Die Reise in die Cloud
Quelle: Swiss ICT Magazin

Die Reise in die Cloud

Von Marco Kündig

Der Schweizer Cloudmarkt ist in Bewegung. Was vor gut zehn Jahren mit ersten Konsolidierungs- und Virtualisierungsschritten begann, ist heute ein Markt mit ganz unterschiedlichen Anbietern – vom Hardwareriesen bis zur Kantonsverwaltung. Mit Dienstleistungen wie Gmail oder Doodle nutzt in der Schweiz praktisch jeder die Cloud – häufig ohne es zu merken. Während KMU und der öffentliche Sektor zu den besonders dynamischen Nutzern zählen, sind Grossunternehmen eher zurückhaltend.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2012/06

     

Zahlreiche Unternehmen in der Schweiz haben vor gut zehn Jahren mit ersten Konsolidierungsschritten die Reise in die Cloud begonnen und konsolidierten einzelne Serverräume in grösseren Rechenzentren. Ein paar Jahre später wagten sie mit der Virtualisierung den nächsten Schritt in die Cloud. Sie legten die zahlreichen physischen Server zusammen, virtualisierten sie auf dem Betriebssystem-Layer und erreichten mit einer Virtualisierungssoftware, einem sogenannten Hypervisor, bessere Verfügbarkeit und Hardware-Unabhängigkeit. Die Virtualisierung beschränkte sich aber nicht auf das Betriebssystem, sondern umfasste auch Netzwerke, Datenspeicher und Netzwerkdienstleistungen. Umfragen zeigen, dass Schweizer Unternehmen inzwischen einen Virtualisierungsgrad von gegen 50 Prozent erreichen und damit nicht nur ihre Effizienz steigern, sondern auch ihre Platz- und Stromprobleme in den Griff bekommen haben. Mit der Virtualisierung von Servern ist die Reise in die Cloud aber noch nicht abgeschlossen. Dazu sind genaue Servicespezifikationen, Self-Service-Portale und eine benutzungsabhängige Verrechnung nötig.
Die Reise in die Cloud ist nicht ohne Hindernisse. Die Transitionsphase dauert zwar in der Regel nicht lange, weil sich die technischen Arbeiten in Grenzen halten. Dafür sind die Anpassungen der Businessprozesse nicht zu unterschätzen, denn dabei unterstützt der Cloudanbieter seine Kunden in der Regel nicht. Der Schweizer Fachverband für Cloudcomputing EuroCloud Swiss hat deshalb einen Leitfaden mit Checkliste erstellt, der die wichtigsten Schritte zusammenfasst.

Trend in Richtung Applikations- und Speichervirtualisierung

Untersuchungen prognostizieren die Applikationsvirtualisierung als nächsten grossen Cloudtrend. Sie wird es ermöglichen, Hardware, Betriebssystem und Applikation getrennt voneinander auszutauschen. Dies ist sinnvoll, weil Applikationen einen längeren Lebenszyklus haben als das zugrundeliegende Betriebssystem und die Hardware. Zudem lässt sich mit virtuellen Applikationen einfach Rechenleistung dazu schalten und die Komplexität bei Softwareprojekten verringern.
Ein weiterer Trend ist die Virtualisierung der Speichersysteme. Sie ermöglicht es, Daten system- und ortsunabhängig abzulegen. Den Serversystemen werden virtuelle Datenspeicher präsentiert, die über geeignete Datennetzwerke mit den physischen Systemen verbunden sind. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass sie unabhängig von teuren Speichersystemen funktioniert, da sich den Serverressourcen einfach und rasch unterschiedliche Speicher zuweisen lassen.

Viele neue Cloudanbieter

Seit den 1990er Jahren setzen Firmen auf IT-Outsourcing, um die hohen IT-Budgets zu entlasten. Dabei lagern sie in den meisten Fällen nicht nur einzelne Applikationen, sondern ganze Geschäftsbereiche aus und überlassen die Betriebsverantwortung einem externen Partner. Heute können Outsourcinganbieter ihren Kunden mit der Cloud eine Vielzahl von Möglichkeiten bieten, bei denen die Kunden ihre IT grundsätzlich selber betreiben können. Dadurch sind in den letzten Jahren viele neue Cloudanbieter auf den Markt gekommen.
Prädestinierte Cloudanbieter sind Service Provider wie Swisscom, Sunrise, Green, Cablecom oder Colt mit ihren grossen Rechenzentren und den eigenen Kabelnetzen, welche die Grundlage für die Dienste bilden. Die meisten haben wie andere Unternehmen begonnen, ihre Infrastrukturen zu virtualisieren – zunächst für die internen Dienste, zunehmend aber auch für externe Dienstleistungen, die sie am Markt anbieten. Ein Paradigmenwechsel wie die Cloud eröffnet aber auch neuen Anbietern eine Chance auf dem Markt. So haben sich in den letzten Jahren reine Cloudanbieter wie beispielsweise Cloud Sigma und vCloud etabliert. Auch Hard- oder Softwarelieferanten wie HP, IBM, Dell oder Microsoft bieten in der Schweiz Cloudinfrastrukturen an. Teilweise konkurrenzieren sie so ihre eigenen Partner, die schon länger im Cloudanbietermarkt tätig sind.
System-Integratoren haben ebenfalls angefangen, Cloudinfrastrukturen zu bauen und zu verkaufen. Aus den Lieferanten, die bis anhin Hard- und Softwarelösungen integrierten, sind so Serviceprovider geworden. Manche Unternehmen mit einem hohen Virtualisierungsgrad stellen ihren Mitarbeitenden Private-Cloud-Dienstleistungen zur Verfügung. Interessant sind auch Unternehmen oder Organisationen, die ihre eigenen Plattformen für Partner öffnen. So bieten beispielsweise einige Kantonsverwaltungen ihre IT-Services neu auch Spitälern, der Polizei und einzelnen Gemeinden an.

Alle nutzen die Cloud

So vielfältig wie die Anbieter ist auch die Gruppe der Cloudnutzer. Heute nutzt praktisch jeder Privatanwender die Cloud – oft ohne es zu merken. Gmail, Hotmail, Google Docs oder Doodle sind sogenannte SaaS-Anwendungen (Software as a Service), während Dropbox und Wuala zu den StaaS-Anwendungen (Storage as a Service) zählen. Beliebt sind auch Offsite-Backup-Dienste wie Crashplan, Mozy oder Carbonite.
Innovative Kleinunternehmen beginnen, ihre IT an Cloud-Provider auszulagern. Sie beziehen IaaS-Dienstleistungen (Infrastructure as a Service), um Server- oder Speicherressourcen abzudecken. Immer häufiger implementieren sie auch Disaster-Recovery-Pläne auf StaaS-Lösungen. Kleinstunternehmen, die schon länger auf Dienstleistungen von Outsourcern angewiesen sind, haben mit diesen auf die Cloud umgesattelt.
Mittelgrosse Unternehmen beziehen SaaS-Leistungen beispielsweise, wenn einzelne Abteilungen schnell IT-Dienstleistungen benötigen, welche die eigene IT-Abteilung nicht zur Verfügung hat, oder wenn diese nur für einen begrenzten Zeitraum rasch und kostengünstig zur Verfügung stehen müssen. Immer häufiger kaufen sie auch Collaboration-Lösungen als SaaS-Lösungen wie Office 365 von Microsoft, Webex von Cisco oder Hosted Collaboration Services von Swisscom. Vereinzelt betreiben mittelgrosse Unternehmen in der Schweiz Test- und Entwicklungsumgebungen in der Cloud. Da sie diese nur sporadisch nutzen, sind externe, agil skalierbare und nach Benutzung abrechenbare Modelle geeignet.
Die geringste Clouddynamik ist bei Grossunternehmen zu beobachten. Grund hierfür sind neben den langen Entscheidungswegen auch die hohen Sicherheitsanforderungen. Zudem sind sie selbst gross genug, um ihre IT-Services zu günstigen Stückkosten zu produzieren.

Grosse Dynamik im öffentlichen Sektor

Im föderalistischen Schweizer System gibt es neben den kleinen öffentlichen Verwaltungen, die ein paar wenige Services in ihren Rechenzentren betreiben, auch grosse Verwaltungs-Outsourcer mit mehreren tausend Server-Einheiten wie Abraxas, Bedag und die VRSG. Dieses Marktsegment zeigt eine hohe Dynamik, angetrieben durch die Sparanstrengungen der öffentlichen Hand und das engagierten Cloud-Marketing des Bundes. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Markt in den nächsten Jahren noch stark verändern wird.



Marco Kündig, Cisco Systems. Mitglied der Fachgruppe Cloud Computing im SwissICT.


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