CIO Interview: «Wir können uns keine Experimente erlauben»
Quelle: SITM

CIO Interview: «Wir können uns keine Experimente erlauben»

2013 wird für die 1400 Mitarbeiter von Möbel Pfister ein spannendes Jahr. Der Arbeitsplatz der Zukunft kommt, samt Windows 8 und modernen, neuen Geräten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/01

     

Swiss IT Magazine: Herr Leuenberger, was hat sich in den letzten zehn Jahren, seitdem Sie IT-Leiter bei Möbel Pfister sind, bezüglich IT verändert?
Hans Leuenberger:
Eine ganze Menge, man kann das kaum mehr vergleichen. Was bereits da war, als ich anfing, war SAP. Möbel Pfister setzt nämlich seit über 25 Jahren auf SAP-Lösungen, am Anfang nur ganz schmal, im Bereich Finanzen. Nun läuft eigentlich alles zentral über SAP. Weiter verfügen wir über einen mächtigen Online-Shop, der vor zehn Jahren noch nicht existierte. Stark verändert hat sich auch die Kommunikation mit unseren Lieferanten. Da läuft beinahe alles elektronisch ab, von der Bestellung, Auftragsbestätigung bis hin zur Rechnungsstellung. Unsere Lieferanten schicken uns ihre Rechnungen zum Beispiel nur noch elektronisch und wir verarbeiten das meiste auf diesem Weg.
Seit mittlerweile auch bereits zehn Jahren lagern Sie einen grossen Teil Ihrer IT an HP aus. Wie kam es dazu?
Möbel Pfister verfolgt im Bereich IT schon seit Langem eine Outsourcing-Strategie. 1995 hat man im Rahmen eines Full-Outsourcings die gesamte IT an IBM übergeben. Nach fünf Jahren und dem Vertragsende hat man im Jahr 2000 dann alles neu ausgeschrieben und in Folge schlechter Erfahrungen mit einem Komplett-Outsourcing das Ganze getrennt und nur noch den IT-Infrastrukturteil ausgelagert. Das Rennen gemacht hat das Unternehmen Compaq, das 2002 von HP übernommen wurde. Seitdem sind wir bei HP und haben den Vertrag kürzlich bis ins Jahr 2017 verlängert.


Wie gross ist Ihr IT-Team heute?
Unsere IT-Abteilung umfasst momentan sieben Personen, also sieben Vollzeitstellen, und vier Mediamatiker-Lehrlinge. Als ich das Team vor zehn Jahren übernommen habe, waren es noch 13 Personen exklusiv Lernende. Wir haben in der Zwischenzeit relativ stark reduziert, nach dem Motto «weniger ist mehr». Und wir machen heute tatsächlich mehr als damals. Das müssen wir aber auch, ist die IT-Penetration doch deutlich höher.
Was machen Sie heute noch selber beziehungsweise was ist nicht ausgelagert?
Die Kernkompetenz meines Teams liegt im Projektbereich, die Abteilung trägt auch die Bezeichnung «Organisation und Informatik». Wir kümmern uns um Konzeption, Organisation sowie das gesamte Projekt-Management und zwar über alle Ebenen von Möbel Pfister hinweg. Dazu gehören klassische IT-Projekte, aber auch solche, die vor allem Organisations- und Prozess-Know-how benötigen und nur am Rande etwas mit IT zu tun haben.


Selber entwickelt wird also nichts mehr?
Nein, nur im ganz kleinen Rahmen. Wir befolgen den Grundsatz «buy before make». Wenn wir etwas brauchen, im Bereich SAP zum Beispiel, dann wird das in der Regel durch Drittfirmen entwickelt. Wir haben mehrere langjährige, gute Partner.

Ist das alles? Nur Projektarbeit?
Fast. Mein Team kümmert sich auch noch um die Applikations-Services und den First-Level-Support. Unsere Kernkompetenzen liegen aber wirklich voll und ganz im Projekt- und Organisationsbereich.

Mit welchen Partnern arbeiten Sie neben HP sonst noch zusammen?
Zu unseren Partnern zählen viele Unternehmen, die uns je nach Bereich oder Projekt am meisten überzeugen. HP ist aber eindeutig unser grösster. Der Bereich Printing wird jedoch schon seit längerer Zeit von Lexmark betreut. Weitere namhafte Partner sind Swisscom im Telecom-Bereich und Bison IT Services für unser Kassensystem.


Wie sieht es im SAP-Bereich aus?
Hier kümmert sich HP um den ganzen Betrieb, bis und mit Basis. Was die Programmierung und die Applikationsentwicklung betrifft, so setzen wir auf drei andere Partner, mit denen wir auch schon länger zusammenarbeiten. Es sind gleich drei, weil wir nicht zu stark von einem abhängig sein wollen und dementsprechend auch die Preise besser sind.

Soweit zur Organisation. Wie sieht die IT-Landschaft von Möbel Pfister aus?
Wir haben rund 1400 Nutzer, die wir direkt oder indirekt betreuen, und zählen rund 900 Clients, das heisst normale Desktops und Notebooks. Weiter ist Bring your own Device (BYOD) für uns ein immer wichtigeres Thema. Wir binden eigentlich jeden, der ein privates Smartphone oder Tablet besitzt, mindestens per Push-Mail an unsere Systeme an. Momentan sind das rund 150 Geräte. Wir haben ausserdem noch um die 90 Kassen im Einsatz, die bereits seit 2006 über Touchscreens verfügen. Zudem findet man bei uns auch noch ein paar CAD-Workstations.

Wie sieht es im Backend aus?
Wir betreiben in unserem Datacenter am Balsberg beim Flughafen Zürich derzeit rund 120 Server. Die meisten davon, über 90 Prozent, sind natürlich virtualisiert, auf Basis von VMWare.


Sie haben also nur ein Datacenter?
Ja, wir haben nur einen Standort, das ist richtig. Dort werden allerdings alle geschäftskritischen Systeme als Cluster in zwei separaten Saves, also komplett getrennten Räumlichkeiten, betrieben und garantieren uns so eine hohe Ausfallsicherheit.

Und wie sieht ihre Software-Landschaft aus?
Was die eingesetzten Programme betrifft, so setzen wir, dort wo es geht, strategisch auf Microsoft und SAP. Insgesamt managen wir rund 100 Applikationen. Als Betriebssystem setzen wir derzeit noch auf Windows XP, neu ab Herbst 2013 auf Windows 8.

Möbel Pfister betreibt Filialen in allen Landesteilen. Stellt das spezielle Anforderungen an die eingesetzten Lösungen?
Ja, unsere Systeme müssen natürlich je nach Sprache, also Deutsch, Italienisch oder Französisch eingestellt sein, ob das nun das Betriebssystem oder SAP ist. Was den Support betrifft, so bieten wir Deutsch und Französisch an. Im Tessin, wo wir nur einen Standort haben, muss man sich mit diesen beiden Sprachen oder via Super-User zu helfen wissen. Wir haben über unsere ganze Organisation eine entsprechende Struktur aufgebaut und pro Standort rund drei Super-User. Insgesamt sind es rund 80 Personen, die den First-Level-Support vor Ort machen.

Was ist die Aufgabe dieser Super-User?
Sie tätigen Informatikbestellungen und sorgen dafür, dass wenn jemand Neues anfängt, ein kompletter Arbeitsplatz bereit steht. Weiter kümmert sich der Super-User beispielsweise um Probleme mit lokalen Druckern. Ich würde sagen 10 bis 20 Prozent aller Support-Fälle können dank ihnen gleich vor Ort gelöst werden.

Welchen Stellenwert hat die IT bei Möbel Pfister heute eigentlich?
Die IT ist für uns heute ein wichtiger Produktionsfaktor. Es gibt kaum einen Arbeitsplatz, an dem es keine oder nur wenig Informatik gibt. Am ehesten findet man ihn vielleicht noch in der Logistik, obwohl wir auch dort heute alles elektronisch rüsten und kommissionieren. So wird heute praktisch jeder Mitarbeiter von Möbel Pfister in irgendeiner Art durch die Informatik unterstützt.

Ohne IT geht also nichts mehr?
Genau. Wenn in der Logistik beispielsweise ein System ausfallen würde, dann hätten wir sehr schnell ein grosses Chaos: Pro Tag liefern rund 100 Lastwagen Ware an. Mindestens so viele gehen dann auch raus. Ein längerer Ausfall ist nicht denkbar, wir können keinen Tag ohne IT sein. Wenn etwas passiert, dann müssen unsere Systeme relativ schnell wieder verfügbar sein.


Was sind andere grosse Herausforderungen, mit denen Sie aktuell konfrontiert sind?
Grosse Herausforderungen gibt es immer, Probleme in dem Sinn haben wir jedoch keine, ausser einem engen Budget auf der einen und hohen Erwartungen auf der anderen Seite. Wir sind in den Mitteln beschränkt und können uns keine Experimente erlauben. Das was wir machen, das muss funktionieren.

Wie sieht denn Ihr IT-Budget aus?
Wir orientieren uns an einem Benchmark, so können wir uns auch mit unseren Konkurrenten messen. Dieser beträgt gegenwärtig 1,6 bis 1,8 Prozent unseres Bruttoverkaufsumsatzes, Tendenz sinkend. Für die IT-Penetration, die wir haben, ist das im Vergleich ein super Wert. Vor zehn Jahren lag er noch deutlich höher, bei 2,8 Prozent. Wir machen heute also deutlich mehr mit weniger Geld, nicht zuletzt auch weil die IT zum Glück immer günstiger wird.

Welche grösseren Projekte sind für dieses Jahr geplant?
Für 2013 haben wir ein grosses Vorhaben, das «Future Workplace» heisst. Wir haben viele junge Mitarbeiter und die haben Erwartungen an einen modernen Arbeitsplatz. Diesen wollen wir gerecht werden. Das Projekt wird die Arbeitsweise und die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern stark verändern.


Können Sie noch etwas konkreter werden? Wie wird sich der Arbeitsplatz verändern?
Wir haben momentan wie erwähnt noch Windows XP und standardisierte Clients im Einsatz. Das funktioniert an und für sich sehr gut. Mit «Future Workplace» wollen wir nun einen Quantensprung nach vorn machen. Den Benutzer erwartet eine ganz neue Umgebung. Wir werden direkt auf Windows 8 migrieren, das ganze Front-End auf UCC-Basis aufbauen, eine VDI einführen und ausserdem kommen wir davon weg, dass die Applikationen wie heute auf jedem einzelnen Client installiert sind. Und natürlich müssen und werden wir auch das Backend entsprechend umbauen. Es ist von A bis Z alles betroffen. Wir werden alles Bestehende verlassen. Wir wählen bewusst einem Green Field Approach. Wir werden auch eine komplett neue AD und neue User-Profile aufbauen respektive ablösen, was sich in den letzten Jahren alles angesammelt hat.

Sie migrieren also direkt auf Windows 8 und lassen Windows 7 aus?
Ja, wir machen wirklich einen einzigen und keine Teilschritte. Wir haben in anderen Projekten bereits gesehen, dass das Überspringen von zwei oder gar drei Technologiegenerationen funktioniert, wenn man die Leute in der Einführung und bei der Schulung gut begleitet. Und die neue Arbeitsergonomie, die Windows 8 bietet, ist am Ende ja einfacher als das, was wir heute haben. Sie passt besser zum Menschen.

Gibt es bei Möbel Pfister also bald nur noch mobile Geräte mit Touch-Displays?
Was den zukünftigen Arbeitsplatz betrifft, so wird es sicher nicht eine sondern mehrere Varianten geben. Dort wo es Sinn macht, werden wir mobile Geräte einsetzen. Es wird jedoch sicher auch noch Bereiche geben, wo nach wie vor stationäre Geräte Sinn machen. Wir werden aber auf jeden Fall das Modernste einsetzen, was es gibt.


Wann beginnt dieses Megaprojekt?
Die Definition der Strategie steht und in den nächsten Wochen wird das Projekt in die Realisierung gehen. Die Nutzer werden erstmals im August oder September etwas davon spüren, dann werden wir nämlich die ersten Rollouts durchführen. Insgesamt gibt es vier Etappen, so dass alles überschaubar und beherrschbar bleibt. Bis das ganze Projekt abgeschlossen ist, inklusive Backend, wird es sicher Herbst 2014 sein.
In wieweit sitzt HP mit im Boot?
Wir werden HP sicher involvieren müssen, das ist klar, aber die Strategie wurde absichtlich unabhängig von bestehenden Partnern definiert. Einzig Microsoft und einige neutrale Partner waren mit im Boot. Wir wollten uns nicht von vornherein zu stark eingrenzen.

Was erhoffen Sie sich durch das Projekt?
Ich bin überzeugt, dass wir dadurch viel glücklicher, günstiger und agiler werden. Und auch effizienter und schneller. Aber wie das im Leben so ist, mit dem Essen kommt der Appetit. Es wird damit sicher nicht fertig sein. Aber wir haben dann zumindest viele Altlasten beseitigt.

Welche Rolle wird das Cloud Computing in Zukunft für Möbel Pfister spielen?
Wir wollen in Zukunft verstärkt Cloud Computing betreiben. Natürlich nicht in jedem Bereich. SAP aus der Cloud wird bei uns beispielsweise nie ein Thema sein. Das System ist über 25 Jahre gewachsen und heute eine Pfister-Lösung, mit vielen Individualentwicklungen, so was kriegt man nicht aus der Cloud. Im Exchange-Bereich kann ich mir Cloud Computing derweil schon viel eher vorstellen. Office 365 ist Teil unserer Future-Workplace-Strategie. Wir werden je nach Anwendung entscheiden: Wenn wir nah an einen Standard-Service herankommen und der Datenschutz keine zentrale Rolle spielt, dann ist die Cloud sicher immer eine Option. Alle heiklen Daten, unserer Kunden zum Beispiel, müssen derweil dort bleiben, wo sie sein müssen, also bei uns, wo sie entsprechend geschützt sind.


Last but not least: Wie gut läuft eigentlich Ihr neuer Webshop? Kaufen Schweizerinnen und Schweizer heute ihre Möbel wirklich online?
Für uns ist der Webshop die 21-igste Filiale, genaue Zahlen kann ich leider keine nennen. Dank ihm haben wir 24 Stunden täglich und 365 Tage im Jahr geöffnet, was heute ein absolutes Muss ist. Ausserdem ist der Shop mehr als ein Shop, ist er doch auch eine wichtige Informationsquelle, bevor man in die Filiale geht oder nachdem man von der Filiale nach Hause kommt und Details noch einmal nachlesen oder sich von den Bildern inspirieren lassen kann. Wir bauen das Angebot natürlich laufend aus. Momentan sind bereits über 12‘000 Artikel online verfügbar. (mv)


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