Bodenständiges aus heimischer Produktion

Über das Scheitern der Expansionspläne der Orbit/Comdex wurde viel geschrieben. Tatsache ist: Die diesjährige Ausgabe wird nur ein müder Abklatsch der vergangenen erfolgreichen Jahre sein. Freuen kann sich aber der KMU-Anwender. Er wird eine Messe vorfinden, die weniger durch das strategische Geschick der Veranstalter als durch die äusseren Umstände genau auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/15

     

Das Strategie- und Kommunikations-Durcheinander im Vorfeld der diesjährigen Orbit/Comdex dürfte manchen potentiellen Besucher einigermassen verwirrt und vielleicht auch abgeschreckt haben. Von Business über Konvergenz bis zu KMU-Software schlug die Messeleitung seit 2002 etliche Haken. Doch jetzt ist Schluss mit der Änderung und dem Anpassen von Konzepten und Plänen. In drei Wochen öffnet die Ausgabe 2003 der einst mit Abstand bedeutendsten Schweizer IT-Messe ihre Pforten. Aber was erwartet den Besucher zwischen dem 24. und 27. September auf insgesamt zwei Stockwerken der Halle 1 der Messe Basel?



Die auffälligste Änderung im Vergleich zu den vergangenen Jahren wird die Grösse der Messe sein: Mit gerade mal noch rund 10'000 Quadratmetern ist die aktuelle Orbit/Comdex mehr als dreimal kleiner als die letztjährige Veranstaltung. Eine ernüchternde Tatsache, wenn man bedenkt, dass bereits die Orbit 2002 mit dem Präfix "Schrumpf-" versehen wurde und damit das ganze Umpositionierungschaos überhaupt erst ausgelöst hatte.




Es ist viel darüber diskutiert worden, durch welche Fehler die Messeleitung den diesjährigen Einbruch verschuldet hat. Denn einfach auf die Branchenkrise und die "unfaire" Presse lässt sich eine Redimensionierung in diesem Ausmass nicht abschieben. So fühlten sich verschiedene bisherige Grossaussteller mit ihren Anliegen von der Messeleitung nicht ernstgenommen und zu wenig in die Ausrichtungsdiskussionen miteinbezogen. Die Absagen der meisten Schweizer Niederlassungen der grossen US-Hersteller sind somit auch als Retourkutschen an die als überheblich empfundene Messe Schweiz zu verstehen.


Bodenständige Schweizer IT-Kost

Wie dem auch sei. Den Anwender interessieren brancheninterne Querelen herzlich wenig - er will wissen, was ihm die Messe bringt. Und da erweist sich der Einbruch als eigentlicher Glücksfall - vorausgesetzt, man gehört zur grossen Masse der Schweizer KMU-Anwender. Die Orbit 2003 hat wieder ein eindeutiges Gesicht: Bodenständige Schweizer IT-Kost für ebensolche Unternehmen. Denn der Messe den Rücken gekehrt haben in erster Linie die grossen amerikanischen, asiatischen und deutschen Hard- und Softwarehersteller. Erstmals dominieren so auf der Ausstellerseite Schweizer KMU-Softwarehersteller die Hallen. Dies ist für den Businessbesucher doppelt attraktiv. Zum einen findet er auf einer überschaubaren Fläche fast alles, was die heimische Softwareszene zu bieten hat. Zum anderen sind diese lokalen Anbieter auf gleicher Augenhöhe mit ihm. Sie kennen seine Probleme und sprechen seine Sprache. Für einen Schweizer Hersteller ist jedes KMU ein wichtiger Kunde, um den man sich entsprechend bemüht.





Keine Computerausstellung

Die Orbit 2003 wird damit definitiv keine Computerausstellung. Durch die Absage der internationalen Hersteller fehlt die bisher das Bild prägende Hardware fast vollständig. Server, Drucker und Bildschirme werden allenfalls als Hilfsmittel zur Demonstration von Software zu bestaunen sein. Hier zeigt sich auch, wie sehr die KMU-Ausrichtung der Orbit 2003 ein Zufallsprodukt ist. Denn hätte man die Ausrichtung auf den Mittelstand längerfristig geplant, hätte die Messeleitung bestimmt auch versucht, die Büroautomatisation und andere Hardware-lastige Themen unter dem KMU-Dach zu integrieren. So aber beschränkt sich die Ausstellung zum grössten Teil auf Business-Software. Will sich der KMU-Anwender im Vorbeigehen über neue Drucker oder Flachbildschirme informieren, muss er sie bei den Katalog-Distributoren suchen.





Touristen schlafen billiger

Kaum vor Problemen dürften dieses Mal Kurzentschlossene stehen. Hotelzimmer sind in Basel während der Messezeit noch in grosser Zahl und für gewiefte Verhandlungsprofis zu Schnäppchenpreisen zu haben. Vorbei die Zeiten, als die Basler Hotellerie während der Orbit Besucher und Aussteller mit Fantasiepreisen abzocken konnte.



Basel Tourismus bestätigt, dass derzeit noch viele Hotelbetten leer stehen. Wer möglichst billig am Rheinknie übernachten will, tut aber gut daran, nicht als Messebesucher bei Basel Tourismus anzufragen, sondern direkt, als ganz gewöhnlicher Gast sein Hotel zu buchen. Für die Orbit gilt bei Basel Tourismus nämlich ein erhöhter Messetarif, den die Hotels angesichts der ungewöhnlich tiefen Auslastung beim normalen Besucher kaum anwenden dürften, sofern er ein wenig insistiert.




Ab dem 1. September wird unter www.baseltourismus.ch zudem eine Online-Plattform für die Buchung von Zimmern livegeschaltet. Diese beruht auf der gleichen Software wie das Buchungssystem von www.zurichtourism.ch, lediglich das Look-and-Feel wird an die Basler-Verhältnisse angepasst. So sollen die Zimmerpreise im Basler Hotelgewerbe transparenter werden.




Orbit bleibt KMU-Messe

Laut dem bei der Messe Schweiz für die Orbit zuständigen Leiter Bau- und Dienstleistungsmessen, Alain Pittet, wird die Orbit auch in den kommenden Jahren an der KMU-Ausrichtung festhalten, auch wenn diese heuer durch die Beteiligung der Windischer Business-Software-Messe Topsoft eher zufällig zustande gekommen ist. Man gehe davon aus, dass es im IT-Bereich grundsätzlich eine dreigeteilte Anwenderpyramide gebe, erklärt Pittet. Das oberste Segment bilden dabei die international tätigen Grossunternehmen. Diese müssten durch vertikale Branchenlösungen in einem internationalen Umfeld angesprochen werden. Die Orbit wird aber gemäss Pittet auch in absehbarer Zukunft eine Schweizer Messe bleiben und sich darum nicht auf die Bedürfnisse der Grosskonzerne ausrichten. Auch das Fundament der Anwenderpyramide, die grosse Masse der Privat- und sonstigen Einzelanwender, will man bewusst nicht mehr abdecken. Eine Integration des Homebereichs hätte nämlich eine Verzettelung und eine Verwässerung des Business-Anspruchs zur Folge.




Das Zielpublikum der Orbit werden demnach auch in den kommenden Jahren die KMU-Geschäftsanwender sein. Pittet hofft, dass die Messe Schweiz mit dieser Fokussierung auf den Mittelstand in Zukunft auch wieder vermehrt Hardwarehersteller anziehen kann, die in diesem Segment geschäften. Die Orbit soll gemäss Pittet in den nächsten Jahren nämlich wieder wachsen. Dank einer gezielten Ausrichtung, deren Details noch mit allen wichtigen Branchenvertretern abgesprochen werden, hofft Pittet, die Ausstellungsfläche sukzessiv bis auf etwa 20'000 Qaudratmeter steigern zu können. Eine grössere auf die Schweiz ausgerichtete IT-Messe sei angesichts der heutigen Marktverhältnisse und der zurückhaltenden Zukunftsprognosen illusorisch, gibt sich Pittet bescheiden.



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