Kontroverse um den Toner

Immer wieder wird behauptet, dass Toner für Laserdrucker und Kopierer potentiell giftige Stoffe enthält. Wie gefährlich ist der Umgang damit wirklich?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/09

     

Die aktuelle Feinstaub-Debatte in Deutschland bringt auch im Informatik-Bereich ein eigentlich altes Thema wieder auf den Tisch: die Gefahr durch Toner in Geräten wie Laserdruckern und Kopierern. Immer wieder schreckten in den vergangenen Jahren Studien auf, die auf das Gefahrenpotential von Toner hinwiesen. Im Jahr 2001 hat zunächst die deutsche Zeitschrift «Ökotest» mit einem Test die Debatte lanciert, im Mai 2004 wies der «K-Tipp» in sieben von acht Produkten potentiell giftige Stoffe nach, und auch die deutsche «Computerbild» testete im September 2004 acht Fabrikate mit ähnlichem Ergebnis. Setzt sich der im Büro arbeitende Teil der Menschheit unwissentlich dem schleichenden Tod durch Tonergifte aus?





Monochromer Toner ist ein komplexes Gemisch, das je nach Toner-Familie ungefähr zur Hälfte aus Polystyrolacrylat und Eisenoxid oder aus Polyesterharz und Eisenoxid besteht. Als Verunreinigungen können in diesen Toner-Inhaltsstoffen mit sehr sensiblen Prüfverfahren immer wieder unter anderem auch Schwermetalle wie Kobalt, Nickel und Quecksilber sowie teils auch Substanzen wie Tributylzinn (TBT) und andere Zinnverbindungen nachgewiesen werden.
Beim Druckprozess lassen sich ausserdem oft flüchtige organische Verbindungen wie Styrol, Phenol und Benzol messen. Je nach der tatsächlich freigesetzten Konzentration können viele dieser Stoffe potentiell giftig oder auch krebserregend sein. Verschärfend können schwer kontrollierbare toxische Kombinationswirkungen hinzukommen, die sich während der Erhitzung und durch den Druck beim Druckvorgang ergeben können.






Dem von Paracelsus aufgestellten toxikologischen Leitsatz zufolge gilt allerdings, dass erst die Dosis das Gift macht. Dies ist auch bei den Inhaltsstoffen von Tonern der Fall, genauso wie für den aktuell in Deutschland kontrovers diskutierten Feinstaub aus Laserdruckern und Kopierern – die Giftigkeit dieser Inhaltsstoffe und Verunreinigungen hängt von den Konzentrationen ab, die im Druckvorgang tatsächlich freigesetzt werden.


ITG spricht von über 700 Verdachtsfällen

Dabei haben die Untersuchungen und Tests gezeigt, dass sich die Menge an im Toner enthaltenen Verunreinigungen sowohl von Hersteller zu Hersteller als auch von Produkt zu Produkt teils deutlich unterscheidet: in einzelnen Tonern wurden überhaupt keine derartigen Stoffe gefunden.





Über den Lüfter des Druckers werden permanent kleinste Mengen von Toner mitsamt den enthaltenen Schadstoffen an die Umgebung abgegeben. Auch beim Kontakt mit Toner, etwa auf bedrucktem Papier oder bei Wartungsarbeiten, besteht Kontaminationsgefahr, wie die deutsche Selbsthilfegruppe «Interessengemeinschaft Tonergeschädigter e.V. (ITG)» betont. Die Gefahr ist demnach schleichend, können die Schadstoffe doch dauerhaft auf die Schleimhäute, die Atemwege und die Haut einwirken. Als Symptome manifestieren sich ein permanentes diffuses Krankheitsgefühl sowie Dauerschnupfen und trockener Reizhusten, die sich zu chronischen Entzündungen der Atemwege und schweren asthmatischen Beschwerden entwickeln können.





Die ITG wurde 2000 von dem ehemaligen Hamburger Polizisten Hans Joachim Stelting gegründet, der 1990 erste Symptome feststellte und dessen Lungenschaden 1995 als tonerbedingter Dienstunfall anerkannt wurde. Damit ist er einer von bloss drei Fällen in Deutschland, die bis heute als Berufsunfall oder
-Krankheit anerkannt wurden. Immerhin berichtet die ITG von rund 750 weiteren konkreten Verdachtsfällen, bei denen Erkrankungen auf den Umgang mit Tonern zurückzuführen seien – auch wenn sie den Beweis bis heute schuldig bleibt.


Gefahr überschätzt

Allerdings lassen diese Zahlen – angesichts der Millionen in Betrieb stehender Laserdrucker und -kopierer – auch einen anderen Schluss zu: Dass es sich nämlich bei den von tonerbedingten Krankheiten Betroffenen um bedauernswerte Einzelfälle handelt, die einem der Inhaltsstoffe gegenüber besonders empfindlich reagieren oder eine generelle Überempfindlichkeit des Bronchialsystems haben. Die zuständigen Berufsgenossenschaften in Deutschland betonen allerdings, dass es keine anerkannte Berufskrankheit auf der Grundlage einer «Tonerallergie» gibt.
Die meisten Hersteller stehen dazu, dass in ihren Tonern auch potentiell giftige Stoffe als Verunreinigungen enthalten sind – allerdings in geringsten Konzentrationen. Sie monieren denn auch, dass die inkriminierenden Tests von Toner unter Laborbedingungen durchgeführt wurden, die den Verhältnissen beim Drucken in keinster Weise entsprechen. Im Büroalltag würden keine gesundheitsgefährdenden Konzentrationen erreicht; im Gegenteil seien die Werte im Bereich der Nachweisgrenze und deutlich unterhalb der zulässigen Grenzwerte – insbesondere dann, wenn die Geräte vorschriftsmässig genutzt und gewartet würden.





So weist etwa Hewlett-Packard darauf hin, dass die in den Untersuchungen benutzten Testverfahren und Toner-Richtwerte-Listen weder international anerkannt noch wissenschaftlich akzeptiert und in ihrer Bedeutung für eine toxikologisch sinnvolle Bewertung möglicher Gesundheitsrisiken nicht bewiesen seien. Dies sei auch der Grund, weshalb HP Zertifikate wie das «LGA-schadstoffgeprüft» der Landesgewerbeanstalt Bayern nicht unterstütze – die zugrundeliegenden Verfahren würden schlicht die HP-internen, auf international anerkannten Anforderungen für Gesundheit und Sicherheit beruhenden hohen Massstäbe für Drucksysteme nicht erfüllen. HP betont, dass man auf simple Toner-Schnelltests verzichte und statt dessen sowohl die Rezepturen als auch die kompletten Drucksysteme (Drucker, Kassetten und Papiere) nach internationalen Standards entwickle und prüfe, darunter etwa die EU-Einstufungskriterien für gefährliche Rezepturen, ISO 9002 (Herstellungsqualität) und ISO 14001 (Umweltschutz) sowie ECMA TC-328 für die Untersuchung der Emissionen und deren Auswirkungen auf die Innenraumluftqualität.






Letztlich dürfte allerdings auch die Toner-Feinstaub-Suppe weniger heiss gegessen werden, als sie gekocht wurde. Betrachtet man nämlich das Gefahrenpotential anderer Geräte und Verhaltensweisen in typischen Büros, so ist die Belastung durch Feinstaub und potentiell gesundheitsgefährdende Emissionen aus Drucksystemen sowie Tonern weitgehend vernachlässigbar. So wird etwa nach wie vor von vielen Arbeitnehmern auch im Büro geraucht – was eine ungleich höhere Belastung der Atemwege des Rauchers und seiner Mitarbeiter durch verschiedenste auch karzinogene Giftstoffe bedeutet.


Tips für den Umgang mit Laserdruckern

Im Umgang mit Toner ist primär gesunder Menschenverstand gefordert. Folgende Punkte sollten berücksichtigt werden:



Laserdrucker und Kopierer sollten in separaten, gut belüfteten Räumen aufgestellt werden.



Bei Papierstau das Papier nicht gewaltsam aus dem Drucker reissen, weil sonst nicht fixierter Toner aufgewirbelt werden
könnte.



Nach Beseitigung eines Papierstaus Hände waschen.



Beim Umblättern von Laserdrucken und -kopien den Daumen nicht mit der Zunge befeuchten.



erschütteten Toner sofort mit einem feuchten Lappen aufnehmen – kaltes Wasser verwenden
(mit heissem wird der Toner fixiert) und den Toner nicht aufwirbeln.



Tonerkartuschen niemals öffnen; leere Kartuschen komplett austauschen und allenfalls von Fachpersonal wieder auffüllen lassen.



Drucker und Kopierer regelmässig von Fachpersonal warten lassen.



Ist doch einmal ein Missgeschick mit Toner passiert, sollte so vorgegangen werden:



Bei Hautkontakt: gründlich mit kaltem Wasser und Seife reinigen.



Bei Augenkontakt: gründlich mit Wasser ausspülen, Augenarzt aufsuchen.



Bei Inhalation: Arzt aufsuchen.




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