Surfer's Corner: Instant Messaging - nicht für jeden Geschmack geeignet

Will ich denn eigentlich, dass zusätzlich zum Telefon, das wenigstens bloss während der üblichen Bürozeiten klingelt, auch noch der Instant Messenger durch sein penetrantes Getröte mein Nervenkostüm in Fetzen reisst?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/16

     

Mit Instant Messaging konnte ich mich nie anfreunden. Es beginnt schon damit, dass ich jeder Applikation mit höchstem Misstrauen begegne, die sich beim Systemstart im Hauptspeicher meiner Workstation einnistet und dort Dinge tut, von denen ich Genaueres lieber gar nicht wissen möchte.


Inkompatible, hartnäckige Störenfriede

Die Tatsache, dass nach wie vor mit ungebrochener Fruchtbarkeit ständig neue, mit anderen Systemen inkompatible Instant-Messaging-Tools geboren werden, ist kaum geeignet, meine Zuneigung zu dieser Kommunikationsform zu steigern. Einen Moment lang hatte ich mit ICQ, Yahoo Messenger und Odigo sage und schreibe drei IM-Clients installiert, weil mehrere Freunde aus unterschiedlichen IM-Fraktionen unbedingt dauernd mit mir quatschen wollten. Wenn parallel dazu noch dazu ein Java-basiertes Chat-Applet vom Chat X und ein IRC-Client mit fünf geöffneten Channels laufen, ist es mit der Ruhe beziehungsweise mit der Arbeit endgültig vorbei.



Da wären wir schon beim nächsten Übel: Will ich denn eigentlich, dass zusätzlich zum Telefon, das wenigstens bloss während der üblichen Bürozeiten klingelt, auch noch der Instant Messenger durch sein penetrantes Getröte mein Nervenkostüm in Fetzen reisst? Zumal die globale Community aufgrund der Zeitverschiebung nicht davor zurückschreckt, mich bei eingeschaltetem PC zu beliebiger Stunde brutal aus kontemplativen Momenten zu zerren. Immerhin lässt sich im IM-Client wenigstens die Zufalls-Chatfunktion abschalten, so dass nicht Krethi und Plethi reinchatten können, sondern nur Leute aus der Buddy-Liste, mit denen man wenigstens ab und zu etwas zu tun haben möchte.




Alles in allem scheint mir, trotz gegenteiliger Beteuerungen seitens begeisterter Fans, das IM-Prinzip doch in erster Linie fürs Private geeignet zu sein. Im Business lässt sich per IM-Client allenfalls feststellen, ob jemand gerade online ist und das soeben geschickte E-Mail auch wirklich sofort lesen kann. Alles andere bespricht sich immer noch schneller per Telefon: In wenigen Worten ist sekundenschnell gesagt, was beim Messaging erst mühsam eingetippt werden müsste, und auch die Kostenfrage stellt sich dank deregulierter Telefontarife nicht mehr so beunruhigend wie im Zeitalter der staatlichen Telefongesellschaften.




Neuer Schwung mit intelligenten Agenten?

Für das dahindümpelnde IM-Business - so richtig hat damit nämlich noch niemand Geld verdient - kommt die New Yorker Firma ActiveBuddy gerade richtig. Mit einer neuen Art von "Buddy" will sie der IM-Technologie den Kick verleihen: Schickt man seine Instant Message statt an einen Freund aus Fleisch und Blut an einen von ActiveBuddy programmierten Softare-Roboter, liefert dieser instantly die gewünschte Information zurück, die er aus verschiedenen Webquellen zusammensucht. Mit anderen Worten: Er erspart dem IM-User den Besuch der entsprechenden Websites. Zarte Anfänge des Prinzips sind bei AOL, Microsoft und Yahoo schon zu finden, wenn Kinoprogramme, Aktienkurse und News-Schlagzeilen per Instant Message ins Haus geliefert werden.




Na ja. Helle Begeisterung will bei mir auch bei dieser Idee nicht aufkommen, die Experten wie der Informatikprofessor Pazzani von der Uni Irvine als revolutionär bezeichnet. Originalton: "Das eröffnet für das Internet bisher unerforschte Anwendungsgebiete." Erstens surfe ich gerne selbst. Zweitens: Wer garantiert mir, dass der Software-Agent tatsächlich genau die Informationen liefert, die ich brauche, und das auch noch vollständig? Und drittens ist der aktive Buddy nichts weiter als die x-te Inkarnation des intelligenten Software-Agenten, der sich bisher bei keiner einzigen Anwendung wirklichen Erfolgs erfreuen konnte: Weder ins Betriebssystem integrierte Agents, von Apple schon Ende der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts visioniert und von Microsoft testweise implementiert, noch Internet-Suchagenten wie Atomica oder Copernic haben jemals mehr als marginale Beachtung erreicht.



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