Application Server Trends 2002: Web-Services, Mobile Support, All-in-One-Plattform

Application Server entwickeln sich zur zentralen Schaltstelle für sämtliche Business-Prozesse.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/12

     

Ein Application Server stellt Infrastruktur und Dienste zur Verfügung, mit denen serverbasierte Anwendungen über Internettechnologien zugänglich werden" - so etwa definieren die E-Business-Analytiker von Techmetrix den Begriff. Und wie Oracle im White Paper zum hauseigenen 9iAS betont auch Techmetrix, dass der Application Server innerhalb der Unternehmens-IT zunehmend zur Commodity wird: Wie das Filesystem als notwendiger Teil jedes Betriebssystems gehören Application Server heute ebenso selbstverständlich wie zwingend in jede E-Business-Infrastruktur.


Trend zu mehr Funktionen

Klassisch besetzt ein Application Server zwei Rollen: Für den Entwickler dient er als Bindeglied zu IT-Systemen im Backend, aber auch zu unterschiedlichen Client-Plattformen. Statt sich auf technische Details der Implementation von Datenbankanbindungen und Wireless-Clients zu kümmern, kann sich der Developer voll und ganz auf die Business-Logik konzentrieren. Die Infrastruktur kommt vom Application Server. Dessen Mindestausstattung umfasst Dienste wie Webserver, Transaktionsmanagement, Anbindung an Filesysteme und Datenbanken, Load Balancing/Failover, Security und Systemmanagement.



Im E-Business-Zeitalter kommen neue Anforderungen an die Software-Infrastruktur hinzu. Funktionen wie Portaldienste, Web-Services, Anbindung von Mobilgeräten, Business Intelligence, Verzeichnisdienste mit Single-Sign-on sowie die Integration von Legacy-Systemen aller Art will der Entwickler ebenfalls nicht mehr von Hand programmieren - auch diese sollten in einer Application-Server-Infrastruktur bereits enthalten sein.




Während die meisten Hersteller dazu verschiedene Produkte offerieren, was im Unternehmen oft in einer komplexen "Best-of-Breed"-Kombination von Lösungen unterschiedlicher Provenienz resultiert, integrieren immer mehr Anbieter verschiedene früher separate Produkte in einem Appserver-Gesamtpaket - allen voran die Firma Oracle, die wie bei der Datenbank auch bei ihrem Application-Server-Produkt geltend macht, alle benötigten Features seien kostengünstig bereits im Grundpaket enthalten, was dem Kunden zudem die mühsame Integration von Produkten verschiedener Hersteller erspare. Aber auch Anbieter wie IBM oder Sybase statten ihre Appserver zusehends mit mehr Funktionalität aus. Zu diesem Schluss kommt auch die Meta Group: "2002/3 werden die Anbieter von Application Servern E-Business-Plattformen offerieren, die Dienste wie Portale, Personalisierung und E-Commerce umfassen, Entwicklungs- und Implementationstools enthalten und Middleware-Möglichkeiten bieten."




Die neue Aufgabe: Web-Services

"iPlanet's new Application Server Family Enables Web-Services from Top to Bottom." Mit solchen Slogans propagieren die Hersteller die neu hinzugekommenen Möglichkeiten ihrer Appserver-Produkte zur Bereitstellung von applikatorischer Funktionalität über Internetprotokolle - was wiederum genau der Techmetrix-Definition des Appservers an sich entspricht.



Was sind Web-Services? Das gemeinhin angeführte Beispiel einer Wetterprognose oder eines Börsentickers, die der Webmaster im Abonnement von einem Provider bezieht und in seine Homepage einbaut, trifft die Potenz des neuen Softwaremodells nur am Rande. Web-Services - noch unbedeutend, aber nach Ansicht aller Experten gewaltig im Kommen - werden insbesondere innerhalb des Unternehmens sowie zwischen Geschäftspartnern zum Softwaremodell der Zukunft. Eine Definition von IBM: "Web-Services sind eine neue Art von Webanwendungen. Es handelt sich um eigenständige, selbstbeschreibende modulare Anwendungen, die übers Web publiziert, gefunden und aufgerufen werden und beliebige Funktionen von einfachen Berechnungen bis zu komplexen Businessabläufen erledigen."
Mit Web-Services soll endlich der alte Traum wiederverwendbarer Softwarekomponenten universelle Realität werden: Statt für jede benötigte Funktion das Rad neu zu erfinden, sucht der Entwickler ein passendes Softwarestück, das im eigenen Unternehmen oder bei Fremdanbietern bereits existiert, und baut es nicht etwa in Form von Programmcode in die eigene Applikation ein, sondern bezieht einfach die Resultate vom Provider des Dienstes und verarbeitet diese anschliessend weiter.




Damit das funktioniert, braucht es erstens einen globalen Such- und Verzeichnisdienst für die Web-Services, der gegenwärtig unter der Bezeichnung UDDI entsteht, und zweitens ein ebenso universelles Protokoll zum Austausch der XML-codierten Daten zwischen verschiedenen Web-Services und Anwendungen. Nach anfänglichem Standard-Wirrwarr mit verschiedenen XML-Varianten wie ebXML heisst das anerkannte Web-Services-Protokoll heute SOAP (Simple Object Access Protocol). Es ist ebenfalls XML-basiert, wurde von Microsoft, DevelopMentor und Userland Software ins Leben gerufen und liegt dem Internet-Normgremium IETF als Standardvorschlag vor. SOAP ist eine der wichtigsten Komponenten der .Net-Initiative von Microsoft und wird inzwischen auch von der konkurrierenden J2EE-Plattform unterstützt. Ebenfalls oft erwähnt: die Web-Services Definition Language WSDL, mit der die Provider ihre Services und die Details zu deren Nutzung beschreiben. Das Wichtigste: All diese Protokolle kommen ohne proprietäre Basis aus; "untenrum" braucht es allein TCP/IP und HTTP. Damit funktionieren Web-Services überall, wo eine Internetverbindung möglich ist.



Geht es nach den Branchenauguren, werden standardbasierte Web-Services mit der Zeit bisherige Komponentenarchitekturen wie DCOM, CORBA oder die Sun-Entwicklung Jini vollständig ersetzen. Bis dahin wird aber noch einige Zeit vergehen, so dass ein Application Server neben den Web-Service-Protokollen auch weiterhin andere Softwaremodelle unterstützen muss.




Appserver auf J2EE-Basis

Der Appserver-Markt lässt sich in drei Produktkategorien einteilen: Lösungen auf J2EE-Basis, herstellerspezifische Lösungen mit eigenem Objekt- und/oder Programmiermodell und - separat betrachtet, da von spezieller Bedeutung - die .Net-Plattform. Auf der Techmetrix-Website findet sich eine umfassende Liste aller am Markt erhältlichen Application Server mit über vierzig Einträgen.



Die meisten Produkte basieren auf der von Sun etablierten Java-2-Enterprise-Edition-Plattform, die sich in den letzten Jahren zum Standard für unternehmensweite Software-Dienst-Infrastrukturen gemausert und viele vormaligen proprietären Protokolle und Produkte abgelöst hat. Dementsprechend unterscheiden sich die Produkte in der Grundfunktionalität nur wenig; punkto Performance und erweiterte Funktionen kommen jedoch starke Differenzen zum Tragen.




Unter den J2EE-Appservern findet man Marktleader wie Bea und IBM, Open-Source-Projekte Jakarta Tomcat von der Apache Software Foundation, aber auch exotische kommerzielle Produkte wie den Pramati Server. Den Löwenanteil des Marktes teilen sich Bea, IBM, Oracle, Sybase , iPlanet und SilverStream. Ein näherer Blick auf die J2EE-Szene offenbart die unterschiedliche Herkunft der Produkte:




• Serverhersteller wie IBM (Websphere), Sun (iPlanet) und HP (HP-AS) profitieren von ihrer Stellung im Hardwaremarkt und den existierenden Vertriebskanälen. Ihre Serverkunden beziehen oft auch die Appserver-Software vom selben Hersteller. Die drei Firmen haben damit einen Hausvorteil gegenüber Anbietern, die ausschliesslich Application Server im Programm haben - vor allem bei ihrem traditionellen Kundenstamm, den Grossunternehmen.




• Datenbankhersteller, allen voran Oracle und Sybase, wollen ihre seit den Client/Server-Zeiten traditionell starke Marktposition auch im Webzeitalter halten und führen mit Oracle 9i Application Server und Sybase EAServer robuste J2EE-Implementationen mit hohem Erfolg: Oracle beansprucht für sich sogar die Marktführerschaft und legt als Beweis eine Studie der Hurvitz Group vor, die den Anteil statt nach Umsatz nach dem Prozentsatz der befragten Kunden bemisst, die mindestens einen Application Server vom betreffenden Hersteller in Betrieb haben.




• Unter den unabhängigen Appserver-Herstellern findet sich der Technologiepionier und bisherige Marktleader Bea Systems, dessen WebLogic-Server den Kern zahlreicher grosser Internetauftritte bildet, allgemein als technisch hoch fortgeschrittene, solide Plattform gilt und von den übrigen Herstellern als Hauptkonkurrenz angesehen wird. Mit Allianzen zu Broadvision und Vignette will Bea den zunehmenden Druck von Mitbewerberseite wettmachen. SilverStream, der zweite grosse Anbieter mit einem Appserver als Hauptprodukt, ist vor allem für seine ausgezeichnete Entwicklungsumgebung bekannt und hat sein Portefeuille mit separat erhältlichen Paketen zur Entwicklung und Integration von Web-Services (Extend Director, Extend Composer) ergänzt.


Eigenständige Lösungen: ColdFusion und PHP

Einer der verbreitetsten Application Server basiert nicht auf der J2EE-Plattform: ColdFusion von Macromedia, laut Hersteller bei über 300'000 Entwicklern im Gebrauch, basiert auf der hauseigenen Scriptsprache CFML und hat sich dank niedrigem Preis, flacher Lernkurve und geringen Systemanforderungen bei Webanwendungen im KMU-Umfeld breit durchgesetzt. Fast jeder Webentwickler hatte irgendwann schon mit ColdFusion zu tun. Allerdings setzt auch Macromedia vermehrt auf die J2EE-Schiene: Mit JRun existiert bereits ein J2EE-Server aus gleichem Hause, und die nächste ColdFusion-Generation "Neo" mit geplanter Verfügbarkeit diesen Sommer lässt sich zwar nach wie vor als eigenständiger Appserver betreiben, optional aber auch als Abstraktionsschicht in einen J2EE-basierten Application Server einbetten - die gegenüber dem J2EE-üblichen JSP unkompliziertere CFML-Entwicklungsumgebung vereint sich dann mit der vollen Leistung und Skalierbarkeit der J2EE-Plattform.



Das Open-Source-Projekt PHP, unterstützt und mit Zusatzprodukten ergänzt durch Zend Technologies, eignet sich unter mehreren Aspekten als Alternative zu ColdFusion, J2EE und .Net: Es ist einfacher zu handhaben als die komplexe J2EE-Architektur, die von den Entwicklern ziemlich viel Wissen und Erfahrung fordert. PHP ist zudem nicht an einen Hersteller gebunden; vor allem Microsoft-skeptische kleinere Unternehmen werden dies zu schätzen wissen.





The Microsoft Way

Anders als bei J2EE-basierten Applikationsservern und bei Produkten wie ColdFusion bietet Microsoft keinen eigentlichen Applikationsserver an: Die im Rahmen der .Net-Plattform für Applikationsdienste und Web-Services benötigte Softwarebasis ist auf verschiedene Komponenten der Microsoft-Welt verteilt. Dazu gehören als erstes das Betriebssystem (Windows 2000/XP) und der mitgelieferte Webserver (Internet Information Services), die mit Basistechnologien wie COM+, ASP+ und Active Directory die grundlegenden Mechanismen für komponentenbasierte Software und HTML-Interfaces zu Webanwendungen bereits enthalten. Dazu kommen für die Developer das bestbekannte Visual Basic, die neue Programmiersprache C# und das auf .Net-Belange hin adaptierte Java-ähnliche J#, als Ersatz für das in Redmond ungeliebte Java propagiert, sowie die Entwicklungsumgebung Visual Studio .Net. Aber auch weitere Microsoft-Produkte wie der SQL Server, Exchange und Spezialserver wie Biztalk, der Host Integration Server und der Mobile Information Server bieten wichtige Appserver-Funktionen, die ihrerseits auf den Basisdiensten des Betriebssystems aufbauen. Alles in allem ergibt sich eine vollständige, aber absolut proprietäre Plattform: Für Unix-Umgebungen ist .Net nicht gedacht.
Auf der anderen Seite treibt Microsoft als einer der Hauptproponenten offene Standards wie SOAP und UDDI voran. Eine hohe Interoperabilität zwischen der Java- und der Microsoft-Welt, ganz besonders zwischen .Net-basierten und anderen Web-Services, dürfte damit künftig gewährleistet sein.




Zudem in der Print-Ausgabe: "Application Server: Eine kleine Marktübersicht" und "J2EE versus .Net: Kein Sieger auszumachen"



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