts das nötige Fachwissen, um die eigene Infrastruktur hochverfügbar und sicher auszulegen. Hierzu gehören nicht nur die eigentlichen IT-Systeme, sondern auch die Betriebsumgebung mit all ihren Facetten wie beispielsweise Stromversorgung, Kühlung, Zutrittskontrollen zu den jeweiligen Server-Räumlichkeiten und Anbindung ans Internet. Hierbei ist nicht zu vergessen, dass all diese Strukturen auch redundant ausgelegt sein sollten, um eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten. In KMU ist die Informatik-Umgebung zudem oft historisch gewachsen. Die bestehende Infrastruktur ist vielerorts nur unzureichend dokumentiert, und die effektiven Bedürfnisse und Ansprüche sind nur ansatzweise bekannt.



Vor Anpassungen sind auch Unternehmen nicht gefeit, die bereits ein ERP-System betreiben. Mit zunehmender Nutzung ist die Abhängigkeit davon, aber auch von der Infrastruktur, gewachsen. Das gilt verstärkt für Unternehmen, die einen signifikanten Teil ihres Umsatzes übers Internet erzielen. Ein Systemausfall bedeutet dann nicht nur eine Umsatzeinbusse, sondern kann zu einem Imageschaden führen und damit zu einem Rückgang der Kundenbasis.


Die Infrastruktur überdenken

Aufgrund der Auswirkungen, welche die Einführung oder Ablösung eines ERP-Systems mit sich bringt, ist dieser Moment ein guter Zeitpunkt, die gesamte IT-Strategie neu zu durchleuchten. Dazu gehört auch eine Risikoanalyse, wenn nötig unter Einbezug eines externen Spezialisten, welcher die Folgen eines Ausfalls des ERP-Systems aufzeigt. Der zeitliche und finanzielle Aufwand für eine solche Untersuchung lohnt sich, bildet sie doch die Basis für die Anpassung der Strategie auf die effektiven Bedürfnisse.



Die Risikoanalyse liefert Hinweise auf die benötigte Verfügbarkeit des ERP-Systems. Daraus lassen sich die technischen Massnahmen ableiten, um die Infrastruktur entsprechend auszurichten. Dazu kann beispielsweise die redundante Auslegung von Netzwerk und ERP-Umgebung gehören, oder es müssen bauliche Massnahmen bei den Server-Räumlichkeiten ergriffen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine gesteigerte Verfügbarkeit und zusätzliche Sicherheitsmechanismen die Komplexität der Infrastruktur erhöhen. Das steigert wiederum die Betriebskosten und das für den Unterhalt nötige Know-how. Für KMU, die keine eigene IT-Abteilung betreiben, ist dadurch die Grenze des Möglichen schnell überschritten.


Die Wahl eines geeigneten Systems

Die Einführung eines neuen oder anderen ERP-Systems in einem Unternehmen bedingt eine sorgfältige Evaluation nicht nur der benötig­ten Infrastruktur, sondern auch der gewünschten Funktionalität. Dabei spielt die Anpassbarkeit der Lösung eine zentrale Rolle. Ein ERP-
Sys­tem bildet Prozesse ab, zum Beispiel die Abwicklung eines Verkaufs oder die Lagerbewirtschaftung. Dabei geht es darum, eine möglichst effiziente Zusammenarbeit zwischen sämtlichen involvierten Stellen wie Verkauf, Buchhaltung, Marketing und Lager zu erzielen. Das ERP-System sollte Hand dazu bieten, bestehende Abläufe zu optimieren und wenn möglich zu automatisieren. Im angepeilten Idealfall passt sich die Applikation dabei den betrieblichen Bedürfnissen an und nicht umgekehrt.



Vorgängig müssen allerdings die operativen Geschäftsprozesse durchleuchtet werden. Es ist wenig sinnvoll, verbesserungswürdige Abläufe in der ERP-Software nachzubilden. Die angestrebte Effizienzsteigerung lässt sich nur erzielen, wenn zuvor die Abläufe im Betrieb auf Optimierungs- und Automatisierungspotential untersucht werden. In diesem Bereich liegt das grösste Sparpotential eines ERP-Systems.


Outsourcing oder SaaS als Alternative

Die Einführung einer Unternehmensanwendung und die Anpassung der Infrastruktur laufen oft über getrennte Wege: Die meisten Systemintegratoren beschränken ihre Tätigkeit auf die Installation des ERP-Systems sowie die notwendigen Anpassungen an Software und Unternehmensprozessen. Wenn es dagegen um den häufig nötigen Aufbau einer hochverfügbaren Rechen­zentrums-Umgebung geht, wird die Firma alleine gelassen. Sie muss sich selber über die notwendigen Massnahmen informieren, beispielsweise beim Hardware­lieferanten. Ein KMU sollte deshalb darauf achten, dass der Systemintegrator für die ERP-Umgebung und der Infrastruktur-Anbieter eng zusammenarbeiten. Das gilt dann, wenn die Unternehmensanwendung intern betrieben wird.


Eine andere Variante besteht darin, das ERP-System und die benötigte Infrastruktur auszulagern, wie das in anderen Anwendungsbereichen häufig der Fall ist. Für viele Unternehmen ist es heute selbstverständlich, dass der Webauftritt und das E-Mail-System respektive ein Groupware-Server wie etwa Exchange von einem spe­zialisierten Provider betrieben werden. Eine solche Auslagerung sollte ein KMU bei der Anpassung seiner IT-Strategie auch für das ERP-
Sys­tem in Betracht ziehen.



Hierbei bieten sich zwei Varianten an: Zum einen kann der Betrieb der eigenen Unternehmensanwendung im Sinne eines klassischen Outsourcing ausgelagert werden. Zum anderen lässt sich ein ERP-
Sys­tem auch als Dienstleistung beziehen. Bei diesem «Software as a Service» (SaaS) genannten Modell stellt der Provider die Software gegen eine Nutzungsgebühr zur Verfügung. Aus Nutzersicht unterscheiden sich die beiden Varianten vor allem in der Ausprägung des Angebots.

Beim Outsourcing wählt der Benutzer das System aus und bezahlt die Lizenzgebühren an den Softwarehersteller. Bei SaaS handelt es sich dagegen um ein Komplettpaket, bei dem der Provider alle Aspekte des Betriebs übernimmt. Das Unternehmen, welches die Software nutzt, wird zum reinen Anwender und muss sich nicht um technische Belange kümmern.
Dieses «ERP aus der Steckdose» ist für KMU interessant, die sich mit der Neubeschaffung oder Ablösung eines bestehenden Systems beschäftigen, während das klassische Outsourcing für die Weiterführung der existierenden Umgebung geeignet ist.


Auslagerung vereinfacht das Tagesgeschäft

Die Auslagerung des ERP-Systems auf der Basis einer Bedürfnisanalyse vereinfacht den Geschäftsbetrieb eines KMU. Es muss kein spezifisches und teures Know-how aufbauen, um den Betrieb sicherzustellen. Diese Aufgabe hat das KMU mit der Auslagerung an den Provider delegiert. Dieser ist aufgrund von Skaleneffekten in der Lage, eine verfügbare und zuverlässige Umgebung zu tieferen Kosten zu betreiben als ein nicht-spezialisiertes Unternehmen.

Dieses bezieht statt- dessen die nötigen Leistungen im Rahmen eines Servicevertrags (Service Level Agreement, SLA), der sich auf veränderte Rahmenbedingungen wie etwa zusätzliche Funktionalität oder grössere Benut­zerzahlen anpassen lässt. Die Kostenkalkulation ist transparent und vorhersehbar, weil die Verrechnung zu Fixpreisen erfolgt. Das freut nicht zuletzt den Finanzchef. Und weil weniger Ressourcen für den Betrieb der gesamten Informatik-Umgebung aufgewendet werden müssen, kann sich ein Unternehmen verstärkt auf den operativen Betrieb konzentrieren.




Die Analyse der bestehenden Unternehmensabläufe und der IT-Infrastruktur bringen einen willkommenen Nebeneffekt mit sich: Da die Ansprüche an den externen Anbieter und die eigene Infrastruktur definiert werden müssen, wird Transparenz geschaffen. Das erlaubt es, die eigene IT-Umgebung besser an die Bedürfnisse anzupassen und dadurch unter Umständen zusätzlich Kosten zu senken.


Der Autor

Enrico Goldhahn ist Product Manager beim Schweizer IT- und Telekommunikationsdienstleister nexellent.




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