CIO-Interview: «Verwirklichen zu können, was man will - das ist schon toll»
Quelle: Globus

CIO-Interview: «Verwirklichen zu können, was man will - das ist schon toll»

Giovanni Odoni leitet als Head of IT Business Solutions nicht nur wichtige Teile der IT, sondern trägt mit seinem Team auch einen substanziellen Beitrag zur digitalen Innovation beim Luxus-Warenhaus Globus bei.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2022/11

     

Das traditionsreiche Premium- und Luxus-Warenhaus Globus wurde 1997 vom Migros-­Genossenschaftsbund übernommen und war mehr als 20 Jahre in dessen Besitz. Im Februar 2020 übernahmen die thailändische Central Group und die österreichische Signa Holding den Schweizer Detailhändler. Zum Zeitpunkt der Übernahme war Giovanni Odoni Head of IT bei Globus, seit der Übernahme und Restrukturierung trägt er den Titel des Head of IT Business Solutions. Im Gespräch berichtet er über die neuen Rahmenbedingungen, Innovation im Handel und die aktuell grössten Herausforderungen in seinem Job.


«Swiss IT Magazine»: Herr Odoni, Sie sind bei Globus technisch gesehen ja nicht CIO, sondern Head of IT Business Solutions. Wo ist diese Position im Unternehmen angesiedelt?
Giovanni Odoni
: Ich rapportiere der CFO/COO und bin damit direkt unter der Geschäftsleitung angesiedelt. In dieser schlanken Struktur haben wir viele Kompetenzen und kurze Entscheidungswege. Mit dem grossen Vertrauen seitens Geschäftsleitung geht auch viel Verantwortung einher – das geniessen und schätzen wir sehr.

Was umfasst Ihr Aufgabenbereich in dieser Rolle?
Ich führe vier Direct Reports respektive Teams: Erstens die Plattform-Services – also die ganze ICT mit dem Workplace, Netzwerk und Cloud-Diensten. Zweitens den Bereich ERP, der mit SAP betrieben wird. Drittens das Team Store Applications – darunter fällt alles Digitale in den Filialen wie Kassen, Waagen sowie die CRM-Tools. In diesem Bereich sind auch die sogenannten Compagnons sehr wichtig, das sind Smartphones, die den Verkaufsmitarbeitenden für zahlreiche verkaufsunterstützende Prozesse zur Verfügung stehen. Und der vierte Bereich ist Service Management – dazu gehören alle digitalen Services wie die Bereitstellung des zentralen Ticket Tools, das Asset Management aber auch das Thema der IT-Security.
Wie viele Personen arbeiten in diesen vier Teams?
Total sind das 28 Mitarbeitende. Eine schlagkräftige Truppe, auf die ich stolz bin. Wichtig ist auch zu wissen, was zwar einen digitalen Charakter hat, aber nicht Teil der IT Business Solutions ist. Neben meinem Bereich IT Business Solutions gibt es noch weitere digitale Bereiche bei Globus.

Das wären?
Analytics und Reporting, die ganze Stammdatenverwaltung sowie der Bereich E-Commerce/Omni-Channel.


Gerade durch die Verknüpfung mit den Store Applications würde es sich aber doch anbieten, die Stammdaten bei Ihnen zu haben, oder?
Es war ursprünglich einmal Teil der IT und ist mittlerweile ein eigener Bereich. Da kommen viele verschiedene Anforderungen zusammen. Der Webshop und das Warenwirtschaftssystem haben hier beispielsweise unterschiedliche Anforderungen, dazu kommen dann Bereiche wie das Reporting. Das Thema Stammdaten muss schon alleine aufgrund der strategischen Relevanz ein eigener Bereich sein.

Um nochmal auf Ihre eigene Abteilung IT Business Solutions zurückzukommen – mit gerade mal 28 Personen lässt sich das alles wohl kaum stemmen.
Abgesehen von einigen Ausnahmen in der Webshop- und App-Entwicklung fahren wir eine Third-Party-Strategie mit Partnern. Wir verstehen uns derweil als Business-Analysten, die die Anforderungen des Geschäfts verstehen und entsprechend umsetzen, um die Organisation weiterzubringen. Den First Level Support für schnelle Hilfe machen wir jedoch selbst.

Ist diese ausgedehnte Zusammenarbeit mit Externen in Zeiten des Fachkräftemangels nicht einfach eine Notwendigkeit?
Gute Leute zu finden ist derzeit meine wohl grösste Herausforderung, ja. Auf ausgeschriebene Stellen tropfen heute nur einzelne Bewerbungen rein. Der Kampf um die Talente ist massiv.


Die Löhne für diese Leute sind recht hoch. Ist es bei einem Unternehmen wie Globus – das keine Bank, Versicherung und auch kein IT-Dienstleister ist – nicht enorm schwer, solche Saläre überhaupt bewilligt zu bekommen?
Wir zahlen durchaus kompetitive Löhne. Aber ja – es gibt diese Diskussionen mit dem HR, wenn ein Bewerber einen Lohn erfragt, der nicht unseren Lohnbändern entspricht.

Und letztlich ist der Lohn ja nicht alles, wenn es um eine gute Stelle geht.
Das Gesamtpaket entscheidet für die Bewerber. Wir haben zwar keine coole Rutschbahn im Büro – aber die Mitwirkungsmöglichkeit, die man bei uns erhält, ist beispielsweise etwas, das meinen Teamkollegen und mir wirklich Spass macht. Man bekommt hier Vertrauen genauso wie Verantwortung und es geht immer vorwärts. Leute, die etwas bewegen und reissen wollen, sind in meiner Abteilung genau richtig.


Initiative vonseiten der Angestellten ist also durchaus gefragt?
Absolut. Ich sage dem Team ständig: Haltet die Augen offen, dann seht ihr überall Sachen, die wir noch optimieren können. Im aktuellen Umfeld steht uns nichts im Weg, wenn es um Initiative geht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ideen eines Teammitglieds realisiert werden können, ist sehr hoch.

Das klingt nach einem guten Argument für junge Talente.
Ausserdem ist die Lage an der Bahnhofstrasse natürlich top, weiter bieten wir flexible Arbeitsmodelle mit Home Office und Weiterbildungsangeboten. Aber ich stelle fest, dass wir uns als interessanter Arbeitgeber für digitale Jobs auf dem Bewerbermarkt noch stärker positionieren müssen.

Bei einer so starken Marke wie Globus?
Globus als Marke hat schweizweit eine sehr hohe Bekanntheit, die liegt bei etwas über 80 Prozent. Doch die Leute überlegen sich gar nicht, dass hinter den Warenhäusern auch eine IT dahinter ist, die ­etwas zu bieten hat (lacht). Marketing-technisch haben wir also noch Aufholbedarf. Aber das geht vielen Firmen so, die nicht Google oder Microsoft heissen.

…und keine Rutschbahn im Office haben.
…und keinen Barista! Aber im Ernst – wir sind Google-Kunde und durften die Zürcher Büros kürzlich besichtigen. Die sind ja auch nicht den ganzen Tag auf der Rutschbahn und beim Barista. Da gibt es einen hohen Leistungsdruck, der in der Aussenwahrnehmung meiner Meinung nach neben den Benefits manchmal etwas untergeht.

Bei Ihnen ist der Druck weniger hoch?
Er ist anders. Wir haben eine offene Fehlerkultur und die Akzeptanz der User ist hoch. Wenn es mal eine Störung gibt oder ein neu ausgerolltes Feature nicht zu 100 Prozent klappt, reisst man uns nicht gleich den Kopf ab. Die Change-Kultur bei Globus ist ebenfalls toll, selbst langjährige und ältere Angestellte nehmen Änderungen gerne an. Handel ist Wandel – dem kann man sich nicht verschliessen. Es gibt eigentlich kaum Verweigerer, die Stimmung bei uns ist kollegial und zukunftsgerichtet.


Stichwort Handel: Welche speziellen Herausforderungen hält dieser als Branche für die IT bereit?
Das muss man meiner Meinung nach noch feiner unterscheiden: Die Self-Checkout-Läden von Amazon Go sind auch Handel, aber Globus ist im Premium- und Luxus-Segment unterwegs. Ich glaube nicht, dass zukünftig jemand eine 5000-Franken-Handtasche kaufen will und das via Smartphone an der Self-Checkout-Kasse bezahlt. Der stationäre Service ist in unserem Segment zu wichtig, es geht stark um das Erlebnis.

Wie könnte dieser künftige Luxus-­Checkout in Ihren Augen aussehen?
Der Checkout-Prozess muss einfach in ein gutes, entspanntes Erlebnis mit persönlicher Beratung integriert werden, sodass zum Beispiel nebenbei auf der Couch am Tablet des beratenden Verkäufers bezahlt werden kann.

Verraten Sie weitere Punkte aus Ihrer Ideenliste?
Ein weiteres wichtiges Thema sind Daten – und davon haben wir in meinen Augen noch viel zu wenig! Wenn man etwa mal Brust- und Taillenumfang hat, ist es einfach, das für den Kaufprozess zu nutzen. Das Online- respektive Omnichannel-­Einkaufserlebnis ist fantastisch, wenn man das Hemd passgenau bekommt und nebenbei noch etwas Gutes für den ökologischen Fussabdruck tut, indem man die Retourenquote senkt. Ich sehe in unserem Bereich viel Potenzial für Entwicklung in den kommenden Jahren.


Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Business, wenn es um diese Ideenfindungen geht?
Es gibt ein Gremium gemeinsam mit dem Verkauf, in dem man für diese Ideen zusammenarbeitet. Das geht in beide Richtungen: Es gibt Digital Ambassadors, die unsere digitalen Lösungen im Verkauf etablieren, gleichzeitig entwickeln wir neue Ideen, indem wir im Verkauf fragen, wo der Schuh drückt. Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft noch stärker so mit dem Business zusammenarbeiten.

Ein spannender Ansatz. Spätestens an diesem Punkt ergibt der Name Ihrer Abteilung Sinn.
Ich bin seit zehn Jahren bei Globus und nun seit vier Jahren der Leiter der IT. Die ersten zwei davon war ich Head of IT. Mein neuer Job-Titel widerspiegelt auch die neue Strategie klar: Wir sind keine klassische IT – wir haben kein Blech und keine Entwickler und verstehen uns stattdessen in der Rolle eines digitalen Innovationstreibers.


Eine grosse Umstellung.
Es ist eine Gratwanderung. Ein Beispiel: In der klassischen IT-Security will man maximale Sicherheit. Der IT-Teil meines Titels würde dann Zero Trust, maximale Verschlüsselung et cetera umsetzen. Der Business-Solutions-Teil betrachtet dann aber den User, der sich andererseits möglichst unkomplizierte Verfahren wünscht, die dann meist mit tieferen Sicherheitsvorkehrungen einhergehen würden. Diese beiden Extreme zusammenzuführen und den für Globus passenden Weg zu finden, ist heute unsere Aufgabe in der IT Business Solutions.

Wie steht es um die Einflussnahme des neuen Mutterhauses auf die IT?
Hier haben wir heute sehr viele Gestaltungsfreiheiten. Wenn wir beim Mutterkonzern wegen einer IT-Lösung anfragen, heisst bei den meisten Themen: «Macht das, was für euch am besten ist.»

Also hat man Globus und seine Prozesse und Lösungen nicht einfach integriert und gleichgeschaltet – stattdessen ist man heute selbständiger, solange die Zahlen stimmen?
Ja, so kann man das sagen. Wir hatten eine sehr gute Beziehung zum ehemaligen Mutterkonzern und konnten viel profitieren. Aber ja – ich geniesse die Freiheit, denn nicht alle Lösungen haben für Globus optimal gepasst. Verwirklichen zu können, was man will – das ist schon toll. Ein schönes Beispiel für diese kurzen Entscheidungswege ist die Umstellung auf WLAN-Telefonie.

Wie lief das unter der neuen Führung?
Die Umstellung von DECT und VoIP- auf WLAN-Telefonie ist eine grosse Nummer. Ich habe meiner Chefin, der CFO/COO, den Business Case gezeigt und innerhalb von kurzer Zeit war die neue Strategie entschieden. Das macht schon Spass. Prozessanpassungen können mit diesen kurzen Wegen schnell und effizient umgesetzt werden. Das geniessen und schätzen wir sehr.

Und wo sehen Sie die nächsten grossen Baustellen, welche Massnahmen und Prozessanpassungen würden Sie gerne zeitnah angehen?
Der Ausbau des Self-Services ist ein wichtiger Aspekt. Beispielsweise wird, wenn ein Ticket wegen einem Druckerproblem erstellt wird, auf einen entsprechenden Know-how-Artikel verwiesen. Diese Richtung wollen wir noch viel weiter ausbauen, denn: Das beste Ticket ist das, welches gar nicht erst eröffnet wird.


Was sind die kommenden Pläne für die IT Business Solutions von Globus?
Die Übergangsphase von Migros zu Central/Signa war noch nicht mal ganz abgeschlossen und schon steckten wir im nächsten grossen Vorhaben – dem KXG-Projekt. Kurz zum Hintergrund: Die Kadewe-Group, Inhaberin des berühmten Warenhauses Kaufhaus des Westens in Berlin, gehört ebenfalls zu Signa und Central. Sowohl sie als auch wir hatten Handlungsbedarf für einen Wechsel des ERP-Systems, ich hatte unser Go-Live aber erst auf 2025 geplant. So ging es plötzlich deutlich schneller und wir führen nun gemeinsam S4/HANA ein und können viele Synergien nutzen. Weiter haben wir während der Umsetzung gemerkt, dass die Anbindung der verschiedenen Umsysteme ebenfalls von Synergien profitieren würde. Aus einem Projekt wurde damit ein Programm, in dem wir möglichst alle SAP-nahen Systeme harmonisieren und gemeinsame Lösungen suchen.

Und da gibt es keine neuen Einschränkungen, keine neuen Barrieren, die Ihnen die Freiheiten wieder wegnehmen?
Man muss sich eben neu finden. Sich verändernde Rahmenbedingungen gehören dazu.


Wie weit ist das KXG-Projekt heute?
Wir sind mitten in der Umsetzung – geplant ist ein Go-Live im Jahr 2023.

Und was passiert nach 2023?
Spätestens dann geh ich wirklich mal in die Ferien! Ich muss schon zugeben: Tempo und Druck sind sowohl für das Team wie auch für mich selbst hoch und in den letzten Monaten sogar noch gestiegen. Doch es wird wieder ruhiger werden. Weiter wird sich zeigen, wie weit der Gedanke der Harmonisierung geht und wie weit der Ausbau diesbezüglich voranschreiten soll. Weiter will ich wie schon erwähnt die interne Digitalisierung vorantreiben – Kleidung passgenau liefern und die Kunden ins Metaverse schicken (lacht).


Man hört viel Vorfreude auf weitere Innovationen aus Ihrem Team heraus.
Viele haben wir schon und die gehen uns auch nie aus. Unsere CFO/COO freut sich jeweils über die vielen Entwicklungsmöglichkeiten, die wir aufzeigen. Natürlich können wir davon leider nie alles verwirklichen. Es geht also eher um Prioritäten und Kapazitäten, langweilig wird es bei uns garantiert nie. Aber wie gesagt – statt Tempo 120 sollten wir eher Tempo 100 ansteuern.

Nur schon für die allgemeine Sicherheit ist das sinnvoll.
Jawohl! Aber die 30er-Zone umfahren wir auch in Zukunft.

Giovanni Odoni

Giovanni Odoni (Jahrgang 1981) ist 2012 als IT-Projektleiter beim Luxus-Warenhaus Globus eingestiegen und leitete seit Ende 2017 die IT des Unternehmens. Mit der Übernahme durch die Investmentgesellschaften Central Group aus Thailand und Signa Holding aus Österreich wurde das Unternehmen restrukturiert und Odoni wurde zum Head of IT Business Solutions ernannt. Vor seiner Zeit bei Globus war Odoni einige Jahre in der Unternehmensberatung tätig. Er hält einen Master of Science der Universität Bern in Business Administration und Strategic Management.

Zum Unternehmen

Das Premium- und Luxus-Warenhaus Globus wurde 1892 unter dem Namen J. Weber՚s Bazar gegründet und trägt seit 1896 den bis heute bekannten Namen. Anfang des 20. Jahrhunderts expandierte das Unternehmen in der Schweiz, 1967 zog der Detailhändler an die prominente Lage an der Zürcher Bahnhofstrasse. 1997 wurde Globus von Migros übernommen und 2020 an die thailändische Central Group und die österreichische Signa Holding verkauft.
(win)


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