CIO-Interview: 'On hat von Anfang an auf die Cloud gesetzt'
Quelle: On

CIO-Interview: "On hat von Anfang an auf die Cloud gesetzt"

Das Schweizer Unternehmen On produziert Sportartikel. Die IT spielt dabei eine zentrale Rolle. Sämtliche Prozesse in der Firma sind digitalisiert, vom Design über die Produktherstellung bis hin zur Logistik.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2019/12

     

"Swiss IT Magazine": Herr ter Schüren, Sie sind bei On CTO und damit für die gesamte IT zuständig. Wie kam es dazu?
Wim ter Schüren: Die Marke On ist in der Schweiz schon sehr populär, aber in Deutschland oder auch in anderen Ländern ist sie – speziell im IT-Bereich – noch nicht so bekannt. Nachdem ich die Produkte kennengelernt hatte, habe ich das grosse Potenzial gesehen und fand die Marke sehr spannend, verbunden mit den Anforderungen einer weltweiten Internationalisierungsstrategie. Obwohl ich keine neue Herausforderung suchte, habe ich im August 2018 von Rocket Internet zu On als CTO gewechselt. On ist für mich die erste Firma, die ein physisches Produkt herstellt und keine Technologiefirma per se, in der Software das Produkt ist. Dennoch ist die IT eminent wichtig.


Sie leiten die IT einer Schweizer Firma, sitzen aber in Berlin. Wie ist die IT von On organisiert?
Organisatorisch betrachtet haben wir unseren zentralen IT-Standort in Berlin aufgebaut. Dort bündeln wir unsere Technologiekompetenz, entwickeln IT-Strategien und setzen sie um. Vor rund einem Jahr hat On in Berlin hierfür einen Technology Hub gegründet, speziell für IT und Software-Entwicklung, um von dem Berliner Angebot an Entwicklern und Technologieträgern profitieren zu können. Wir haben festgestellt, dass es in Zürich schwieriger ist, die richtigen Leute zu finden, auch weil der Markt kleiner ist. Historisch gesehen ist der Webshop für die Endkunden in Zürich entstanden und wird auch weiterhin dort betreut, allerdings ist das Team von Berlin aus verstärkt. Auch das Business-Intelligence-Team und der interne Service Desk befinden sich in der Schweiz, wo wir insgesamt rund 30 Leute beschäftigen. In Berlin haben wir einen klaren Fokus auf Back-end Services und beschäftigen mittlerweile rund 25 IT-Mitarbeiter, werden deren Zahl im nächsten Jahr aber auf etwa 35 erhöhen. In Berlin wachsen wir IT-seitig deutlich stärker als in Zürich und bauen praktisch alles Neue auf, was mit IT und Technologie zu tun hat. Wir gründen in Deutschland deshalb neue Teams, die die vorhandenen Systeme integrieren und neue Software entwickeln. Auch in Zürich sind Entwickler stationiert, aber am Standort Berlin rekrutieren wir heute aktiver.
Welche Art von Systemen hat On im Einsatz?
Wir betreiben eine recht komplexe Plattform, denn wir wickeln darüber sowohl B2B- als auch B2C-Geschäftsprozesse ab. Unseren B2C-Webshop haben wir zurzeit in 49 Ländern und acht Sprachen ausgerollt und verkaufen Artikel direkt an die Endkunden. Nach und nach kommen aber immer neue Länder und Märkte hinzu. So sind wir in China sehr aktiv und in anderen Ländern, wo wir unsere Produkte bisher über Partner und Distributoren verkauft haben. Nun sind wir gerade dabei, unseren Webshop auch in China zu eröffnen, angepasst an die dortigen Rahmenbedingungen. Der Webshop basiert auf einer Open Source Software, die wir für unsere Bedürfnisse angepasst haben und ständig weiterentwickeln. Die zweite Säule ist unsere B2B-Plattform. Diese ist sehr wichtig, denn On ist vor allem dank seiner Retail-Partner so stark gewachsen. Auf dem B2B-Portal können sich die Händler einloggen und dort den Katalog einsehen, Produktinformationen abrufen oder Bestellungen platzieren sowie ihre Rechnungen verwalten und schliesslich auch bezahlen. Auch die B2B-Plattform ist eine Eigenentwicklung, die auf Salesforce aufbaut, wobei On ohnehin stark mit Salesforce integriert ist. Wir nutzen Salesforce als Plattform für den Endkunden-Service, als CRM-Lösung sowie für die gesamte Warenwirtschaft.


Sie entwickeln aber auch eigene Lösungen?
Ja. Strategisch sind wir mittlerweile von der reinen Salesforce-Entwicklung abgerückt. Wir entwickeln die gesamte Back-­end-­Infrastruktur mit einem Service-­orientierten Ansatz weiter, indem wir eigene Services aufbauen, die für unser Geschäft spezifisch sind. So haben wir beispielsweise ein Tool entwickelt, in dem wir das gesamte Pricing im Back-end verarbeiten, alle Währungen verwalten und die Preise aller Produkte an einer zentralen Stelle gesammelt haben. Wir haben dieses deshalb selber gebaut, weil es kein Produkt gibt, das diese Funktionalitäten genauso abbildet, wie wir sie benötigen. Unsere Strategie sieht vor, dass wir grundsätzlich versuchen, Produkte zu nutzen, die es bereits am Markt gibt. Nur wenn wir nichts finden oder die Produkte so stark anpassen müssen, dass der Aufwand nicht im Verhältnis zum Nutzen steht, entwickeln wir massgeschneiderte Lösungen von Grund auf selbst.
Und wie ist die Infrastruktur von On aufgestellt?
On hat von Anfang an, also schon vor meiner Zeit, ausschliesslich auf Cloud-Technologien gesetzt. Wir haben also keine eigenen Server, die wir selber betreuen müssten. Unsere Daten und Services sind bei allen grossen Cloud-Anbietern gehostet, und wir nutzen IaaS- und PaaS-Modelle. Dass unsere Infrastruktur komplett Cloud-basiert ist, macht unsere Arbeit einfacher und spart Personalkosten. Zentral ist auch die Sicherheit der Infrastruktur, diese wird regelmässig auditiert.

Was beansprucht denn aktuell den Grossteil Ihrer Zeit?
Eines der grössten Themen ist die Skalierung beziehungsweise das Wachstum. On wächst jedes Jahr enorm, was auf der einen Seite schön ist, die Systeme aber auch entsprechend fordert. Als man die Infrastruktur vor einigen Jahren angelegt hat, hat man nicht erwartet, dass das Unternehmen in so kurzer Zeit so schnell wachsen würde. Unsere Wachstumspläne werden regelmässig übertroffen, und wir müssen nun schauen, dass die IT mit dem Wachstum mithalten kann und auch in Zukunft nicht zum Engpass wird. Das heisst, dass wir aufpassen müssen, keine Entscheidungen zu treffen, welche die Skalierung limitieren könnten. ­Ausserdem müssen wir auch in zukünftige Kapazitäten investieren, die sich bereits jetzt abzeichnen. Die IT ist ja bekanntlich wie ein grosses Schiff, man kann den Kurs nicht einfach kurzfristig ändern, man muss diesen mit Vorlauf planen und behutsame Korrekturen vornehmen. Meine grösste Herausforderung ist derzeit, die IT so aufzustellen, dass auch in zehn Jahren noch alles perfekt funktioniert. Ebenfalls ein grosses Thema ist die Systemintegration. Hat man viele Systeme im Einsatz, wird die Kommunikation zwischen diesen zusehends komplex. Man braucht also ein Konzept dafür, wie die einzelnen Systeme untereinander Daten austauschen, und dieses muss mit der Infrastruktur gemeinsam skalieren, damit letztere wartbar bleibt.


Sie haben bereits die Expansion von On in neue Länder angesprochen. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die IT?
Grundsätzlich versuchen wir Systeme einzuführen, die wir global ausrollen können. Wir möchten vermeiden, regional unterschiedliche Systeme betreiben zu müssen. Das haben wir bisher ganz gut geschafft, wir haben tatsächlich weltweit die gleichen IT-Systeme im Einsatz. Und da sie Cloud-basiert sind, nutzen wir jeweils virtuelle Cloud-Umgebungen in den verschiedenen Regionen. Als problematisch kann sich die Gesetzgebung einzelner Länder erweisen, beispielsweise im Bereich der Steuern. China ist in dieser Hinsicht ein sehr komplexer Markt, oder auch Brasilien. Und dann gibt es noch die kulturellen Unterschiede in Bezug auf das Kaufverhalten. In China ist es beispielsweise üblich, alle Bezahlvorgänge mit dem Smartphone und über QR-Codes abzuwickeln, und es werden eine Vielzahl an Chat-Apps und Social-Media-­Apps dafür benutzt. Ohne Google, Facebook, Instagram et cetera ist es ein sehr interessanter Markt mit spezifischen Anforderungen. Für solche Gegebenheiten muss man gewappnet sein und ein Maximum and Flexibilität und Agilität bewahrt haben. Bisher haben wir diese Herausforderungen bei der Einführung unserer Plattformen in neuen Ländern aber immer meistern können.
Wie hoch ist der Stellenwert der IT bei On?
Auch wenn wir Sportschuhe und Sportbekleidung produzieren, weiss jeder Mitarbeiter bei On, dass ein Unternehmen heute ohne moderne und leistungsfähige IT nicht erfolgreich sein kann. IT steckt in jedem Bereich drin, angefangen von Design und Product Development über Manufacturing, Supply Chain, Order Management bis hin zu Marketing, Sales und Business Intelligence. On will die bestmöglichen Sportartikel herstellen, und wir nutzen die IT mit genau diesem Ziel. IT ist bei On ein Enabler und weniger ein Selbstzweck. In meinen Augen ist das enorm wichtig. IT soll dem Business folgen und für Innovation sorgen. Bei On ist die IT um das physische Produkt herum gebaut, sie verbindet die einzelnen Unternehmensbereiche miteinander und öffnet Wege zu Kunden und Partnern. Den hohen Stellenwert der IT sieht man schön anhand unseres Umgangs mit Daten. Als datengetriebenes Unternehmen sammeln und analysieren wir eine Vielzahl von Daten und verwenden diese auch als Grundlage für Entscheidungen, beispielsweise wenn es darum geht, in einem Markt ein bestimmtes Modell einzuführen.

Inwiefern baut die IT von On auf die Kooperation mit Partnern und wie ist die Zusammenarbeit gestaltet?
Wir arbeiten mit vielen Partnern vertrauensvoll zusammen. Wir suchen in der Regel nach solchen, die langfristig mit uns zusammenarbeiten und wachsen wollen. Wir suchen auch nicht notgedrungen nach den grössten Partnern, die Marktführer sind in dem, was sie tun, sondern auch nach innovativen kleinen Partnern, von denen wir den Eindruck haben, dass sie viel Potenzial haben und die auch von ihrer Firmenkultur zu uns passen. Es sind dies Firmen, die offen sind für Experimente und relativ schnell etwas auf die Beine stellen können. Solche Unternehmen sind oft weniger prozessgetrieben, sondern gehen iterativ vor. In einigen Bereichen arbeiten wir aber auch mit grossen Partnern zusammen. So ist für die weltumspannende Logistik ein spe­zia­lisierter Partner unerlässlich, das könnten wir schlecht allein stemmen. Deshalb arbeiten wir in diesem Bereich beispielsweise mit Kühne & Nagel.
Wie wichtig sind für On neue Technologien wie etwa Künstliche Intelligenz?
Künstliche Intelligenz und Machine Learning bergen ein grosses Potenzial im Bereich der Optimierung von Abläufen. Auch hier arbeiten wir eng mit Partnern zusammen oder kaufen neue Technologien ein. Meines Wissens ist On übrigens der einzige Sportartikelhersteller, dessen gesamte Wertschöpfungskette bereits heute komplett digital ist, und darauf sind wir stolz. Vom Design über die Produktherstellung bis hin zur Logistik sind alle Prozesse nahtlos digital und weisen keine Medienbrüche auf. Es geht aber auch darum, das Kundenerlebnis digital auszugestalten. Das ist bei einem physischen Produkt nicht immer einfach, weil die Kunden dieses gerne ausprobieren und anprobieren wollen, bevor sie es kaufen. Deshalb gibt es ja auch die Option, Produkte, die einem nicht gefallen, kostenlos zu retournieren. Wir arbeiten derzeit daran, den Kunden mittels Augmented Reality die Möglichkeit an die Hand zu geben, den Fuss mittels Smartphone-Kamera auszumessen und die Schuhe zumindest virtuell anprobieren zu können.


Welchen Herausforderungen stehen Sie in nächster Zukunft gegenüber?
Der richtige Umgang mit den gesammelten Daten ist eine grosse Herausforderung, vor allem im Zusammenhang mit dem starken Wachstum des Unternehmens. Die Aufbereitung und vor allem die Sicherheit der Daten sind für uns daher sehr wichtige Themen, in die wir viel investieren. Gleichzeitig wird die Verbesserung der Datenanalyse immer wichtiger für uns. Dort sehe ich noch grosses Potenzial, beispielsweise in der Bedarfsplanung. Präzise voraussagen zu können, welche Modelle am meisten nachgefragt werden, und diese dann in der richtigen Anzahl im richtigen Lager zu haben, kann ein grosser Wettbewerbsvorteil sein. Gleichzeitig besteht aber auch das Risiko, falsche Voraussagen zu machen und den Markt falsch einzuschätzen. In der Summe ist die grösste Herausforderung jedoch das kontinuierliche Wachstum der Organisation mit herausragenden Talenten für On und speziell auch für den IT-Bereich. Der Fachkräftemangel bleibt zwar bestehen, ist aber nicht unlösbar. Offshoring ist für uns aber kein Thema. Ich bin ein grosser Freund von lokaler IT, Teamwork und Teams, die auch wirklich zusammensitzen und gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Für uns ist sehr wichtig, dass Produkt-Design, Business und IT koordiniert und eng zusammenarbeiten.

Wim ter Schüren

Wim ter Schüren ist deutscher Staatsbürger und in Hamburg aufgewachsen, wo er auch sein Studium der Wirtschaftsinformatik absolviert hat. Danach hat er viele Jahre in der Software-Entwicklung gearbeitet und später auch Management-­Positionen im Bereich E-Commerce bekleidet, unter anderem im Bertelsmann-Konzern und bei Otto. Nach mehreren Zwischenstationen ist der heute 43-Jährige nach Berlin gezogen, wo er vor seinem Wechsel zu On im August 2018 bei Rocket Internet als CEO und CTO am Aufbau mehrerer E-Commerce-Start-ups beteiligt war.


Zum Unternehmen

On wurde 2010 vom ehemaligen Schweizer Profisportler Olivier Bernhard zusammen mit David Allemann und Caspar Coppetti gegründet. Olivier Bernhard, dreifacher Duathlon-­Weltmeister und mehrfacher Ironman-Gewinner, hatte sich nach dem Ende seiner Sportlerkarriere ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: den Laufschuh für das perfekte Laufgefühl zu entwickeln. On ist heute in über 50 Ländern vertreten. Die IT ist in Zürich und Berlin angesiedelt und ist zentraler Bestandteil des Unternehmens. (luc)


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