B2B im KMU: Gesucht, gefunden, beschafft

In kleinen und mittelgrossen Unternehmen unterstützen heute Suchmaschinen statt vollautomatische Marktplätze die Beschaffung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/06

     

Was Grosskonzernen recht ist, soll dem KMU billig sein: Ende der neunziger Jahre schossen elektronische Marktplätze wie Pilze aus dem Boden. Mit ihrer Hilfe sollte auch der Kleinbetrieb sich auf dem Weltmarkt rasch und günstig mit Produktionsmitteln, Rohstoffen, Halbfabrikaten und Dienstleistungen eindecken können. Funktioniert hat das allerdings nie so richtig. Auch in der Schweiz versanken diverse B2B-Plattformen sehr schnell wieder in der Versenkung – Plenaxx zum Beispiel, von Swisscom und anderen Schweizer Wirtschaftsgiganten ehrgeizig angekündigt und technisch aufwendig realisiert, lebte kaum mehr als ein halbes Jahr lang.


Am Beschaffungsprozess vorbei

Offenbar waren die IT-Systeme der KMU für eine Direktanbindung an den elektronischen Welthandel noch nicht reif. Auch wenn sich dies dank XML und Web Services in der Zwischenzeit geändert hat, sind die Usanzen die gleichen geblieben. Der typische Einkäufer greift bei der Suche nach günstigen Gelegenheiten als erstes zu einem Verzeichnis – egal ob im Internet, auf CD-ROM oder gedruckt – und nutzt dann das Telefon, um mit dem potentiellen Lieferanten zu verhandeln: Der menschliche Kontakt macht gerade im KMU nach wie vor einen guten Teil des Geschäftserfolgs aus.
Dessen ungeachtet bietet das Internet eine noch nie dagewesene Informationsbasis für den geschäftlichen Einkauf. Das einzige Problem: Mit konventionellen Suchmaschinen kommt man in nützlicher Frist nicht zum gewünschten Ergebnis. Statt einer knappen Liste möglicher Lieferanten liefern Google & Co. oft Zehntausende von Seiten, auf denen der gesuchte Begriff irgendwie vorkommt. Die meisten konkreten Produktangebote, die sich auch per Suchmaschine finden lassen, richten sich zudem meist nur an Privatkunden.


B2B-Suchmaschinen im Trend

Als Lösung bieten sich spezialisierte B2B-Suchdienste an. Statt einer Volltextsuche im gesamten Web setzen Service-Provider wie «Wer liefert was?» (WLW) oder «Kompass» auf eigene Datenbanken, in die sich Anbieter von Produkten und Dienstleistungen selbst eintragen und mit Stichworten für bestimmte Branchen und Produktekategorien positionieren können. Dazu kommen eingekaufte oder im Rahmen anderer Aktivitäten ermittelte Daten: Sowohl Kompass als auch WLW können auf eine langjährige Tätigkeit als Herausgeber von gedruckten Branchenverzeichnissen zurückgreifen. Kompass publiziert sein Verzeichnis nach wie vor neben dem Internet auch auf CD-ROM und Papier; WLW hat letztes Jahr ganz auf Online umgestellt.





Ein Online-Informationsdienst für den B2B-Verkehr steht vor zwei Herausforderungen: Erstens muss das Verzeichnis möglichst vollständig sein, zweitens sollte man das Gewünschte rasch und präzise auffinden. Totale Vollständigkeit ist unmöglich; über den meist kostenlosen Basiseintrag lässt sich aber zumindest in der Theorie jeder Anbieter einbeziehen. Dennoch ist der Umfang der Resultate oft mager: Eine Suche nach «Flügelschrauben» ergab je nach Suchmaschine zwischen null und 32 Lieferanten. Auch wenn Flügelschrauben zugegebenermassen etwas exotisch sind, dürfte es in der Schweiz mehr als 32 Bezugsquellen geben.






Für die Auffindbarkeit sorgt eine exakte Einteilung in Branchen, Sparten und Produktekategorien. Dabei ist essentiell, dass der Suchmaschinenbetreiber die Selbstdeklaration der Anbieter nachträglich redigiert – nur so lassen sich unterschiedliche Schreibweisen für ein und dasselbe Angebot und terminologische Konflikte zwischen Kategorien vermeiden.


Eintrag gratis bis teuer

Der Basiseintrag ist, mit Ausnahme von Kompass, bei allen von InfoWeek ermittelten B2B-Suchdiensten kostenlos. Er umfasst aber bloss die wichtigsten Kontaktdaten – Adresse und Telefonnummer sind immer dabei, je nach Suchdienst aber nicht einmal ein live geschalteter Link zur Firmenwebsite. Wer zusätzlich sein Logo präsentieren, Produkte näher vorstellen oder in mehreren Rubriken gefunden werden will, wird auf jeden Fall zur Kasse gebeten. Eine weitere Einnahmequelle, bei allen Dienstbetreibern im Angebot, sind Banner oder andere Online-Inserate.





Mit allgemein gültigen Preisauskünften halten sich die Betreiber der Dienste zurück. Der Schweizer WLW-Geschäftsfüher Robert Beer meint, die Tarife seien von verschiedenen Faktoren abhängig, zum Beispiel der Anzahl Rubriken, in denen ein Angebot erfasst werden soll. Beer rechnet für Insertionsvarianten, die über den Gratis-Standardeintrag hinausgehen, mit einem Betrag «im vierstelligen Bereich pro Jahr». Darüber hinaus betont Beer, bei WLW gebe es keine mehrjährigen Verträge mit automatischer Zwangsverlängerung, wie sie bei Print-Verzeichnissen oft üblich seien.
Konkreter wird Kompass: Hier gibt es zwar keinen kostenlosen Grundeintrag, dafür eine Mitgliedschaft in vier Stufen. Bereits ein «Associate Member» (790 Franken pro Jahr) hat Anspruch auf unbegrenzt viele Links zu den Produkte- und Dienstleistungskategorien und auf ein Firmenlogo. Mehrsprachigkeit, Produktelogos und «Business Cards» in spezifischen Produktkategorien sind Mitgliedern höherer Stufen vorbehalten.






Interessanterweise findet der für Anbieter grundsätzlich kostenpflichtige Kompass auf unsere Flügelschrauben-Anfrage hin die meisten Resultate – allerdings zahlt bei Kompass für einen vollen Zugriff auch der Informationsbezüger: Wer auf www.kompassonline.ch als Nichtmitglied sucht, erhält ohne Passwort nur für einen Teil der gefundenen Anbieter das komplette Firmenprofil; der Rest wird bloss mit Adresse und Telefonnummer aufgelistet.


Marktplatz überschaubar

Es gibt nur wenige reine B2B-Suchmaschinen. Dienste wie toppreise.ch richten sich in erster Linie an Privatkunden auf Schnäppchensuche und kommen in entsprechend verspieltem Kleid daher. «Im B2B-Umfeld», stellt Rober Beer fest, «ist eine sachliche Darstellung gefragt – es bringt am meisten, wenn der Benutzer eine schlanke Liste mit Firmennamen, Telefonnummern und allenfalls noch den Logos erhält.» In diesem Sinn sind sowohl die Suchmaske als auch die Ergebnis-Screens von WLW in einfachem, schnörkellosem Design gehalten. Dies trifft mehr oder weniger auch auf die Auftritte der übrigen B2B-Dienste zu. Die wichtigsten Schweizer B2B-Suchdienste in der Übersicht:



Wer liefert was?
(www.wlw.ch) ist seit 1932 mit branchenübergreifenden Verzeichnissen für gewerbliche Einkäufer am Markt. Für rasche Ergebnisse betreibt WLW ein eigenes Datacenter mit 110 Servern, 5 Terabyte Storage und redundanter Internetanbindung. Das herausragende Merkmal ist ein ausgefeiltes Suchsystem, das den Benutzer selbst dann zu den relevanten Firmeneinträgen führt, wenn die eingegebenen Begriffe nicht mit der gewünschten Kategorie übereinstimmen – eine Suche nach «Fahrzeugtanks» führt beispielsweise korrekt zur Rubrik «Kraftstoffbehälter für Kfz». Die Schweizer Niederlassung in Baar beschäfttigt 23 Mitarbeiter; Geschäftsführer Beer treibt WLW unter anderem mit starker Werbepräsenz in Publikumsmedien sehr aktiv voran. Die in Hamburg gegründete WLW gehört heute zur schwedischen Eniro-Gruppe.



Kompass
(www.kompass.ch) eine Schweizer Gründung, die heute zu Orell Füssli gehört, ist seit 1944 tätig und somit ebenfalls ein altgedienter Player in der Verzeichnisbranche. In der Schweiz sind laut Website 50’000 Firmen erfasst, weltweit sind es in 75 Ländern 1’800’000 Unternehmen in 53’300 Produkt- und Dienstleistungskategorien. Die detaillierten Firmenprofile umfassen neben Informationen über Produkte und Marken auch allgemeine wirtschaftliche Angaben sowie eine Liste von Verwaltungsrat und Management.



Moneyhouse
(www.moneyhouse.ch) bezeichnet sich als B2B-Marktplatz für KMU in der Schweiz. Das Portal bietet neben dem B2B-Verzeichnis aktuelle News von NZZ online, eine ständig aktualisierte Liste von neu im Handelsregister eingetragenen Firmen sowie eine kostenlose Abfrage der Handelsregister- und Konkursdaten des SHAB. Verantwortlich für das Portal ist die Zuger Inkassofirma Credita, die 1928 als Selbsthilfeorganisation von Innerschweizer Gewerbetreibenden gegründet wurde. Das Portal macht einen etwas bunten, aber durchaus seriösen Eindruck. Das Verzeichnis ist bisher etwas spärlich mit Einträgen bestückt, und die Einteilung beschränkt sich auf ein zweistufiges System von Branchen und Kategorien.



Itsbetter.ch (www.itsbetter.ch) wird von der CRM-Spezialistin Optimas betrieben. Die Software stammt von der Baden-Badener Trendadress Medien AG und bietet die Möglichkeit, entweder direkt nach einem Begriff zu suchen oder die Resultate mit Hilfe eines «Produktassistenten» nach Bezug, Eigenschaft, Firmentyp und Kanton einzugrenzen. Die Suchmaschine liefert in Umfang und Qualität ordentliche Resultate, die Oberfläche könnte etwas benutzerfreundlicher sein.
Neben diesen branchenübergreifenden Suchmaschinen existiert eine Reihe von Verzeichnissen für spezifische Produktsegmente. Der Schweizerische Bauernverband betreibt auf seinem Portal agrigate.ch zum Beispiel Marktplätze für Occasions-Landmaschinen und landwirtschaftliche Immobilien. Ganz aktuell und als Businessmodell hochinteressant ist auch oelpooler.ch – hier können sich sowohl Private als auch Firmen über Heizölpreise informieren und zwecks günstigerem Einkauf Gemeinschaftsofferten einholen.





Enterprise Spend Management statt Marktplätze

(ubi)


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