Projektmanagement-Ressourcen ausbauen
Quelle: Machwürth Team Inter­national

Projektmanagement-Ressourcen ausbauen

Von Hans-Peter Machwürth

Projekte stellen oft neue Herausforderungen an die Projekt-­Teams. Unternehmen müssen häufig noch unerfahrene Projektleiter und -Teams an komplexe Aufgaben heranführen. Projekt-Coaching kann helfen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2019/03

     

In Unternehmen werden immer mehr Aufgabenstellungen in Projekten gelöst, um schnell und flexibel zum Beispiel auf Marktveränderungen reagieren zu können. Deshalb wird die Fähigkeit, Projekte zielorientiert aufsetzen, durchführen und evaluieren zu können, ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Doch die Praxis zeigt: In vielen Firmen divergieren schon die Vorstellungen darüber, was ein Projekt ist. So wird in manchen Betrieben jede Sonderaufgabe, die mehrere Mitarbeiter gemeinsam erfüllen, bereits als Projekt bezeichnet – unabhängig von ihrer Komplexität und Relevanz für das Unternehmen.


In vielen Firmen fehlen ausserdem geeignete Projektmanagement-­Strukturen. Weder sind die notwendigen Rollen definiert, noch existieren die erforderlichen Gremien für ein funktionierendes Projektmanagement. Zudem gibt es kein Handbuch mit Regelungen für das Planen und Durchführen von Projekten.

Projektleiter sind oft "Projekt-Unternehmer"

Häufig sind auch die Projektleiter nicht ausreichend qualifiziert. Denn viele Unternehmen unterschätzen, wie hoch die fachlichen, persönlichen und kommunikativen Anforderungen an Projektleiter bei bereichs-, standort- oder gar unternehmensübergreifenden Projekten sind. Die Projektleiter sind faktisch oft "Projekt-Unternehmer" – so gross ist ihre Verantwortung, da bei ihnen fast alle Fäden zusammenlaufen, und so komplex sind oft die Entscheidungen, die sie treffen müssen.


Deshalb empfiehlt es sich bei vielen Projekten – speziell, wenn Unternehmen damit Neuland betreten – den Projektleiter und das Projekt-Team durch ein Projekt-Coaching zu unterstützen, insbesondere, wenn diese noch wenig Erfahrung mit komplexen strategischen Projekten haben, in die in der Regel auch viele Annahmen über die Zukunft einfliessen.

Projektleiter und Projekt-Teams unterstützen

Ein solches Projekt-Coaching muss zweierlei leisten: Erstens muss es das Klientensystem fachlich beraten. Das heisst: Der Projekt-Coach muss den Projektbeteiligten das erforderliche Know-how zum Beispiel in Sachen agiles Projektmanagement, Komplexitätsmanagement und Change Management vermitteln. Und zweitens muss es das Klientensystem bei der Projektarbeit begleiten und beim Entwickeln von (neuen) Lösungsansätzen unterstützen. Das heisst: Der Projekt-Coach muss den Projektbeteiligten als Feedback- und Impulsgeber zur Seite stehen und ihnen durch seine Interventionen zum Beispiel neue Sichtweisen eröffnen und Handlungsperspektiven aufzeigen – auch damit sie mit den begrenzten Ressourcen personeller, finanzieller oder zeitlicher Art effektiv umgehen.


Darüber hinaus dient das Projekt-Coaching dazu, bei den Projektbeteiligten die nötigen Kompetenzen und im Unternehmen die erforderlichen Strukturen aufzubauen, um künftig ähnlich komplexe Projekte ohne externe Unterstützung initiieren und kontrolliert abwickeln zu können, denn in den meisten Unternehmen sind erfahrene und mit allen Wassern gewaschene Projektleiter und -Manager sowie eingespielte Projekt-Teams rar. Diese werden jedoch in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt dringend benötigt.

Interaktionen bedenken und berücksichtigen

Beim Projekt-Coaching werden Unternehmen als soziale, interagierende Systeme betrachtet. Das Projektumfeld und die Interaktionen im Unternehmen werden also in die Überlegungen einbezogen. Entsprechend erfolgt die Auswahl der Interventionen. Das heisst, bei der Planung wird unter anderem berücksichtigt, welche Ziele das Unternehmen mit dem Projekt erreichen möchte, welche Erfahrung neben den Projektbeteiligten die Organisation mit solchen Projekten hat, welche weiteren Projekte und Veränderungsprozesse im Unternehmen laufen und mit welchen Reaktionen seitens der Betroffenen zu rechnen ist.


Dabei lässt der Projekt-Coach die Projektbeteiligten bewusst an seinem Fachwissen teilhaben – denn es geht auch darum, diese in Sachen Projekt- und oft auch Prozess- und Change Management zu schulen. Dabei trägt der Projekt-Coach jedoch stets nur die Verantwortung für den Beratungs- und Begleitprozess – nie für die inhaltlichen Ergebnisse der Projektarbeit. Hierfür zeichnen die Projektbeteiligten in ihren verschiedenen Rollen und Funktionen verantwortlich. Denn nur durch das gemeinsame Entwickeln von Lösungsansätzen entsteht bei ihnen das Commitment, das langfristig den Erfolg garantiert.

Das Projekt: ein Subsystem im Unternehmen

Auch das Projekt selbst wird beim systemischen (Projekt-)Coaching als ein soziales (Sub-)System verstanden mit folgenden vier Grundpfeilern: Projektziele, Projektkultur, benötigte Skills und (Projekt-)Struktur (siehe Grafik). Zu welchen Interventionsmethoden beim Projekt-Coaching gegriffen wird, hängt davon ab, in welchen der vier genannten Bereiche ein Entwicklungsbedarf besteht. So können zum Beispiel (Projektmanagement-)Trainingssequenzen eine wichtige Rolle spielen, wenn Wissensdefizite bestehen. In anderen Projekten kann der Fokus auf Organisationsentwicklungs- oder Change-Management-Massnahmen liegen, wenn Defizite auf der Struktur- oder Kulturebene bestehen. Und in wieder anderen kann der Schwerpunkt auf der Einstellungs- und Verhaltensebene liegen – zum Beispiel, wenn auch die Projektbeteiligten einen mentalen Turn-around vollziehen müssen, um Erfolg zu haben.

Der Projekt-Coaching-Prozess

Ein Projekt-Coaching startet stets mit einer Analyse der Ist-Situation. Mit den relevanten Beteiligten (z.B. Projektleiter, Programm-Manager, Personalentwickler, Abteilungsleiter, erfahrene Projektteammitglieder) wird eine Bestandsaufnahme durchgeführt und eine SWOT-Analyse erstellt. Dies kann durch Telefoninterviews geschehen, in der Regel wird jedoch ein Workshop durchgeführt, um das Gemeinsamkeitsgefühl und Commitment zu stärken.


Im nächsten Schritt werden die Ziele des Projekt-Coachings definiert. Das geschieht mittels einer strukturierten Befragung der Key-Stakeholder, in der diese den Ideal- oder Wunschzustand beschreiben. Über einen Vergleich der Ergebnisse mit dem Ist-Zustand werden die Schwachstellen ermittelt, für die anschliessend ein Interventions-Design definiert wird. Das Definieren der Ziele und Massnahmen sollte im persönlichen Gespräch erfolgen, um Klarheit zu schaffen und unterschiedliche Erwartungshaltungen zu vermeiden. Auf Basis der definierten Massnahmen erfolgt dann eine erste zeitliche Abschätzung des Aufwands. Ausserdem werden Qualitätskriterien festgelegt und wird der Kostenrahmen bestimmt. Ein Projekt-Coaching-Prozess kann abhängig vom Charakter des Projekts und vom Reifegrad des Projekt-Teams zwischen einem Monat und einem Jahr dauern – bei hochkomplexen Projekten sogar Jahre.

Flexibel auf akuten Bedarf reagieren

Nach Vertragsabschluss werden die vereinbarten Massnahmen umgesetzt. Der Coach ist nun regelmässig beim Kunden, um Coaching-Gespräche zu führen, Sitzungen zu moderieren, Schulungen durchzuführen, Dokumentationsstrukturen anzulegen, Tools einzuführen, den Projektstatus zu erheben und vieles mehr.

Während der Durchführungsphase finden regelmässig Review Meetings mit den Auftraggebern statt. So wird überprüft, ob Zwischenziele erreicht und Qualitätskriterien erfüllt wurden. Gegebenenfalls werden Kurskorrekturen vorgenommen. Diese Review Meetings werden von Anfang an in den Coaching-Prozess eingeplant.


Sind die Massnahmen abgeschlossen, folgt die Evaluierungs- und Transferphase. Für den Transfer werden Vereinbarungen zur Umsetzung und weiteren Entwicklung getroffen. Danach ist es die Aufgabe der Kundenorganisation, das Umsetzen der Vereinbarungen zu monitoren.

Aus der Erfahrung für die Zukunft lernen

Bei der Evaluation werden auch die Geschehnisse der letzten Wochen oder Monate reflektiert: Was lief gut, was weniger gut? Was sollte beim nächsten Projekt anders gemacht werden? Wo besteht noch Entwicklungsbedarf auf der personalen und organisationalen Ebene? Wechselseitiges Feedback rundet das Projekt-Coaching ab. Nicht nur der Coachee, also zum Beispiel der Projektleiter, erhält ein Feedback, sondern auch der Coach vom Coachee und seinem Auftraggeber, so dass sowohl im System Unternehmen als auch im Coaching­-System ein Lernen für die Zukunft erfolgen kann.

Durch systemisches Projekt-Coaching können auch in Unternehmen mit wenig Projekterfahrung komplexe Projekte auf die Erfolgsspur geführt werden. Zudem können die Kompetenzen sowie die personellen Ressourcen im Bereich Projektmanagement in Unternehmen gezielt ausgebaut werden. Das ist im digitalen Zeitalter, in dem die Kernleistungen vieler Unternehmen in bereichs- und funktionsübergreifender Team- und Projektarbeit erbracht werden, extrem wichtig.


Wie erfolgreich ein Coaching verläuft, hängt stark davon ab, ob der Coach die Balance zwischen Fachberatung und Prozessbegleitung findet. Er muss stets einen neutralen Blick bewahren und darf sich nicht in inhaltliche Projektfragen verwickeln lassen. Durch Wertschätzung aller Projektbeteiligten muss es ihm gelingen, festgefahrene und nicht zukunftsfähige Muster in der Zusammenarbeit der Beteiligten zu erkennen und sie zu neuen Sicht-, Verhaltens- und Vorgehensweisen zu ermutigen.


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