Innovationen: Ein Gemeinschaftswerk

Mit Innovationen können Firmen sich von der Konkurrenz abheben. Auf der Suche nach Ideen sind sie aber auf Mitarbeiter, Kunden und Partner angewiesen.
von Pierre Ukelo

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/09

     

Die erfolgreichsten Unternehmen bleiben darum an der Spitze, weil sie sich durch Innovation ständig neu erfinden. Unglücklicherweise gehört Innovation aber nicht zu den Rohstoffen, welche man einfach einkaufen, mittels Maschinen verarbeiten und dann in Regalen lagern kann, bis man sie braucht. Innovation ist ein komplexer und unsicherer Prozess, der die Zusammenarbeit von vielen Gehirnen, das Engagement von Führungskräften sowie den Einbezug der Mitarbeitenden bedarf. In den letzten Jahren haben verschiedene Software-Hersteller Anwendungen auf den Markt gebracht, welche diese Innovationsprozesse unterstützen. Die Marktforscher von Gartner prophezeien beispielsweise, dass diese Anwendungen für das Ideen- und Innovationsmanagement innerhalb von zwei bis fünf Jahren den Massenmarkt erreichen werden. Schon bald werden sie laut den Auguren essenzieller Bestandteil der IT-Landschaft jeder auf Innovation ausgerichteten Unternehmung sein.


Diese Anwendungen befähigen Organisa­tionen, ihr kollektives Wissen auf eine effiziente, effektive und organisierte Art und Weise zu nutzen und einfacher zu multiplizieren. Obwohl alle dieser Software-Hersteller angeben, dass ihre Lösung die beste Möglichkeit darstellt, die kreativen Ideen zu sammeln, zu fördern und die besten Ideen auszuwählen, basieren sie letztlich alle auf dem gleichen Prozess: Auf die Wahl des zu lösenden Problems folgt die Ideenfindung, anschliessend werden die Ideen ausgewertet, und es wird eine Auswahl getroffen. Der letzte Schritt schliesslich umfasst das Ideen-Prototyping und die Implementierung.
Auch wenn die Software-Hersteller grösstmögliche Unterstützung für diese vermeintlich einfachen Schritte anbieten können, wird der Prozess mit Sicherheit scheitern, wenn nicht verschiedene externe Faktoren berücksichtigt werden. Die Erfahrung zeigt, dass die zwei entscheidenden Schlüsselelemente das Management der Community sowie das Commitment der Führungskräfte sind.

Es braucht die Gemeinschaft

Das Management der Community ist ein kritischer Faktor, wenn es darum geht, einen Ideenfindungsprozess erfolgreich zu implementieren. Denn ohne eine Gemeinschaft besitzt die Organisation keine Quelle für Ideen und erhält kein Feedback, um diese Ideen zu verfeinern und um die richtigen auszuwählen. Es gibt drei verschiedene Community-Typen, von denen ein Unternehmen profitieren kann. Diese sollten jeweils je nach Fokus der Innovation ausgewählt werden.
Die erste Gemeinschaft sind die Mitarbeiter. Diese haben das beste Verständnis für die Schwächen der firmenspezifischen Geschäftsprozesse. Sie kennen die internen Probleme und kommen jeden Tag mit den kleinen und grossen Leistungsschwächen und ihren Konsequenzen in Berührung. Die Nutzung einer dedizierten Ideenplattform nützt zum einen bei der Sammlung von Ideen, um solche Probleme zu lösen. Sie hat zum anderen aber auch positive Nebeneffekte, führt sie doch zu einer verbesserten Zusammenarbeit, beseitigt Daten­silos und verstärkt das Engagement innerhalb der Organisation durch Vertrauenssteigerung.
Die zweite Gemeinschaft, welche adressiert werden sollte, sind die externen Partner. Internes Know-how bringt wenig, wenn die gesamte Lieferkette ineffizient arbeitet. Indem man eine Ideenplattform mit seinen Lieferanten und Geschäftspartnern teilt, wird man nicht nur Ideen sammeln, welche den Warenfluss verbessern, sondern auch neue Kommunikationskanäle unter allen Beteiligten in der Wertschöpfungskette öffnen.


Die letzte und zugleich grösste Community ist die Öffentlichkeit. Sie repräsentiert Kunden und Endverbraucher. Natürlich können sich Führungskräfte Sorgen machen, wenn sie die Plattform für alle und damit auch für die Mitbewerber öffnen. Wenn sie aber Produkte herstellen wollen, die den Bedürfnissen der Kunden entsprechen und eine Markenbeziehung mit den Konsumenten etablieren, ist diese Öffnung unvermeidbar. Die Unternehmen sollten eine solche Chance nicht ausser Acht lassen aus Angst davor, dass die Mitbewerber die erhaltenen Ideen kopieren. Wie Jeff Jarvis in seinem Buch «What would Google Do?» sehr elegant erklärt, «ist die Zusammenarbeit mit Kunden die höchste und lohnendste Form der Interaktion. Und zwar dann, wenn einem das Publikum sagt, was es sich in einem Produkt wünscht – schon bevor es hergestellt wurde. Und mit etwas Glück nimmt das Publikum Besitz von dem Produkt, welches gemeinsam entwickelt wurde.»

Anerkennung ist wichtig

Unabhängig davon, welche Gemeinschaft man wählt, um seinen Innovationsprozess zu füttern, ist es wichtig, diese auch in die richtige Richtung zu lenken. Menschen geben ihre Zeit und ihre Ideen nicht aus reinem Altruismus. Man muss sie motivieren. Dabei muss insbesondere die Frage «Was habe ich davon?» beantwortet werden. Man muss die Menschen belohnen, was auf ganz verschiedene Art und Weise stattfinden kann. So ist es möglich, den Status einer Person auf der Ideenplattform durch Beachtung durch die Community anzuerkennen. Aber auch finanzielle oder ähnliche Belohnungen für die besten Ideen bieten Anreize. Auf jeden Fall sollte das System darauf zugeschnitten sein, vor allem die Qualität und nicht nur die Quantität zu honorieren. Die Art und Weise der Anerkennung und den Weg, diese zu erreichen, müssen ganz klar kommuniziert werden. Der Ideenfindungsprozess muss durch eine konstante Kommunikation auf allen Ebenen begleitet werden. Darunter versteht man zum einen klare Informationen über den Ideen-Auswahlprozess sowie die Details zu den Anerkennungsmöglichkeiten. Ebenso wichtig ist das Führen der Gemeinschaft auf der Plattform durch dafür eingesetzte Mitarbeiter sowie Berichte über die Fortschritte der Projekte und Erfolgs­geschichten über die implementierten Ideen.

Unterstützung durch die Führungskräfte

Führungskräfte haben ebenso viel Einfluss auf den Ideenfindungsprozess wie die Community, welche die Ideen liefert. Innovationen im Unternehmen sollten nicht nur Bestandteil von Verwaltungsratssitzungen bleiben, vielmehr betreffen sie jede Abteilung der Organisation und sollten auf einer klaren Geschäftsstrategie mit ganz spezifischen und messbaren Zielsetzungen basieren. Die Förderung von Innovation benötigt von den Führungskräften drei konkrete, positive Beiträge: Erstens den Einfluss auf die Kultur der Organisation, zweitens den Fokus für die Ideen und drittens die Mittel für das Prototyping. Der erste Schritt, um in einer Organisation Innovation zu fördern, ist es, die bestehende Kultur anzupassen und sie innovationsfreundlicher zu gestalten. Das Experimentieren und das Lernen aus Fehlern sollte Teil eines regelmässigen und kontinuierlichen Prozesses sein. Allein das kann schon ein grosses Unterfangen sein, da Menschen sich grundsätzlich gegen Veränderungen sträuben. Führungskräfte haben Vorbildfunktion. Sie müssen dementsprechend als Vorbilder handeln, so dass der Rest der Organisation das gewünschte Verhalten sieht und diesem Muster folgen kann.


Die zweite Anforderung an die Führungskräfte ist, die Nutzbarmachung des Ideenprozesses vorzubereiten. Um so effektiv wie möglich zu sein, sollten der Community Grenzen für die Kampagne gesetzt werden, damit die Ideen ein spezifisches Problem zum Fokus haben. Deshalb sollten die Themen für die Kampagnen sorgfältig ausgewählt und über die Zeit immer fokussierter werden. Es ist zum Beispiel nicht ratsam, mit einem Thema anzufangen, welches ausschliesslich darauf abzielt, den Profit des Unternehmens zu steigern. Man muss Vertrauen mit einem grundsätzlichen Thema aufbauen, welches idealerweise den emotionalen Nerv trifft. Danach ist es einfacher, nach Ideen zu fragen, welche grösseren direkten Einfluss auf die Finanzen haben. Die letzte Zusicherung, welche die Führungskräfte für einen erfolgreichen Innovationsprozess zur Verfügung stellen müssen, sind die finanziellen Mittel. Wenn man eine Ideenfindungsplattform implementiert, ohne die Mittel für einen Prototypen der ausgewählten Ideen zur Verfügung zu stellen, ist dies eine sinnlose Übung. Die Community will wissen, was mit den eingereichten Vorschlägen passiert und will Taten aufgrund der eingebrachten Ideen sehen. Auch will sie erfahren, wie viele Ideen für die Pilotphase ausgewählt werden und wie viele dann für die Organisation implementiert werden sollen. Ebenso will die Gemeinschaft wissen, wieso es bestimmte Vorschläge nicht geschafft haben und welche Wirkung die angewandten Ideen erzielt haben.

Innovation als Denkhaltung

Ohne ein gutes Community-Management und einer starken Unterstützung durch die Führungskräfte sind Innovations-Initiativen und Ideenfindungs-Plattformen zum Scheitern verurteilt. Es ist unrealistisch zu glauben, dass der Bottom-up-Ansatz ausreicht. Crowdsourcing allein funktioniert nicht. Man braucht eine Organisationsstruktur, die Experimentierfreudigkeit erlaubt, die Probleme anvisiert, um die Ideen zu fokussieren, und letztlich die Prototypen sowie die gesamte Implementierung finanziert. Ebenso wird aber auch ein reiner Top-down-Ansatz nicht funktionieren. Führungskräfte können Innovation nicht befehlen und erwarten, dass die Gemeinschaft ganz altruistisch Ideen einbringt, die der Organisation zu innovativen Produkten oder Dienstleistungen verhelfen und die Gesetze des Marktes verändern. Um Innovation zu einer nachhaltigen Denkhaltung in der ausgewählten Community zu machen, muss Anerkennung erteilt und über alle Ebenen der Organisation kommuniziert werden. Denn bei Innovationen geht es letztlich immer um Menschen.

Pierre Ukelo

Pierre Ukelo ist Manager bei Cambridge Technology Partners.


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