Wenn die Kuh den Bauern ruft
Quelle: zVg

Wenn die Kuh den Bauern ruft

Von Richard Brändli

Die Landwirtschaft kann mit M2M-Lösungen Geschäftsprozesse beschleunigen und Ausfallzeiten minimieren. Ein Beispiel.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/04

     

Virtuelle und physische Welt werden eins und dies selbst in Märkten, in denen eine Digitalisierung bislang unvorstellbar schien. Darunter fällt die traditionelle Landwirtschaft, die zunehmendem Modernisierungsdruck ausgesetzt ist. In der Schweiz
verschwinden immer mehr kleine Milchproduzenten von der Landkarte, dafür steigt die Zahl der Grossbetriebe. Landwirte sind nicht nur bei der Ernte, sondern auch bei der Milch- und Fleischproduktion mit enorm anspruchsvollen Wettbewerbsfaktoren konfrontiert. Allein der weltweite Fleischverbrauch pro Jahr hat sich in den letzten 40 Jahren mehr als verdreifacht. Einfach zu bedienende Machine-to-Machine-Lösungen (M2M) sind ein effektives Instrument, diesen Druck zu mindern.

Kühe in Echtzeit überwachen

So wurden beispielsweise in einem Pilotprojekt europaweit 5000 Bauernhöfe mit einer M2M-Lösung ausgestattet. Bis anhin wurde der optimale Besamungszeitpunkt einer Mutterkuh durch Beobachtung festgelegt: sobald eine Kuh ein bestimmtes Bewegungsmuster an den Tag legt, wird der Besamungsspezialist bzw. Tierarzt bestellt. Der Landwirt verlässt sich dabei allein auf seine Erfahrung. Dies ist zeitintensiv und bei grösseren Herden kann er den richtigen Zeitpunkt verpassen. Dann muss er rund drei Wochen lang warten und die nicht tragende Kuh bedeutet totes Kapital.
Um dies zu verhindern, kommt die IT mit einem Brunsterkennungs- und -meldesystem ins Spiel. Die Kühe tragen ein Halsband mit eingebautem Beschleunigungssensor und einem kleinen Funksender. Dieser überträgt die Bewegungsdaten der Kühe über das Mobilfunknetz in ein Rechenzentrum, in der die Bewegungs- und Fruchtbarkeitsdaten von Millionen von Kühen aus der ganzen Welt gespeichert sind, nach Rassen getrennt und minutiös aufgeschlüsselt. Sobald die Software registriert, die sei Kuh empfangsbereit, erhält der Bauer die SMS «Brunst bestätigt», woraufhin der Besamungstechniker alarmiert wird. Die Diagnosen der Maschine sind so zuverlässig, dass die Erfolgsquote stark steigt: Ohne Hilfe der IT sind die Kühe nach vier Besamungen trächtig, mit IT schon nach 1,3 Versuchen.

Geburtstermin per SMS

Eine Kuh trägt etwa 280 Tage. Aber wann genau kalbt sie? Bis anhin musste der Bauer nächtelang im Stall ausharren. Jetzt ist die Kuh vernetzt: Von einer Mobilfunkstation werden SMS-Nachrichten an den Bauern übermittelt, nachdem ein Thermometer bei der Kuh eingesetzt wurde. Aufgrund der von der Kuh ausgehenden Signale erhält er Nachrichten wie «Abkalbung wahrscheinlich innerhalb von 48 Std» (Zuverlässigkeit: mehr als 75 Prozent) oder «Abkalbung innerhalb von 48 Std erwartet» (mehr als 90 Prozent). So kann der Bauer die Geburtshilfe sehr gut vorbereiten. Die M2M-Lösung gibt ihm die Sicherheit, dass er rechtzeitig bei der Kuh sein und notfalls eingreifen kann. Die Resultate: Eine höhere Reproduktionsrate und weniger Stress für den Landwirt, die Kuh und das Kalb.

Analyse

«Das Potential der Landwirtschaft 4.0 in der Schweiz ist gross, denn jeder Bauer möchte seine Zeit optimal und gewinnbringend einsetzen. Hierbei steht im Fokus, trotz hohem Kostenumfeld kostengünstiger zu werden und trotz gesetzlicher Reglementierung wettbewerbsfähiger zu werden. Das nebenstehende Beispiel zeigt, dass weder grosse Investitionen noch hohe Technologiekenntnisse ein Muss sind, es reicht ein SMS-taugliches Mobiltelefon. Doch zurzeit geht es der Schweizer Landwirtschaft vergleichsweise einfach noch zu gut. Aber nun muss sie über die Landesgrenzen schauen und sich der digitalen Transformation stellen, um langfristig bestehen zu können.»


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