Editorial

Editorial: Das Portemonnaie der Zukunft


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/07

     

Tapit – die neue App für kontaktloses Bezahlen via Smartphone – wird das nächste grosse Ding. Davon zeigten sich Swisscom und alle beteiligten Partnerfirmen anlässlich einer Medienveranstaltung Anfang Juli überzeugt und versuchten mit sämtlichen Mitteln, die Zuhörer mit ihrer Begeisterung anzustecken. Zweifel liess man gar nicht erst aufkommen, verglich doch etwa Swisscom-CEO Urs Schaeppi die Tapit-Innovation mit den Bancomaten, die bei ihrer Einführung vor über 30 Jahren noch argwöhnisch begutachtet, belächelt und vor allem für überflüssig befunden wurden. «Und heute kann sich niemand mehr ein Leben ohne Bancomaten vorstellen», so Schaeppi.

Mich erinnerte die Tapit-Lancierung derweil eher an die Einführung von iO vor rund einem Jahr. Damals warf Swisscom die Messaging-App auf den Markt und wollte damit in Konkurrenz mit Apps wie Whatsapp oder Diensten wie Skype treten. Vier Monate nach dem Start folgte die erste Erfolgsmeldung: 400’000 User hätten iO bereits heruntergeladen. Das klingt ja schön und gut. Nur ist heruntergeladen nicht gleich eingesetzt. Auch ich gehörte zu den Neugierigen, die die App installiert hatten, um sich ein Bild davon machen zu können. Doch bei wem kommt iO seither wirklich regelmässig zum Einsatz? In meinem Bekanntenkreis haben auf alle Fälle nach einer kurzen Ausprobierphase alle wieder zu Whatsapp und Co. gewechselt. Tapit könnte ein ähnliches Schicksal drohen: Wer bereit ist, sämtliche Hürden zu überwinden, die momentan für den Einsatz von Tapit genommen werden müssen – sprich richtiges Smartphone, richtiger Mobilfunkanbieter inklusive spezieller NFC-SIM-Karte, richtige Kreditkarte und richtiges Geschäft –, probiert die App gerne aus, greift aber letztlich trotzdem wieder auf das gewöhnliche Portemonnaie zurück.

Doch wieso wird das so sein? Ein gewisses Erfolgspotential möchte ich der App keinesfalls absprechen – gerade wenn es um die Bezahlung von Kleinbeträgen geht. Doch die Ziele von Swisscom und Co. sind höher gesteckt. Tapit soll viel mehr sein als eine elektronische Payment-Lösung und das Portemonnaie in Zukunft überflüssig machen. Doch solange die Partner von Swisscom noch auf Unternehmen aus den Branchen Finanzen und Zutrittssysteme – Tapit soll schon bald auch als Ersatz für den Firmenbadge dienen – sowie gewisse Lebensmittelgeschäfte beschränkt sind, dürfte dieses Ziel in weiter Ferne bleiben. Denn in meinem Portemonnaie befinden sich nicht nur Kreditkarten oder Firmenbadge, sondern auch noch zahlreiche weitere Karten – angefangen beim Halbtax-Abo, über die ID bis hin zum Fahr- oder dem Krankenkassenausweis. Und solange ich diese Dinge nicht auf Tapit speichern kann, ist nebst dem Smartphone das klassische Portemonnaie weiterhin mein ständiger Begleiter. Hinzu kommen, zumindest bei mir, Bedenken bezüglich Datenschutz. Möchte ich wirklich, dass auf einer SIM-Karte meines Mobilfunkanbieters künftig sämtliche Informationen wie Kreditkartennummern oder – wagen wir einen Blick auf ein mögliches Zukunfts­szenario – Krankenkassen-Informationen gespeichert werden? Wer garantiert mir, dass diese Daten nicht auf irgendeine Weise weiterverwendet werden?

Ein weiterer Faktor, der den Erfolg von Tapit zumindest am Anfang bremsen wird, ist die fehlende Unterstützung des iPhone. Apple verzichtet bei seinem Erfolgs-Smartphone auf einen NFC-Chip, was dazu führt, dass Tapit mit dem iPhone nicht funktioniert – zumindest vorerst. Ein gewaltiger Erfolgs­killer, ist die Schweiz doch ein Land voller Apple-­Jünger. Bis Ende 2014 will Swisscom eine Lösung für das iPhone-Problem haben. Ein Schritt, der zwingend nötig ist, damit sich Tapit wirklich bei der breiten Schweizer Masse durchsetzen kann.
(abr)


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