Die Anforderungen der neuen Arbeitswelt

Das Thema Home Office ist präsenter denn ja und bietet Chancen für Unternehmen wie Mitarbeiter. Damit diese Möglichkeiten auch genutzt werden können, braucht ­es Anpassungen bei der Mitarbeiterführung, beim Projektmanagement und beim Einsatz von IT.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2020/09

     

Die derzeitigen digitalen ­Um- wälzungen im Zuge von ­Covid-19 geben einen Aus- blick, wie die Arbeit der Zukunft aussehen könnte und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt. In den vergangenen Monaten haben Unternehmen gesehen, dass es in vielen Bereichen möglich ist, Aufgaben remote zu erledigen. Dadurch hat das Thema Home ­Office plötzlich eine neue Akzeptanz ­erfahren. Denn sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter können von dem Trend profitieren – wenn er mit Bedacht umgesetzt wird: Unternehmen benötigen weniger Büroflächen, sparen Zeit sowie Geld für Reisekosten und Events in Persona und können gleichzeitig ihren ökologischen Fussabdruck verbessern. Die ­Anfahrt in die Firma entfällt und Mitarbeiter bringen Arbeit und Privatleben besser in ­Einklang. Ein Aspekt, der auch auf das Thema Geschlechtergerechtigkeit einzahlen kann, weil in Familien dann beide Elternteile mehr Zeit zuhause verbringen können. Die Produktivität profitiert ­ebenfalls: So ermittelte der Schweizer Gewerbeverband (SGV), dass die Produktivität von Schweizer Unternehmen während des Lockdowns um bis zu 16 ­Prozent gestiegen ist. Klar ist: Will man ­Digitalisierung dauerhaft erfolgreich in der Arbeitswelt umsetzen, braucht es das richtige Mindset im Unternehmen und die passenden Tools.

Stärkerer Fokus auf Leistung statt auf Präsenz

Bislang wurde Arbeit vor allem über ­Präsenz definiert: Arbeitnehmer verpflichten sich zu einer wöchentlichen Stundenleistung und werden entsprechend entlohnt. Ob Mitarbeiter diesen vertraglich geregelten Pflichten nachkommen, konnte über physische Anwesenheit leicht kontrolliert werden. Mit dem Umzug ins Home Office entfällt genau diese Konstante und alle Parteien müssen umdenken. Die Präsenz tritt zugunsten der Leistung in den Hintergrund – eine Entwicklung, die insbesondere junge Nachwuchskräfte freuen wird. Das hat starke Auswirkungen auf Management und Mitarbeiterführung.


Der zentrale Mindshift besteht darin, dass Arbeitgeber künftig ein Stück weit loslassen und mehr Vertrauen in die Mitarbeiter setzen sollten. Umgekehrt müssen auch die Mitarbeiter ihrem Vorgesetzen stärker vertrauen. Gleichzeitig ändert sich auch das Verständnis von Führung; es wandelt sich von der Leistungskontrolle hin zu einer Form von Coaching. Idealerweise erhält der Mitarbeiter Aufgaben mit einer Deadline für ihre Erledigung. Wie er das Ziel erreicht, ist im Prinzip ihm überlassen. Seine Vorgesetzten haben vor allem die Aufgabe, ihm bei Fragen zur Seite zu stehen oder ihn falls nötig anzuleiten. Für diese Form der Zusammenarbeit ist es allerdings unumgänglich, dass Teamleiter die Persönlichkeit des Mitarbeiters gut einschätzen können: Kann man ihn selbständig laufen lassen oder benötigt er bei Projekten mehr Unterstützung in Form von Zwischenzielen oder Halbzeitgesprächen?

Teamspirit und Sichtbarkeit unterstützen

Die neue Arbeitsweise im Home Office bringt zu Beginn Unsicherheiten mit sich, denen Unternehmen entgegenwirken sollten: Wie kann der Mitarbeiter Leistung zeigen? Wie sorge ich für einen guten Teamspirit, wenn sich die Kollegen in erste Linie über Videokonferenzen sehen und der persönliche Austausch weitgehend wegfällt? Um die Projekte und Leistungen der Mitarbeiter sichtbar zu machen, empfehlen sich beispielsweise virtuelle Kanban Boards. Damit kann jeder Mitarbeiter morgens im virtuellen Stand-up-Meeting das Team kurz über den Status seiner erledigten und geplanten Aufgaben und Projekte informieren und dies im Kanban Board visualisieren. Diese regelmässigen Updates zahlen auch auf den Teamspirit ein. Allerdings müssen die Verantwortlichen im Blick behalten, dass Video-Schaltungen eben nicht eins zu eins wie Präsenz-Meetings funktionieren. Die nonverbale Kommunikation ist sehr reduziert und das muss entsprechend aufgefangen werden. Am besten funktioniert dies, wenn die Teilnehmer immer wieder offen Rückmeldung darüber geben, wie es ihnen geht und was sie fühlen. Hier ist vor allem der Teamleiter oder Moderator gefragt: Er muss beispielsweise aktiv darauf achten, dass auch introvertierte Mitarbeiter mit in die Gespräche einbezogen werden.

Auch die Personalarbeit wandelt sich

Remote Working betrifft nicht nur die ­Arbeit der Angestellten, sondern auch die Arbeit mit den Angestellten. So ist das Remote-Onboarding neuer Mitarbeiter eine besondere Herausforderung. Wie schafft es die Personalabteilung, in ihrer Schlüsselfunktion bei Neueinstellun- gen, jemanden zu integrieren, ohne dass diese Person Unternehmensatmosphäre schnuppern und die Kollegen und Vorgesetzten live und in Farbe erleben kann? Hier ist ein gut ausgearbeitetes Konzept entscheidend, in dem HR den Rahmen verbindlich für alle Abteilungen vorgibt. So vermeiden Unternehmen, dass die Qualität des Onboardings nur vom einzelnen Vorgesetzten abhängt und unterstützen diesen in seiner neuen Rolle als virtueller Vorgesetzter.


Auch Weiterbildung muss neu gedacht werden, denn digitale Angebote können eine sinnvolle Alternative zu Präsenzschulungen darstellen – aber nicht in allen Bereichen. So kann ein virtuelles Schulungsangebot für operatives Know-how gut funktionieren. In den Bereichen Softskills, die eine starke emotionale Komponente beinhalten (Verkaufstrainings, Führungskompetenz, Konfliktmanagement etc.) sollte weiterhin Präsenz gegeben sein.

Digitale Tools als Basis für New Work

Bei aller Euphorie für New Work: Remote erzielte Ergebnisse sind immer nur so gut wie die digitale Umgebung, in der gearbeitet wird. Ohne digitale Kompetenzen der Mitarbeitenden, sichere Geräte und Zugänge sowie userfreundliche Collaboration-Werkzeuge wird der Wandel nicht gelingen. Dabei müssen die Verantwortlichen zwei Perspektiven im Blick behalten: Die der Mitarbeiter, die möglichst ohne Störungen durch Updates oder technische Probleme arbeiten wollen, und die der IT-Abteilungen. Denn für sie bedeutet Home Office natürlich mehr Aufwand bei Gerätewartung und Bereitstellung einer sicheren Infrastruktur.


Aber welche Tools sind nun unabdingbar? Für Mitarbeiter braucht es vor allem stabil laufende Collaboration Tools mit Chat- und Videofunktionen, die den Austausch erleichtern. Ebenfalls hilfreich sind Lösungen zum Projektmanagement, in denen Aufgaben mit Deadlines zugewiesen und deren Bearbeitung nachverfolgt werden kann. Für die Arbeit der IT-Abteilung ist ein gut aufgesetztes Unified Endpoint Management das A und O: Es sorgt mithilfe von Automatisierung für Arbeitserleichterung, Prozessoptimierung und eine vollständige Erfassung der Geräte und Dienste – unter anderem auch für den Zugang zu allen Endgeräten sowie den Überblick über genutzte Anwendungen. Darüber hinaus kann hier Automated Endpoint Security anknüpfen – und manuelles Handeln gegenüber Attacken überflüssig machen, denn die Software leitet im Falle eines Incidents alle notwendigen Schritte selbst ein. Ebenfalls hilfreich sind automatisierte Lösungen für das Lizenzmanagement. Mit ihnen behält der ­Administrator auch bei einer steigenden Zahl an Anwendungen den Überblick über die Lizenzen und kann Einsparungspotenziale erkennen. Ein weiterer Punkt, der bedacht werden sollte: Durch den verstärkten Einsatz von IT kommt es auch häufiger zu Problemen, bei denen Mitarbeiter Support benötigen. Hier kann ein KI-gestützter Chatbot die IT-Abteilung unterstützen, indem er der erste Kontaktpunkt bei Supportanfragen ist und bei Standard-Fragen weiterhilft. Sobald der Chatbot an seine Grenzen kommt, übergibt er den Case an einen menschlichen Kollegen.
Bis die Arbeit im Home Office zur Selbstverständlichkeit wird, gibt es in den Unternehmen sicher noch einiges zu lernen. Auf der anderen Seite haben die vergangenen Monate gezeigt, wie rasch ein Wandel im Zweifelsfall dann doch angestossen und von allen erfolgreich mitgetragen werden kann.

Was muss ein Konzept zum Onboarding regeln?

- Wie bekommt der neue Mitarbeiter ein ­Gefühl für die Werte und Ziele des Unternehmens?
Für die Identifikation des neuen Kollegen mit dem Unternehmen ist es wichtig, dass er ein Gefühl für dessen Ziele und Werte erhält. Dafür empfiehlt es sich, ein virtuelles Meet-the-Board-Meeting aufzusetzen, in dem die Geschäftsführung den Neuzugängen kurz das Unternehmen und sich selbst vorstellt. Auch virtuelle Team-Meetings sollten in dem Onboarding-Konzept eingebettet sein.

- Wie kann der neue Mitarbeiter gezielt Know-how aufbauen?
Im Büro geht der Wissensaufbau für die neuen Aufgaben schnell. Der New Hire bekommt durch Gespräche mit und von den Kollegen schnell mit, was wichtig ist, und kann unkompliziert über den Schreibtisch nachfragen. Allein im Home Office sieht das anders aus. Hier helfen zentral geplante Trainingssessions, in denen der Mitarbeiter von Vorgesetzen und Kollegen das nötige Rüstzeug für seine Arbeit erhält und gleichzeitig die Kollegen kennenlernt.


- Wie kommt der neue Mitarbeiter an sein Equipment?
Die IT schickt per Boten die gesamte technische Ausrüstung zum neuen Mitarbeiter ins Home Office, zusammen mit einem Zugangscode ­sowie einer Anweisung, wie die einzelnen ­Geräte, also Laptop, Smartphone und so weiter, in Betrieb zu nehmen sind. Der Mitarbeiter kann sich selbständig einloggen, bei weiteren Fragen steht der IT-Service zur Verfügung.

Die Autoren

Kirsten Huber (links) ist ­Director HR beim Digital-Workspace-Management-Spezialisten Matrix42, Edo Bezemer (rechts) Gründer von Xamplo, einem Unternehmen, das sich auf das Thema kulturelle Transformation spezialisiert hat und dazu IT-Spezialisten und Organisationspsychologen beschäftigt.


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