Strategie­workshops planen und gestalten
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Strategie­workshops planen und gestalten

Von Kevin Pfander

Beim Planen von Strategieworkshops für ihr Unternehmen sollten Mitarbeiter sehr sorgfältig und strukturiert vorgehen – unter anderem, weil die Erwartungen der Teilnehmer an solche Workshops meist verschieden sind.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2019/10

     

Wann planen Unternehmen einen Strategieworkshop? Meist, wenn deren Top-­Entschei­der – zum Beispiel aufgrund gewisser Markt- oder Unternehmensdaten oder technologischer Entwicklungen – das diffuse Gefühl haben, dass sie etwas tun beziehungsweise verändern sollten, um damit mittel- und langfristig den gewünschten Erfolg zu haben. Doch noch ist ihnen etwas unklar. Also gehen sie nicht unmittelbar zur Massnahmenplanung über, sondern beraumen zunächst ­einen Strategieworkshop an.

Warum soll der Workshop stattfinden?

Hierfür kann es vier Gründe geben. Der erste Grund ist, dass das Unternehmen keine Strategie hat, aus der sich eine Massnahmenplanung ableiten liesse. In diesem Fall steht eine konstituierende Strategiearbeit an. Sie besteht in der Regel daraus, dass zunächst eine Vision für das Unternehmen entwickelt wird, nebst Entwicklungszielen. Hieraus kann dann die Strategie abgeleitet werden und hierauf aufbauend die strategische (Massnahmen-)Planung erfolgen.


Der zweite Grund ist, dass die bestehende Strategie überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden soll. Bei solchen Reviews wird in der Regel die Stimmigkeit der Kausalkette "Strategie – Ziel­definition – Aktivität – Ergebnis" überprüft. Sie sind also fokussiert auf die Erfolgskontrolle. Bleibt beispielsweise das Ergebnis trotz erfüllter Aktivitäten hinter den Erwartungen zurück, wird – abhängig von den Ursachen – entweder die Strategie nachgebessert oder gar neu formuliert, die Zieldefinition verändert oder der Aktivitätenplan überdacht.
Ein dritter Grund für einen Workshop ist, dass die aktuelle Strategie weiterentwickelt werden soll. Dies ist eine typische Reaktion auf aktuelle oder prognostizierte Ereignisse im Unternehmensumfeld. In diesem Fall stehen grundlegende Entscheidungen an: Strategische Hypothesen – zum Beispiel über die Marktentwicklung oder technische Entwicklung – werden geprüft, um hierauf basierend die nötigen Entscheidungen zu treffen. Voraussetzung hierfür ist das Beschaffen und professionelle Aufbereiten belastbarer Daten und Informationen sowie das Vermitteln von Entscheidungssicherheit in einer unsicheren Situation.


Schliesslich gibt es noch einen vierten Grund, nämlich wenn es überhaupt nicht um die Strategie geht. Diese Situation ist besonders häufig, wenn die Entscheider das diffuse Gefühl haben, dass in ihrer Organisation etwas grundsätzlich schiefläuft. Dann wird schnell davon gesprochen, man brauche eine (neue) Strategie, wie man zum Beispiel die Gewinnmarge wieder steigern oder mit der Digitalisierung umgehen könne. Doch eigentlich suchen die Akteure eine schnelle Lösung für ein nur bedingt verstandenes Problem – um zum Beispiel in naher Zukunft nicht am Pranger zu stehen. Dann werden im Hauruck-Verfahren oft Aktivitäten gestartet, die quasi nebenbei erledigt werden sollen. Doch faktisch soll sich im Unternehmen wenig ändern.

Den konkreten Auftrag klären

Ist der Grund für den angedachten Strategieworkshop bekannt, kann eine strukturierte Auftragsklärung erfolgen. Leitfragen hierfür sind unter anderem, welches Ziel die Veranstaltung verfolgt, welche Ziel- oder Interessengruppen es zu bedenken gilt und welches Signal an sie gesendet werden soll. Ebenfalls sollte man sich fragen, welches Ergebnis erreichbar, plausibel und relevant ist.

Und auch der Rahmen der Veranstaltung sollte abgesteckt werden: Welche Personen sollten wann eingeladen werden? Welche Datenbasis muss beim Workshop vorliegen? Welche Aktivitäten sind hierfür intern oder extern nötig? Und wie kommt es zur Budgetierung und Freigabe der dadurch anfallenden Aktivitäten und Kosten?


Schliesslich sollten auch die notwendigen Abstimmungen vorgenommen werden: Wer muss im Vorfeld in die Planung eingebunden werden? Welche Erwartungen haben die avisierten Teilnehmer an den Workshop? Und wie läuft die Kommunikation zu den Beteiligten, die nicht am Workshop teilnehmen?

Den Strategieprozess öffnen?

Die Tragfähigkeit strategischer Entscheidungen hängt stark von der Qualität der zugrundeliegenden Informationen und Denkmodelle ab. Die Workshop-­Planer sollten über den Tellerrand hinaus schauen und (sofern möglich) den Strategieentwicklungsprozess an bestimmten Stellen für Einflüsse von aussen öffnen – zum Beispiel, indem auch Personen beteiligt werden, die per Funktion oder politischer Bedeutung nicht involviert werden müssten. Meist empfiehlt es sich, in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess folgende Personengruppen mehr oder minder stark einzubinden:
Entscheider – also die Personen, die in der Organisation letztendlich qua Funktion das Sagen haben,
Wissensträger – Personen, die bezogen auf die Fragen, die bei der Strategieentwicklung tangiert werden, ein fundiertes Fach- und Erfahrungswissen haben (zum Beispiel bezogen auf die Kunden- oder IT-Struktur),
Experten – externe Berater, die zum Beispiel ein fundiertes Know-how über die (voraussichtliche) künftige technologische Entwicklung und Marktentwicklung haben, und
Multiplikatoren – also die Personen in der eigenen Organisation, die die getroffenen und verkündeten strategischen Entscheidungen im Betriebs­alltag zum Beispiel an die Mitarbeiter kommunizieren und diese als Mitstreiter gewinnen müssen.
Unternehmen verfahren oft – gerade, wenn strategische Entscheidungen aufgrund von Versäumnissen in der Vergangenheit getroffen werden müssen – nach der Maxime der Geheimhaltung. Dann werden häufig Berater damit beauftragt, fehlendes Know-how oder fehlende Perspektiven unter Wahrung der Verschwiegenheit einzubringen, um Mängel zu beheben. Dies ist zwar sinnvoll, doch keinesfalls sollten die Entscheider vergessen, Vertreter der eigenen Organisation in die Strategiearbeit einzubinden, da sie die Stärken und Schwächen des Unternehmens zum Beispiel im Bereich Innovation, Kundenorientierung und Produktentwicklung kennen. Zudem tragen die internen Wissensträger die strategischen Entscheidungen stärker mit, wenn Vertreter aus ihren Reihen in den Prozess involviert waren.

Neutrale Workshop-Moderatoren engagieren?

Nahezu unverzichtbar sind neutrale, externe Berater jedoch, wenn es um das Moderieren des Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses geht, der allen strategischen Entscheidungen zugrunde liegt. Denn aufgrund ihrer beruflichen Biografie und Funktion in der Organisation haben die Workshop-Teilnehmer meist eine unterschiedliche Sicht auf das Problem. Das heisst, sie schätzen das, was nötig, sinnvoll und zielführend ist, unterschiedlich ein. Folglich gelangen sie auch zu unterschiedlichen Schlüssen. Deshalb sollte eine neutrale Person den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess moderieren, so dass an dessen Ende Entscheidungen stehen, die von allen Beteiligten, soweit möglich, mitgetragen werden – selbst wenn letztendlich das Top-Management das Sagen hat.

Acht Tipps für solide Entscheidungen

1) Entscheidungen erfordern mehrere Optionen. Zur Options­generierung benötigen Sie Kreativität und analytisches Denken. Im Team generieren Sie mehr zukunftsweisende Optionen, als wenn Sie alleine darüber nachdenken, was zu tun ist, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen – zumal Sie als Person oder Organisation in der Regel nicht ein Ziel, sondern mehrere haben.

2) Die Optionen mit Querdenkern diskutieren. Also mit Personen, die aufgrund ihrer Biografie oder Funktion eine andere Sicht als Sie auf die Ist-Situation, den Markt oder die technische Entwicklung haben – primär, um die Annahmen zu ermitteln und zu reflektieren und so eventuell zu einer anderen Sichtweise zu gelangen.


3) Externe in den Entscheidungsprozess einbinden. Auch das Einbinden externer Dritter, die zum Beispiel einen branchenfremden Blick auf den Entscheidungsgegenstand haben, kann helfen, subjektive Erklärungen für komplexe Phänomene aufzudecken und vorschnelle Beurteilungen und Reaktionen zu vermeiden.

4) Strategische Entscheidungen in Ruhe treffen. Entscheiden Sie folgenschwere Dinge nicht, wenn Sie gestresst oder emotional aufgewühlt sind. Schlechte Laune und Stress machen uns anfälliger für kognitive Verzerrungen.

5) Experten in die Bewertung einbinden. Experten können und wollen oft nicht entscheiden – weil sie alle "Wenn" und "Dann" und "unter der Voraussetzung, dass ..." im Kopf haben. Akzeptieren Sie dies. Nutzen Sie ihre Expertise, um sich zu fragen, ob Sie eventuell ein übertriebenes Vertrauen in sich, Ihre Organisation oder gewisse Technologien haben.

6) Nicht an schlechten Entscheidungen festhalten. Strategische Entscheidungen beruhen stets auf Annahmen – zum Beispiel darüber, wie sich der Markt entwickelt, oder darüber, was in einigen Jahren technisch möglich sein wird. Deshalb müssen strategische Entscheidungen regelmässig überdacht und gegebenenfalls über Bord geworfen werden.

7) Das eigene Bauchgefühl hinterfragen. Fragen Sie sich zum Beispiel: Welche Motive und Hoffnungen veranlassen mich zu dieser Entscheidung? Welche Glaubenssätze stecken dahinter, die eventuell keine Relevanz mehr haben? Zu viel Ego kann – für Sie und Ihr Unternehmen – sehr teuer werden; diese Erfahrung haben im zurückliegenden Jahrzehnt nicht nur viele Privatbanken gesammelt.

8) Eine objektive Entscheidungsbasis schaffen. Machen Sie die Optionen vergleichbar – zum Beispiel, indem Sie anhand eines Kriterienkatalogs auflisten, was für oder gegen sie spricht, auf welchen Annahmen und Voraussetzungen ihr potenzieller Erfolg basiert, welche Investitionen ihre Realisierung erfordert und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind. So schaffen Sie eine objektive Entscheidungsbasis, selbst wenn diese weiterhin auch auf Annahmen beruht.

Der Autor

Kevin Pfander arbeitet als Strategie- und Change-­Berater für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner in Bruchsal bei Karlsruhe (D), die Unternehmen weltweit beim Entwickeln und Umsetzen ihrer Strategie unterstützt (www.kraus-und-partner.de).


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