HTML5-Webdesign - Bald neue Rechtsfragen in der Schweiz?

Von Responsive Design über Meta Tags bis hin zur Einbettung von YouTube-Videos werfen einige Veränderungen durch HTML 5 für Website-Betreiber neue rechtliche Fragestellungen auf.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2014/03

     

Das World Wide Web Consortium (W3C), hat am 17. Dezember 2012 die Festlegung des neuen HTML5-Standards als beendet erklärt. Seitdem werden weitere Erfahrungen mit der Implementierung dieses Standards gesammelt, bevor er im Jahre 2014 endgültig normiert werden soll. Obwohl sich HTML5 formell betrachtet in einer Schlussentwicklungsphase befindet, liegen ausgereifte Entwürfe vor, die in diversen Browsern bereits implementiert wurden.
Der HTML5-Standard verspricht neue Strukturierungs- und Gestaltungsmethoden für Websites. Einige dieser Neuerungen könnten zunehmend auch neue rechtliche Fragestellungen aufwerfen. Nachfolgend ein paar juristische Aspekte:

Aus- und Einblendung von Seitenbestandteilen


HTML5 ermöglicht es Erstellern, Websites durch besondere Anweisungen (wie z.B. «Section», «Footer», «Header» «Main», «Aside», etc.) mit vielfältigen Navigationsleisten zu versehen. Damit kann ein Browser die Website an Anforderungen des jeweiligen Endgeräts besser anpassen, so wenn zum Beispiel auf dem Bildschirm eines Endgeräts nicht genug Platz für die Abbildung einer ganzen Website vorhanden wäre. Ein Browser beschränkt sich in solchen Fällen darauf, nur wesentliche Navigationsleisten abzubilden und andere Elemente auszublenden oder sie bloss optional anzuzeigen.
Diese Flexibilität wird aber dann rechtlich problematisch, wenn beispielsweise konsumentenschutzrechtlich erforderliche Angaben ausgeblendet werden und für Online-User nicht mehr leicht auffindbar sind, wie z.B. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs). Diese könnten dann im Rahmen eines Vertragsabschlusses u.U. als nicht gültig vereinbart gelten. Online aktive Unternehmen sollten daher ihre Websites so einrichten, dass für den Vertragsabschluss relevante Inhalte stets in unverrückbare HTML5-Elemente platziert werden.

Zur Verwendung von Mikrodaten und Meta-Tags


Die neue «Mikrodata»-Funktion des HTML5-Standards soll es ermöglichen, Angaben in eine Website hinein zu integrieren, die dem Besucher einer Website visuell verborgen bleiben. Mikrodaten sind visuell nicht erkennbar, sondern für Suchmaschinen bestimmt, die jene Website aufgrund der gefundenen Mikrodaten in ihre eigenen Suchfunde aufnehmen. Hier stellt sich die Frage, ob die Verwendung geschützter fremder Kennzeichen in solchen Mikrodaten (wie registrierte Marken oder Firmenbezeichnungen) Rechtsverletzungen darstellen könnten.
Die bisherige Lehre und Rechtsprechung zum unsichtbaren Einsatz fremder Kennzeichen (in beispielsweise «Meta-Tags» und «Google-AdWords») hat bereits erste richtungsweisende Ansätze geliefert. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der unsichtbare Einsatz fremder Kennzeichen in zum Beispiel Google-AdWords zulässig, wenn eine Verwechslungsgefahr für Konsumenten im sichtbaren Bereich auf ihrem Endgerät ausgeschlossen ist.

Nach wie vor umstritten ist jedoch, ob und inwieweit die Verwendung fremder Kennzeichen in Meta-Tags lauterkeitsrechtlich zulässig ist. Rechtliche Probleme könnten sich bei Mikrodaten aber auch stellen, wenn diese eventuell mit den sichtbaren Daten einer Website nicht übereinstimmen. In diesem Fall fragt sich, auf welchen Angaben sich ein Anbieter gegenüber Abnehmern behaften lassen muss und ob dies allenfalls unter dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sogar als irreführendes Verhalten beanstandet werden könnte.

Einsatz der Offline-Nutzung


Eine wesentliche Neuerung des HTML-5-Standards stellt auch die Möglichkeit dar, Websites und darauf befindliche Inhalte permanent im Browser des Nutzers abzulegen, sodass diese auch ohne Verbindung mit dem Internet offline genutzt werden können. Dies lässt sich unterschiedlich bewerkstelligen: Ein Ansatz dazu bietet das neue HTML-5-Element «Web- Storage»: Hier wird die gewöhnliche transitorische Speicherung von Inhalten während des Besuchs einer Website («Session-Storage») mit einer zusätzlichen, dauerhaften Speicherdatei im Browser des Nutzers («Local Storage») ergänzt. Eine andere Möglichkeit zur Offline-Nutzung besteht im «Application-Cache». Mithilfe dieser im Verzeichnis einer Website abgelegten kleinen Textdatei ist es möglich, Websites dauerhaft auf dem Endgerät eines Internetnutzers zu speichern.
Funktional betrachtet lassen sich beide Vorgehensweisen mit sogenannte «Cookies» vergleichen. Rechtlich gesehen stellen sich daher beim
HTML5-«Web-Storage» dieselben konzeptionellen Fragen wie bei herkömmlichen «Cookies»: Art. 45c des Schweizerischen Fernmeldegesetzes (FMG) fordert, dass das Bearbeiten von Daten auf fremden Geräten durch fernmeldetechnische Übertragung nur gestattet ist, wenn (i) dies für Fernmeldedienste und ihre Übertragung erforderlich ist oder (ii) der Nutzer darüber vorgängig informiert wurde und seine Zustimmung dazu erteilt hat.
Die HTML5-«Web-Storage»-Technologie ist nicht nur auf rein funktionale fernmeldetechnische Übertragungszwecke ausgerichtet. Durch deren massiv erweiterten Speicherplatz erscheint sie durchaus geeignet, umfassende (Surf-)Profile von Nutzern zu erstellen, was sich unter rein fernmeldeübertragungstechnischen Gesichtspunkten kaum mehr rechtfertigen liesse. Bezüglich solcher - wohl zustimmungsbedürftiger - Fälle statuiert Art. 45c FMG keine Formvorschriften für das Erteilen der Zustimmung.
Bislang beschränkten sich die meisten Website-Betreiber in der Schweiz darauf, Kunden in einer «Cookie Policy» darüber zu informieren, dass und zu welchem Zweck sie Cookies verwenden und wie sie die Speicherung von Cookies in ihrem Browser deaktivieren können. Dieses «Opt-out- Einwilligungsmodell» hat sich in der Schweiz weitgehend faktisch durchgesetzt, obgleich sich der Schweizerische Datenschutzbeauftragte schon öfters restriktiver für ein vorgängig einzuholendes Einverständnis der Nutzer ausgesprochen hat (im Sinne eines «Opt-in»).

Exkurs: Die europäische Datenschutzrichtlinie und die Schweiz


Anders als im Schweizerischen Datenschutzrecht sieht die neue Europäische Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation 2009/136/EG («e-privacy-Richtlinie») wesentlich restriktivere «Cookie»-Vorschriften vor: Dienen Cookies nicht dem alleinigen Zweck der Übertragung von Nachrichten über ein elektronisches Kommunikationsnetz oder der von einem Nutzer ausdrücklich gewünschten Diensterbringung, so soll ihre Verwendung nur mit der vorherigen, ausdrücklichen Einwilligung des Nutzers erlaubt sein («Opt-in-Modell»).
Unter den EU-Mitgliedstaaten wird bis heute über die Sachgemässheit und Benutzerfreundlichkeit dieser Regelung gestritten. Weil die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist, sind die e-privacy-Richtlinie und deren nationalstaatliche Umsetzung für sie zwar nicht bindend. Für Schweizer Website-Inhaber wird sie aber dann relevant, sobald sie «Cookies» auf Rechnern von in EU-Mitgliedstaaten ansässigen Nutzern speichern. Weil dies regelmässig geschieht, ist die e-privacy-Richtlinie deshalb auch hier in der Schweiz zu beachten.

Integration fremder Inhalte wie YouTube-Videos

Die neuen HTML5-Elemente «Canvas» und «Crossorigin» sollen es ermöglichen, Inhalte von fremden Websites in eine eigene Website zu integrieren und visuell neu zu gestalten. Mit dem «Canvas»-Element können beispielsweise statische Grafiken mit Animationseffekten bereichert werden. Urheberrechtlich betrachtet findet beim Einlesen eines digitalen Werks in das «Canvas»-HTML-Element eine Vervielfältigung, gegenüber den Endgerätenutzern auch eine öffentliche Wiedergabe des digitalen Werks statt. Dies bedarf grundsätzlich der Zustimmung des jeweiligen Urhebers. Zu bedenken ist auch, dass die mithilfe von «Canvas» stattfindende Anpassung einer urheberechtlich geschützten Grafik eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung des Werks darstellt. Wer inskünftig also Grafiken in solcher Form einsetzen möchte, sollte eine umfassende Einwilligung des Urhebers dazu einholen.

Das neue HTML5-Element «Crossorigin» soll es weiter ermöglichen, Inhalte in eine eigene Website zu integrieren, obwohl diese auf einer fremden Website gespeichert sind. Sobald ein Nutzer diese Inhalte auf der mit «Crossorigin» versehenen Website anklickt, ruft er im Grunde genommen Objekte auf einem anderen Webserver auf, ohne dies aber zu bemerken; er nimmt diese als Teil der angerufenen Website wahr. Gemäss bisherigem Stand der Schweizerischen Lehre ist die vollständige Integration fremder Inhalte in eine eigene Website (bislang unter dem Titel «Framing» oder «Inline-Linking» benannt) kennzeichenrechtlich und wettbewerbsrechtlich bedenklich, weil Nutzer veranlasst werden können, fremde Angebote als Angebote der angerufenen Website wahrnehmen.
Nach einem Teil der Lehre sollen solche Integrationen auch Urheberrechtsverletzungen der auf der fremden Website befindlichen Werke darstellen und deshalb der Zustimmung der betroffenen Urheber bedürfen.
Letzterer Punkt ist denn auch umstritten und
bildet derzeit in der Europäischen Union Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der EuGH wird darüber entscheiden müssen, ob die via «Framing» er-
folgende Einbettung von Videoclips der Plattform www.youtube.com in eine Website die Urheberrechte der jeweiligen «Uploader» (auf Youtube) verletzt.

Fazit

Die Einführung des HTML5-Standards und die langfristig damit einhergehenden Veränderungen von Websites der neueren Generation bleiben mit Spannung zu erwarten. Einige dieser Änderungen werden aufgrund im Umlauf befindlicher HTML5-Versionen bereits angewendet. Rechtlich gesehen kann für HTML5 ein erleichterndes Fazit gezogen werden:
Obwohl sich neue Rechtsfragen stellen werden, bestehen alte Rezepte zu deren Lösung.


Dirk Spacek ist Rechtsanwalt in Zürich und Spezialist für Technologie-, Medien- und Immaterialgüterrecht. Er berät vornehmlich Unternehmen aus diesen Branchen in sämtlichen Belangen des Wirtschaftsrechts.


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