CIO-Interview: «Ich versuche, die IT möglichst einfach zu halten»
Quelle: Fleurop-Interflora Schweiz

CIO-Interview: «Ich versuche, die IT möglichst einfach zu halten»

Es gibt wohl kaum jemanden, der Fleurop nicht kennt. Doch nur die wenigsten wissen, wie viel IT es braucht, damit Blumensträusse pünktlich beim Empfänger ankommen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/09

     

Swiss IT Magazine: Herr Kyburz, würde Fleurop heute ohne IT noch funktionieren?
Roland Kyburz:
Nein, denn wir haben mittlerweile sehr kurze Lieferfristen. Wenn ein Kunde bei uns bis 15 Uhr bestellt, garantieren wir, dass wir noch am selben Tag in die ganze Schweiz ausliefern. Dazu muss die IT ganz einfach funktionieren, längere Ausfälle können wir uns nicht leisten.

Wo überall gibt es bei Ihnen IT? Oder anders gefragt: Wenn ich in einen Blumenladen gehe und dort einen Blumenstrauss bestelle, was läuft dann IT-mässig alles ab, bis die Blumen beim gewünschten Empfänger sind?
Jedes Blumengeschäft funktioniert anders, aber grundsätzlich läuft das ganze folgendermassen ab: In jedem Geschäft gibt es einen PC. Darauf läuft eine Web-Applikation von uns, in der sich der Kunde die verschiedenen Blumen, Sträusse und Gestecke anschauen kann. Dann wird der Auftrag mit allen Details im Fleuropnet, also der Web-Applikation, erfasst. Dazu gehören der Text für eine Begleitkarte ebenso wie allfällige Zusatzartikel. Sobald der Auftrag gespeichert ist, wird er automatisch geprüft, auf Fehler oder ob er für das Aus- oder Inland bestimmt ist. Wenn die Blumen in die Schweiz gehen, dann wird der Auftrag direkt an den liefernden Floristen übermittelt und automatisch ausgedruckt. Der kann so sofort mit dem Binden beginnen oder sich den Auftrag am PC natürlich auch noch genauer anschauen. Sobald der Strauss fertig und die Begleitkarte ausgedruckt ist, kann ausgeliefert werden – bei einem Express-Auftrag innerhalb von 90 Minuten. Anschliessend wird die Lieferung bestätigt. Das kann man wieder am PC machen. Neu haben wir aber auch eine App, mit welcher der Chauffeur gleich unterwegs mit dem Smartphone alle Daten eingeben kann.

Mit wie vielen Blumengeschäften arbeiten Sie aktuell zusammen?
Der Verbund Fleurop-Interflora ist in über 150 Ländern aktiv und arbeitet mit insgesamt 50’000 Blumengeschäften zusammen. Fleurop-Interflora Schweiz ist eine rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Landesabteilung. Wir zählen momentan rund 400 Blumengeschäfte, mit denen wir zusammenarbeiten und die IT-mässig direkt mit uns verbunden sind.


Sie sprechen von einer unabhängigen Landesabteilung. Gibt es trotzdem gemeinsame IT-Plattformen oder Synergien, die man nutzen kann?
Es gibt eine Zentrale für die Geld- und Auftragsabwicklung über den ganzen Verbund hinweg, Fleurop-Interflora Global Flower Services (GFS). Sie ist in der Schweiz, genauer in Glattbrugg, zu Hause. Dort wird unter anderem geschaut, dass die IT der verschiedenen Länder einigermassen miteinander kommunizieren kann. Das ist sehr wichtig, denn heute ist praktisch alles automatisiert. Ausserdem kommen die IT-Leiter der verschiedenen Fleurop-Niederlassungen regelmässig bei GFS zusammen, um sich auszutauschen.

Wie ist Ihre eigene IT-Abteilung aufgestellt?
Wir sind mit sieben Mitarbeitern, davon zwei Lernende, eine relativ kleine IT. Trotzdem haben wir sehr wenig ausgelagert, eigentlich nur unseren Webshop. Wir haben einen Administrator, der für unser internes Netz und die Blumengeschäfte zuständig ist. Unterstützt wird er von unseren beiden Lernenden, einem angehenden Systemtechniker und einem angehenden Supporter. Sie sind Generalisten und müssen alles vom Betrieb des Exchange-Servers, über den Drucker-Unterhalt bis zu Installationen vor Ort in den Blumengeschäften können. Erst wenn es irgendwo wirklich in die Tiefe geht, dann holen wir uns externe Hilfe.


War es schon immer so, dass Fleurop so viel selber macht?
Nein. Bevor ich 1997 zu Fleurop gekommen bin war praktisch die ganze IT ausgelagert. Das hatte Vor- und Nachteile. Vor allem war die Reaktionszeit zu gross. Stellen Sie sich vor: Am Valentinstag kommt bei uns alle drei Sekunden ein Auftrag rein. Wenn es da ein Problem gibt und jemand, um das zu lösen, erst zu uns fahren muss, dann gibt das schnell ein Chaos. Ich habe deshalb bis ins Jahr 2000 praktisch die gesamte IT wieder ins Haus geholt und entsprechend interne Kompetenz aufgebaut.

Haben Sie einen Partner, mit dem Sie fix zusammenarbeiten, wenn es in die Tiefe geht?
Ja, die Firma Lanexpert. Sie unterstützt uns wenn es brennt – was zum Glück relativ selten der Fall ist – oder wenn es grössere, komplexe Updates gibt, die für uns zu heikel sind.

Was machen die anderen drei IT-Mitarbeiter?
Das sind Programmierer beziehungsweise .Net-Entwickler. Sie haben unter anderem das ganze Fleuropnet entwickelt. Und auch unser ERP für das Auftrags- und Kundenmanagement, Debitoren ecetera – jedoch ohne Kreditoren und Fibu – wurde inhouse realisiert.


Woran arbeiten Ihre Programmierer momentan gerade?
Wir werden nächstes Jahr, wenn alles gut läuft, einen neuen Webshop aufschalten. Der wird zwar extern entwickelt, aber das PIM, also die gesamte Artikelverwaltung, erneuern wir selber. Das ist eine recht komplexe Sache und beschäftigt uns derzeit stark. Zudem gilt es, die vielen Schnittstellen zum neuen Webshop zu definieren und implementieren.

Wie viele Clients betreuen Sie und Ihr Team?
Rund 440.

Also auch die Rechner der Blumengeschäfte?
Es ist so: Die Blumengeschäfte sind für ihre Hardware im Prinzip selber verantwortlich. Das heisst sie können sie selber einkaufen. Ob sie nun ein Gegengeschäft mit einem lokalen Informatiker machen oder ihren PC günstig im Aldi oder Media Markt kaufen, das ist ihnen überlassen. Was wir ihnen aber anbieten, ist eine Hotline, bei der sie sich bei Problemen melden können und über die wir ihnen helfen, unabhängig von Hersteller oder Kaufort. Denn wenn wir wollen, dass Blumen geliefert werden, dann müssen ihre Rechner laufen. Unser grosses, schnelles Vertriebsnetz ist unsere Kernkompetenz.

Dann ist es auch egal, welches Betriebssystem die Floristen nutzen?
Ja, das ist uns eigentlich egal. Aber das Programm, das bewirkt, dass die Aufträge automatisch ausgedruckt werden, das läuft nur auf Windows-Rechnern.


Und die Drucker kaufen die Blumengeschäfte auch selber?
Nein, die kommen von uns. Wenn man im Internet einen Blumenstrauss bestellt, kann man dort auch gleich eine Karte samt Couvert gestalten. Um diese qualitativ hochwertig und direkt im Blumengeschäft ausdrucken zu können, braucht es einen guten Drucker und wenn möglich überall denselben. Darum stellen wir allen ein Gerät von uns zur Verfügung. Auch das Verbrauchsmaterial, also die Festtinte, Papier ecetera, wird über uns gekauft.

Wie läuft die Wartung der Drucker ab?
Da gehen wir ganz pragmatisch vor. Wenn ein Drucker defekt ist, der noch Garantie hat, dann geht jemand von Xerox vorbei und flickt ihn. Das geht sehr schnell. Wenn es keine Garantie mehr gibt und wir via Hotline feststellen, dass das Gerät wirklich defekt ist, dann verschicken wir noch am gleichen Tag per Post ein neues, damit es am nächsten Tag beim Floristen ist. Das alte kommt dann zurück zu uns und wenn sich hier ein paar defekte Drucker stapeln, lassen wir einen Xerox-Techniker kommen und der repariert alle auf einmal.


Wieso machen Sie es mit den Rechnern nicht auch so?
Wir haben das vor ein paar Jahren versucht, sind aber auf Gegenwehr gestossen, aus den bereits genannten Gründen. Hinzu kommt, dass Floristen Künstler sind und es für viele eine Rolle spielt, wie der Rechner aussieht, der in ihrem Laden steht. Nur ein Modell anzubieten, das würde also nicht funktionieren. Wer sich allerdings nicht selber darum kümmern will oder kann, dem besorgen wir natürlich sehr gerne einen PC, auch ein sehr preiswertes Modell. Es ist nämlich leider so, dass mit einem Blumengeschäft nur die wenigsten reich werden, obwohl sie sehr viel Zeit und Herzblut investieren.

Kommen wir zurück zu Fleurop. Wie sieht Ihr IT-Budget für dieses Jahr aus?
Mein Ziel ist, dass das Budget jedes Jahr in etwa gleich gross ist. In diesem Jahr ist es allerdings höher als üblich, bedingt durch die Entwicklung des neuen Webshops.

Wie schaffen Sie es, jedes Jahr ein gleich grosses Budget aufzustellen?
Ich überlege mir jeweils, was in den nächsten drei oder fünf Jahren nötig ist, und plane nicht nur für ein Jahr. Es gibt immer Sachen, die man auf die Seite schieben kann. Trotzdem ist es mir wichtig, eine moderne IT zu haben. Die Kunst ist, das Richtige zur richtigen Zeit zu tun und das gelingt mir bisher gut.


Was ist die Hauptherausforderung, mit der Sie aktuell konfrontiert sind?
Das ist eindeutig der neue Webshop. Der bindet einerseits viele Ressourcen, andererseits ist er für uns sehr wichtig. Er ist quasi unsere Lebensader. 70 Prozent unserer Aufträge – insgesamt 250’000 pro Jahr – kommen heute auf diesem Weg. Als ich vor 15 Jahren hier begonnen habe, war das noch ganz anders.

Wie sieht es Server-seitig bei Ihnen aus?
Wir haben hier bei uns in Wangen bei Dübendorf einen Server-Raum mit drei Web-Servern, auf denen das Fleuropnet läuft. Hinzu kommen zwei Datenbank-Server, ein Exchange-Server, diverse Applikations-Server für die automatische Auftragsabwicklung und ein SAN. Weiter steht in unserem Server-Raum ein Notstrom-Aggregat, mit dem wir den Betrieb bei einem Ausfall bis zu drei Stunden aufrechterhalten können.

Die Server sind virtualisiert?
Ja, bis auf die Datenbank- und den Exchange-Server.


Weshalb?
Never touch a running system. Ich versuche, die ganze IT möglichst einfach zu halten. Darum sind wir auch noch mit SQL Server 2005 und Exchange 2007 unterwegs – wobei wir den SQL Server noch dieses Jahr auf die Version 2012 aktualisieren wollen. Und so teuer ist ein physischer Server heute ja auch nicht mehr.

Angst vor Security-Problemen wegen den alten Server-Versionen haben Sie keine?
Nein, sonst könnte ich keine Nacht mehr schlafen, denn jedes System ist bekanntlich hackbar. Ich habe die Philosophie, dass ich Daten, die wirklich sensibel sind, gar nicht bei mir gespeichert haben will. So haben wir beispielsweise keine Kreditkartendaten unserer Kunden hier auf unseren Servern und den gesamten Webshop ausgelagert. Und falls es doch einmal etwas Sensitives gibt, dann wird das natürlich speziell geschützt.


Ist die Cloud für Sie ein Thema?
Ja, man kommt ja kaum um sie herum. Allerdings steht für mich dabei, wie Sie sich denken können, die Sicherheit an oberster Stelle. Ich will beispielsweise, dass alle Daten, die wir extern haben, in Schweizer Rechenzentren gespeichert werden. (mv)


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