Ein Büro für gewisse Stunden
Quelle: Popup Office

Ein Büro für gewisse Stunden

Popup Office setzt auf den Coworking-Trend und vermietet Büro-Arbeitsplätze stundenweise – mit Fokus auf Grossfirmen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/05

     

Das klassische Büro stirbt», heisst es in einer aktuellen Schweizer Studie «Der Arbeitsplatz der Zukunft» des Beratungsunternehmens Deloitte. Der Trend gehe dahin, orts- und zeitunabhängig arbeiten zu können. Entsprechend werde die Zahl der physischen Arbeitsplätze pro zehn wissensbasierte Mitarbeiter bis 2020 auf sieben bis acht sinken. Nebst dem Home Office soll vor allem das Thema Coworking in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen – sprich Arbeitsplätze, die nach Bedarf stundenweise gemietet werden können. Dabei geht es allerdings nicht nur um das Mieten von Büroplätzen. Mit Coworking soll auch ein Gemeinschaftsgefühl vermittelt, die Kreativität gefördert und das Netzwerk erweitert werden – und zwar sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter. Es ist nämlich keinesfalls so, dass die Coworking-Idee vorsieht, dass einfach anonyme Büroflächen bereitgestellt werden. Vielmehr sollen Unternehmen innerhalb ihrer Arbeitsflächen Coworking Spaces für Externe anbieten, um so frischen Wind in die eigene Firma zu bringen. Es geht um Begegnung, Austausch, das Aufeinanderprallen von Welten.

Kaffee als Bedingung

Arbeitsplätze bereitzustellen, ist das Eine, allerdings wollen diese Plätze auch gebucht werden können. Hier setzt Popup Office an, ein Zürcher Start-up, das vor knapp einem Jahr gegründet wurde. Popup Office ist eine Buchungsplattform für Coworking Spaces sowie Meeting Räume – oder, wie Mathis Hasler, Co-Founder und CEO von Popup Office, es ausdrückt, «eine Plattform, auf der alle möglichen Arbeitsplätze für mobile Wissensarbeiter sichtbar werden».
Selbst unterhält Popup Office keine Räumlichkeiten, stattdessen vermittelt das Start-up die Plätze von Drittanbietern und nimmt damit die Rolle des Brokers ein. Beispielsweise hat Popup Office Zugriff auf die Business Center von Regus, einem Anbieter von Komplettbüros, die üblicherweise für längere Zeit vermietet werden, via www.popupoffice.ch nun aber auch stundenweise gemietet werden können. «Für eine Firma wie Regus sind wir damit ein zusätzlicher Absatzkanal, um die Auslastung zu steigern.»

Daneben will man aber auch anderweitig Arbeitsplätze an Bord holen. «Unser Ziel lautet, auch Firmen für uns zu gewinnen, die noch Arbeitsplätze frei haben und diese vermieten möchten, in der Hoffnung, allenfalls von den Begegnungen, die so entstehen, profitieren zu können», erklärt Hasler. Aber auch Cafés sollen abseits von Stosszeiten fixe Arbeitsplätze via Popup Office verkaufen können und so quasi zum Coworking Caffee werden. «Klar kann jemand auch einfach so in ein Café gehen und dort arbeiten. Doch wenn er einen fixen Platz über uns bucht, muss er später nicht seinen konsumierten Kaffee mit der Firma kompliziert abrechnen – und seinen Kaffee kriegt er trotzdem.» Denn Bedingung, um via Popup Office einen Arbeitsplatz anbieten zu können, ist, dass dem mobilen Arbeiter Kaffee und Wasser zur Verfügung gestellt werden.
Doch es geht beim Arbeitsplatz im Café nicht nur um Auslastung und einfacheres Spesen-Handling. Locations wie eben das Café, aber auch das Foyer eines Kinosaals oder eine Galerie, seien nicht unbedingt typische Orte, an die man heute arbeiten geht oder wo man ein Meeting abhält. «Wir wollen aber auch solche Plätze für Wissensarbeiter zugänglich machen und so deren Kreativität fördern», erklärt Mathis Hasler.

Grossfirmen im Fokus

Auf Anwenderseite stehen allerdings nicht primär Freelancer oder Start-ups im Fokus, wie man vermuten würde, sondern Grossunternehmen. «Pilotkunden von uns sind Firmen wie Swisscom, Microsoft oder Axa Winterthur. Diese Firmen wollen ihren Mitarbeitern flexible Arbeitsmöglichkeiten bieten, zum einen um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, zum anderen aber auch, weil ihre Mitarbeiter und damit letztlich auch sie selbst vom kreativen, innovativen Umfeld profitieren sollen, das in Coworking Spaces typischerweise herrscht», erklärt Hasler. In den USA sei der Trend bereits viel ausgeprägter – das Zauberwort heisse hier Co-Creation, wobei sich Grossfirmen bewusst mit Start-ups vermischen würden, um so neue Idee gedeihen zu lassen, führt der Popup-Office-CEO weiter aus.
Er glaubt auch daran, dass Unternehmen vor einem gewaltigen Wandel stehen, was das mobile Arbeiten und den Arbeitsplatz der Zukunft angeht. Auch vor diesem Hintergrund habe ihn von Beginn weg das Grossunternehmen für seine Idee interessiert.

Arbeitsplätze gesucht

Aktuell finden sich bei Popup Office etwas über 100 mögliche Arbeitsplätze – vorwiegend in Ballungszentren. Man sei mit Hochdruck daran, weitere Büroplätze und vor allem auch Meeting-Räume zu akquirieren, erklärt Hasler. Dabei will Popup Office auch in die Peripherie. Hasler: «Arbeitsplätze in der Peripherie und in Schlafstädten wären angesichts der Pendler-Thematik auf jeden Fall spannend, sind allerdings nicht ganz einfach zu finden.» Die Zahl der registrierten Nutzer beziffert der Start-up-CEO auf gut 1000 – obwohl diese Zahl rasch ändern könne, sobald eine Grossfirma an Bord geholt werden kann. «Als wir vor ein paar Wochen Swisscom gewinnen konnten, hatten wir innerhalb von zwei Tagen plötzlich 200 registrierte Nutzer mehr.»
Im Falle von Swisscom sei es nun so, dass sich jeder Swisscom-Mitarbeiter mit einer gültigen Swisscom-E-Mail-Adresse bei Popup Office registrieren und das Angebot dann nutzen könne. Swisscom selbst kaufe ein gewisses Kontingent an Stunden das die Mitarbeiter dann aufbrauchen können – ähnlich wie bei einem Prepaid Mobile Abo.
In Zukunft soll es auch möglich werden, dass innerhalb eines Unternehmens optional auch einsehbar wird, wo ein Mitarbeiter einen Arbeitsplatz gebucht hat, so dass andere Mitarbeiter ihm allenfalls Gesellschaft leisten und ihn treffen können. «Zudem wäre es auch denkbar, dass das Unternehmen selbst intern noch freie Arbeitsplätze hat, die es vielleicht aber nur unternehmensintern bei uns aufschalten und somit buchbar machen möchte. Spielformen gibt es viele.»

Volumengeschäft

Geld verdient Popup Office durch eine Vermittlungskommission. Dabei legt das Start-up Wert auf Einfachheit. Der Anbieter eines Arbeitsplatzes bekommt fix 6 Franken pro Stunde. Popup Office wiederum vermietet die Arbeitsplätze für 8 Franken. Im Abo gibt es Rabatte, diese gehen allerdings auf die Marge des Start-ups – sprich die 6 Franken für den Anbieter bleiben bestehen. Meeting-Räume sind teurer, hier setzt Popup Office auf ein flexibles Pricing, je nach Grösse und Ausstattung.
Das Margengeschäft, mit dem Popup Office aktuell das Geld verdient, setzt allerdings ein hohes Buchungsvolumen voraus, damit ein Break-even erreicht werden kann. «Aus diesem Grund denken wir aktuell daran, die Buchungsverwaltungslösung für Firmen kostenpflichtig zu machen. Zudem gibt es auch Überlegungen, dass grössere Anbieter von Arbeitsplätzen eine Gebühr für den zusätzlichen Verkaufskanal, den wir bieten, abliefern. Oder dass wir unser Buchungssystem als White-Label-Produkt verkaufen, so dass ein Unternehmen beispielsweise Arbeitsplätze intern verwalten kann.»

Den Start haben die beiden Co-Gründer Mathis Hasler und Philipp Dick selbst finanziert. Aktuell ist man auf der Suche nach Seed Money, «was über die herkömmlichen Investor-Plattformen nicht ganz einfach ist», wie Hasler eingesteht. «Wir sind nun daran, bei der Kommission für Technologie und Innovation des Bundes das KTI Start-up-Label zu machen, zudem klären wir eine mögliche Zusammenarbeit im Rahmen der Startup-Förderung der SBB. Solche Geschichten helfen dann natürlich auch bei der Suche nach Investoren.»
Gleichzeitig gehe es nun darum, dem ganzen Unternehmen noch professionellere Strukturen zu verpassen, und die zahlreichen Ideen, die da sind, zu kanalisieren und zu priorisieren.
Bis der Break-even erreicht ist, werde es sicher noch zwei, drei Jahre gehen – «da muss man realistisch sein. Bei einer Plattform wie der Unsrigen braucht es einfach Zeit und man muss so lange Luft haben, bis die Idee greift. Und dazu brauchen wir ein Umfeld, das an uns glaubt. Aber dass das Konzept funktioniert, das haben das erste Jahr und die ersten grossen Kunden gezeigt. Denn das Thema ist hochaktuell und heiss – für viele Firmen in der Schweiz», ist Mathis Hasler überzeugt. (mw)


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