CIO-Interview: «Wir wollen einen Nutzen im Geschäft ­produzieren»

Seit Januar 2021 amtet Andreas Drees als CIO bei Meier Tobler. Nach dem verheerenden Breach 2019 ist heute wieder eine gewisse Normalität eingekehrt – trotz der angespannten Pandemielage.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2022/01

     

Meier Tobler, ein Schweizer Spezialist für Gebäudetechnik, hervorgegangen aus der Fusion des Grosshändlers Tobler Haustechnik und des Klimatechnikspezialisten Walter Meier Anfang 2018, gelangte im Kontext eines Cyber-Angriffs 2019 in die hiesigen Schlagzeilen. Die Attacke legte den Betrieb vorübergehend lahm und hatte sowohl organisatorisch wie auch finanziell massive Folgen für Meier Tobler. Im Frühjahr 2020 sprach «Swiss IT Magazine» mit dem damaligen CIO des Unternehmens Claude Urbani und befragte ihn zur Situation nach dem Breach. Heute, fast zwei Jahre später, treffen wir uns erneut mit Meier Tobler. Diesmal steht der neue CIO Andreas Drees, seit Januar 2021 und damit nun genau ein Jahr im Amt, Rede und Antwort. Im Gespräch erklärt er, wo die IT von Meier Tobler heute steht, was seine Herausforderungen als CIO sind und wie man beim Gebäudetechnikspezialisten zurück zur Normalität fand.

«Swiss IT Magazine»: Herr Drees, Sie sind nun ziemlich genau ein Jahr bei Meier Tobler. Können Sie ein Fazit ziehen?
Andreas Drees:
Das Jahr 2021 hat turbulent begonnen. Ich hatte von Tag eins weg die Verantwortung für unser Infrastrukturprojekt namens New Transition inne. Dabei ging es um den Zusammenzug der beiden IT-Infrastrukturen von Walter Meier und Tobler Haustechnik, die beide noch bei unterschiedlichen Providern ausgelagert waren – ein enorm komplexes Projekt. Das war kaltes Wasser – hat mich aber viel lernen lassen, unter anderem, was ich mit meinem Team alles stemmen kann. Weiterhin habe ich eine klare Strategie ausgearbeitet, was die Konsoliderung der beiden SAP-Systeme angeht, sowie die Fortschreibung der digitalen Roadmap von Meier Tobler. Daneben haben wir die gesamte Organisationsform der IT neu aufgesetzt, um näher und schneller bei unseren Kunden zu sein. Nach einem Jahr kann ich sagen: Ich habe die Freiheiten, die nötigen PS auf die Bahn zu bringen und entsprechend Lösungen für das Geschäft anzubieten und diese in Projektform umsetzen zu können. Wir haben in diesem Jahr viel zustande gebracht und New Transition erfolgreich abgeschlossen.


Und was steht heute an?
Wir sind derzeit in der Vorstudie zur erwähnten digitalen Roadmap – ein grosses weiteres SAP-Projekt mit einem externen Partner. Als weiteren Schwerpunkt haben wir innerhalb der IT ein Process Office etabliert, weil wir weg wollen von einer klassischen IT-Struktur, in der man Blech noch selbst überwacht. Das können andere besser, schneller und kostengünstiger. Wir wollen nah am Business sein, da muss die Organisationsform stimmen. Daher das Process Office, das die Schnittstelle zwischen Business und IT bildet.

Wie Sie schon sagten, man gibt Ihnen die nötigen Freiheiten. Bereits Ihr Vorgänger hat darauf gepocht, dass die IT und damit der CIO in der Geschäftsleitung der Unternehmen sitzen müssen, um ihrer Rolle gerecht zu werden. Was ist Ihre Meinung dazu?
Der Stellenwert, den die IT heutzutage hat, hat allein schon Corona-bedingt massiv zugenommen. Das ist denn auch das einzig Positive, das ich der Krise abgewinnen kann: Sie hat der Digitalisierung, sowohl bei Meier Tobler wie auch global, einen grossen Schub verpasst. Ohne IT geht heute nicht mehr viel, wenn überhaupt noch etwas geht. Das wird auch mehr und mehr in den Unternehmensleitungen so gesehen: Business­treiber ist die IT. Damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis die CIOs dann auch in den Geschäftsleitungen Einsitz nehmen werden.

Sie verantworten die IT für rund 1300 Mitarbeitende bei Meier Tobler. Wie ist Ihre Abteilung organisiert?
Wir haben die drei übergeordnete Bereiche Plan, Build und Run und sind damit aktuell noch recht klassisch aufgestellt, wandeln uns aber immer mehr zu einem agilen Team. Wir sind insgesamt rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der IT, welche in diese drei Teams unterteilt sind. Dazu gehört ein SAP-Kompetenzzentrum, das Business Application Management und Deployment sowie ICT-Operations und der Help­desk.


Betreiben Sie auch die Infrastruktur?
Nein, diese wird mittlerweile vollständig von unserem Service Provider UMB betrieben, wir betreiben und verwalten kein eigenes Blech mehr. Das hilft uns, uns auf Business-nahe Themen zu konzentrieren und die Ressourcen entsprechend einzusetzen. Wir wollen einen Nutzen im Geschäft produzieren.

Und wie läuft die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Dienstleister UMB?
Sehr gut, darf man sagen. Diese Zusammenarbeit bringt Vorteile für alle Seiten. Anfangs musste man sich finden, das ist aber völlig normal. Wenn es Probleme gibt, wird schnell auf Augenhöhe miteinander gesprochen und diese Augenhöhe ist mir persönlich sehr wichtig. Ich sehe dieses Verhältnis als Partnerschaft, in der man sich immer besser die Bälle zuwirft, das funktioniert hervorragend. Auch unsere SAP-Systeme werden Basis-seitig von UMB betreut.

Also lieber wenige Partner pflegen, mit diesen dafür eng zusammenarbeiten?
Ja, das ist eine meiner Leitlinien. Besser keine Vielzahl von Lieferanten, sondern fünf bis sechs strategische Partnerschaften, bei denen das Wort gilt und man sich auf gleicher Ebene begegnet. Damit habe ich immer gute Erfahrungen gemacht.

Neben den laufenden IT-Projekten investiert Meier Tobler derzeit auch in Edge-Technologie für Endkundenprodukte. Können Sie das ausführen?
Diese Edge-Technologie heisst Smart Solutions und ist die Fernwartungs- und Online-Diagnostiklösung für unsere Wärmepumpen. Das ist ein IoT-Projekt, das wir von einem Partner entwickeln lassen und das aus einem Teil Hardware und einem Teil Software besteht. Hier ist etwa Predictive Maintenance ein grosses Thema – der Servicetechniker soll also vor der Türe des Kunden auftauchen, bevor dieser überhaupt gemerkt hat, dass etwas mit seiner Anlage nicht stimmen könnte. Wir sind gerade dabei, Smart Solutions in Version zwei zu entwickeln, eine Lösung, die unseren Kunden noch mehr Mehrwert bieten wird.


IoT und damit Ihre IT-Abteilung erweitern damit auch das Portfolio von Meier Tobler?
Die Lösung wird ständig weiterentwickelt. Am Ende sollte es so sein, dass Meier Tobler Produkte und Serviceleistungen aus einer Hand anbietet und der Kunde mit einer App alles überwachen und einstellen kann – von der Stromproduktion der Solaranlage bis zur Regelung der Heizung oder der Lüftung. Wir sind hier auf einem guten Weg.

Kommen wir zurück zu Ihren beiden SAP-Projekten. Hier folgt 2022 ein grosses SAP-Migrationsprojekt auf das 2021 abgeschlossene New-Transi­tion-Projekt, in dem die IT-Umgebungen von Meier und Tobler zusammengelegt wurden, richtig?
Bei UMB laufen heute noch immer zwei autarke SAP-Systeme für Meier Tobler. Im Rahmen der Fusion 2018 hätte man das wohl konsolidieren sollen, stattdessen liefen sie bis heute parallel und wurden mit Schnittstellen verbunden. Das funktioniert zwar, macht die Prozesse aber natürlich ineffizient.

Und mit der so oder so anstehenden S4/HAHA-Migration bei SAP erwischt man zwei Fliegen mit einer Klatsche.
Genau, S4/HANA ist gesetzt, das war klar. Die Frage nach dem Ansatz stellte sich aber: Fahren wir einen Green-, Brown- oder Bluefield-Ansatz? Wir wollen uns vor allem prozessual verbessern. Bei einer Fusion kollidieren gewisse Prozesse einfach, diese brechen wir nun auf. Ineffiziente Prozesse bauen wir neu, belassen aber die Dinge, die gut funktionieren. Wichtig ist hier unter anderem ein zentrales Stammdatensystem. Wir haben uns für einen Rapid-Move-Approach, also eine Mischung aus Green- und Bluefield-Ansatz entschieden. So entsteht die Chance, das Unternehmen organisatorisch neu zu gestalten, da wo es notwendig, sinnvoll und effizient ist.

Ein gigantisches Vorhaben.
Die digitale Roadmap ist ein Programm mit mehrjähriger Laufzeit, die SAP-Zusammenführung ist nur ein Teilprojekt davon. Weitere Teile des Programms sind eine nachhaltige Datenstrategie, denn wir haben als Händler sehr viele Daten, nutzen sie jedoch noch nicht effizient genug. Dazu kommt eine neue E-Business-Strategie, weil wir über unseren E-Shop signifikante Umsätze machen und dieser ein gutes Wachstum hingelegt hat. Hier findet gerade ein Wandel statt: Wir als Händler müssen neben dem klassischen E-Shop auch weitere digitale Touchpoints anbieten, um unsere Kunden bei der Suche nach Produkten und Dienstleistungen zu unterstützen und die User Experience auszubauen. Bei allen Entwicklungen müssen aber die Prozesse stimmen und der Kundennutzen steht immer im Fokus. Wenn man einen schlechten Prozess digitalisiert, hat man am Ende einen schlechten digitalen Prozess. Das kann nicht das Ziel sein. Für das Programm suchen wir derzeit übrigens einen guten Namen, daher habe ich einen Wettbewerb für die Namensfindung lanciert.


Wir sind recht gut mit Titeln, wir helfen gerne!
(lacht) Leider ist der Wettbewerb nur intern.


Ihre Arbeit dreht sich damit grösstenteils um strategische Themen?
Ja, und das ist auch mein Steckenpferd. Ich komme aus der Strategieberatung und bin kein klassischer Techie. Da ich viele Jahre auf der Beraterseite war, hilft mir das heute als CIO, meine strategischen Impulse zur Optimierung der unternehmensbezogenen Veränderungsprozesse beizusteuern. Als CIO reicht es heutzutage sicherlich nicht mehr aus, nur die Technik zu verstehen, sondern ich muss das Business im Detail verstehen und wissen, wie die IT als Enabler dienen kann. IT dient als Mittel zum Zweck, nicht zum Selbstzweck. Wie bereits erwähnt – alles was wir tun, muss immer einen Business-Nutzen haben.

Da gibt es aber noch ein weiteres, nie endendes und hoch technisches Projekt, dass Sie mit übernommen haben: Die IT Security respektive den Nachgang des Security Breachs 2019. Wie wirkt sich das heute auf das Unternehmen aus?
Das Bewusstsein ist natürlich massiv gestärkt, auch wenn wir vor zwei Jahren nicht schlecht aufgestellt waren.


Sie konnten das Geschäft dank sicheren Backups und der schnellen Reaktion ja recht rasch wieder in Betrieb nehmen.
Der Breach war trotzdem sehr einschneidend und hat eine Stange Geld gekostet. Tatsächlich habe ich Meier Tobler durch diesen Breach kennen gelernt, weil man mit dem Thema damals sehr offensiv in die Öffentlichkeit trat und damit einen komplett anderen Weg einschlug als die meisten anderen Unternehmen, die einen ähnlichen Vorfall hatten. Das kam sowohl in der Industrie wie auch in der IT-Szene sehr gut an. Man hat damals Security-Workshops mit den Security-Experten für andere KMU angeboten, an einem davon habe ich teilgenommen und die Firma so kennengelernt.

Sie würden das Unternehmen also nicht mal wirklich kennen, wenn es den Breach nicht gegeben hätte?
Früher oder später hätten wir uns schon gefunden (lacht). Mit der Zusammenlegung der IT-Infrastruktur haben wir auch eine neue Sicherheitsinfrastruktur aufgebaut. Wir haben etwa ein Cyber Defence Center im Einsatz mit Best-in-Class-Technologie und den entsprechenden Experten, welche 24/7 und 356 Tage im Jahr die Umgebung überwachen. Weiter sind alle Geräte, die ausserhalb von Firmenstandorten betrieben werden, speziell gehärtet, das betrifft auch alle Geräte fürs Home Office. Wir sind Stand heute also gut aufgestellt. Zu sagen, dass wir zu 100 Prozent sicher sind, wäre aber vermessen. Mein Vorgänger hatte natürlich recht, dass das grösste Risiko direkt vor dem Bildschirm sitzt. Da hat sich nichts dran geändert.

Welche Massnahmen sind bezüglich der Mitarbeitersensibilisierung heute in Kraft?
Wir «nerven» unsere Mitarbeitenden mit den Security-Themen regelmässig, das ist aber auch wichtig. Wir führen regelmässig Whitehackings durch und fordern uns und unseren Dienstleister damit heraus. Gleichzeitig haben wir auch Penetration Tests bei den Mitarbeitern durchgeführt. Hier haben sich die Zahlen zwar massiv verbessert, aber irgendeinen gibt es immer, der dann doch auf den ominösen Link klickt. Und dieser eine ist schon einer zu viel. Deswegen muss man da ständig dranbleiben, die Leute fortlaufend sensibilisieren.

Im Nachgang des Breachs hat ihr Vorgänger seinen grössten Wunsch geäussert: Dass Meier Tobler endlich wieder normal arbeiten kann. Die vergangenen zwei Jahre waren aber alles andere als normal. Wie ist die Lage denn heute und was heisst Normalität für Meier Tobler überhaupt?
Das Jahr 2021 war für Meier Tobler bereits wieder ein normales Jahr. Auf der Business-Seite sind wir zurück auf Kurs. Pandemiebedingt gibt es Herausforderungen in den internationalen Lieferketten und mit steigenden Preisen. Davon sind alle Industrien betroffen. Gerade der Mangel an Mikrochips ist herausfordernd. Ein neues globales Problem. Insgesamt können wir aber sagen, dass wir im Jahr 2021 viele unserer Ziele erreichen konnten, das Business konnte 2021 also endlich wieder normal arbeiten.


Was ist die Rolle der IT dabei?
Die meisten IT-Abteilungen agieren seit mehreren Jahren unverändert als kundenorientierter Servicedienstleister. Bei vielen wurde der Wandel hin zum Business Enabler gescheut, respektive teilweise auch bereits verpasst. Mit dem zunehmenden Trend der Digitalisierung, auf den die Unternehmen verschiedenster Branchen mittlerweile aufspringen, wird dieser Wandel jedoch noch weiter an Relevanz gewinnen. Damit die IT als Business Enabler auftreten kann, darf sie Trends nicht verpassen. Unseren Kunden müssen wir, vor allem aus dem Service Management heraus, die entsprechenden Services und Plattformen zur Verfügung stellen, um deren Arbeit zu vereinfachen. Das Management muss den Wandel initiieren und als Treiber fungieren. Wir brauchen Leaduser und keine Zauderer.

Was steht für Sie noch auf dem Plan für die absehbare Zukunft?
Ein weiteres grosses Projekt gibt es noch: Meier Tobler baut bis 2023 ein neues Dienstleistungscenter, das wird eines der grössten des Landes mit 32’000 Palettenstellplätzen und einem vollautomatischen Hochregallager. Hier sind wir von der IT ebenfalls mit im Boot, sowohl für die Gebäude-IT-Infrastruktur wie auch für die SAP-Anbindung.


Und was wünschen Sie sich persönlich – für sich selbst und für Meier Tobler?
Ich wünsche mir, dass Meier Tobler da ansetzen kann, wo wir 2021 aufgehört haben. Wir sind zurück auf Erfolgskurs, nun müssen wir das Momentum halten. Heizungen verkaufen kann jeder, wir wollen ein Serviceportfolio anbieten, das den Kunden vollumfänglich bedienen kann, und die Digitalisierung trägt hierbei einen grossen Teil bei. Für mich persönlich kann es eigentlich so weitergehen wie 2021. Ein bisschen weniger Stress als Anfang 2021 wäre vielleicht schön, aber wenn ich realistisch bin, wird der Druck im Kessel wohl bleiben. Aber mir macht das ehrlicherweise auch Spass. Und ich wünsche mir, dass dieser Pandemiespuk endlich vorbeigeht und wir dabei alle gesund bleiben.

Andreas Drees

Andreas Drees amtet seit Januar 2021 als CIO beim Gebäudetechnik-Spezialisten Meier Tobler. Davor war er mehr als sieben Jahre bei Baumann Springs tätig, zuletzt als Group CIO. Seinen beruflichen Hintergrund hat der deutsche Manager in der strategischen Beratung, zu seinen Karrierestationen gehören UBS, Lodestone Management Consulting und Accenture. Er verfügt über einen Master of Business Administration von der Hochschule Düsseldorf (HSD).

Zum Unternehmen

Der Haustechnik-Anbieter Meier Tobler entstand in seiner heutigen Form 2018 aus der Fusion von Walter Meier und Tobler Haustechnik. Das Unternehmen ist auf die Schweizer Baubranche fokussiert und versorgt diese mit Produkten und Dienstleistungen in den Bereichen Heizen, Klimatisieren, Lüften und Sanitär. Meier Tobler betreibt schweizweit 47 B2B-Abholmärkte und einen Schweizer B2B-e-Shop für Installateure. 2020 wurde ein Umsatz von 487 Millionen Franken generiert.
(win)


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