Athlon gegen Pentium 4

Je nach Testsuite hat entweder der Zwei-Gigahertz-Pentium-4 oder der mit 1667 Megahertz getaktete Athlon XP 2000+ die Nase vorn.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/08

     

Das Rennen der Prozessorhersteller Intel und AMD geht mit unverminderter Härte weiter. Die neuesten Boliden im Einsatz sind Pentium-4-Prozessoren mit Taktfrequenzen ab 2 Gigahertz, Variante "Northwood", und der Athlon XP mit "Palomino"-Kern, den AMD mit dem Label "2000+" auf den Markt wirft, obwohl er effektiv bloss mit 1667 Megahertz läuft. Hält der Athlon, was das Marketing verspricht? Oder ist der Pentium 4 klar überlegen?


Die Testkandidaten

Markenhersteller wie Compaq, Dell und HP offerieren heute praktisch ausschliesslich Intel-basierte PCs. Systeme auf Athlon-Basis sind die Domäne der Assemblierer: Die meisten Schweizer Anbieter von Eigenmarken bieten dem Kunden die Wahl zwischen Intel- und AMD-Prozessor. Für unseren Vergleichstest hat uns die Chamer WT Management AG zwei Minitower-Systeme der Marke Brentford zur Verfügung gestellt, die bis auf Prozessor und Motherboard identisch ausgestattet sind - Details siehe Kasten. Die schnelle 3D-Grafikkarte, der Arbeitsspeicher von 512 Megabyte und die Ultra-ATA-Harddisk entsprechen dem heute üblichen Stand bei Desktop-PCs der Oberklasse.





Knackpunkt Bapco Sysmark 2001

Die für den praktischen Gebrauch ausschlaggebende Performance eines PC-Systems lässt sich nicht allein in Angaben wie Megaflops und Anzahl Polygone pro Sekunde fassen. Vielmehr sollten die Antwortzeiten von typischen Anwendungen bei unterschiedlich grossen Datenvolumen gemessen und in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden.



Die Bapco-Testsuiten werden vom Benchmark-Spezialisten MadOnion im Auftrag des Non-Profit-Konsortiums Bapco herausgegeben (Business Applications Performance Corporation, www.bapco.com), das mehrere führende PC-Hersteller und Verlagshäuser zu seinen Mitgliedern zählt. Ziel der Organisation ist die Förderung sinnvoller Benchmark-Testprogramme mit Resultaten, die der Computernutzung im praktischen Gebrauch entsprechen.




Der Bapco Sysmark 2001 simuliert dazu in zwei Testläufen diverse Anwendungsszenarien, die genauso im Alltag eines Designers oder eines Office-Users vorkommen könnten. Ein raffiniertes Script übernimmt dabei die Maus- und Tastaturoperationen, die sonst der Anwender ausführt. Die Anwendungen selbst werden bei der Installation der Testsuite mitinstalliert, sind aber ausschliesslich für das Testprogramm zugänglich.




Ersteindruck zugunsten Pentium

Der erste Durchlauf nennt sich "Internet Content Creation Sysmark" und simuliert das Erstellen von Webseiten und Multimedia-Content mit den Programmen Dreamweaver, Flash, Photoshop, Premiere und Windows Media Encoder. Das Resultat: Sieg für das Pentium-4-System, das mit einer Gesamtpunktzahl von 224 etwa 15 Prozent mehr Leistung zeigt als sein Athlon-basiertes Gegenstück. Für das überlegene Gesamtresultat mögen unter anderem die doch deutlich höhere Taktfrequenz sowie der Level-2-Cache ausschlaggebend sein - beim P4 mit 512 Kilobyte doppelt so gross wie die 256 Kbyte des Athlon XP. Die Punktzahl liegt im übrigen am oberen Ende des Bereichs der von Bapco publizierten Zahlen für 2-Gigahertz-P4-Systeme; offizielle Resultate für den Athlon XP 2000+ finden sich auf der Bapco-Website bis anhin nicht.



Für den zweiten Run, den "Office Productivity Sysmark", können wir keine Vergleichsresultate anbieten. In diesem Test werden typische Office-Aktivitäten mit Applikationen wie Word, Excel, Access, Powerpoint, Outlook, Winzip, McAfee VirusScan und Netscape Communicator sowie der besonders leistungshungrigen Spracherkennung Dragon Naturally Speaking durchgespielt.




Schon auf dem P4-System musste die Testsuite dreimal komplett neu installiert werden, bis der Office-Teil anstandslos durchlief und zum Schluss 181 Punkte ergab - auch dies ein Resultat im Rahmen der offiziellen Zahlen. Unter anderem mussten die Voreinstellungen von Netscape von Hand angepasst werden, damit der Browser nicht zwanghaft eine Internetverbindung aufbaut. Dass eine applikationsbasierte Testsuite wie der Sysmark ein äusserst komplexes Konglomerat verschiedener Anwendungen darstellt und erfahrungsgemäss bei der kleinsten Unstimmigkeit nicht auf Anhieb funktioniert, wurde uns auch vom Lieferanten der Testgeräte bestätigt.



Die Athlon-Maschine liess sich auch nach mehrmaligem komplettem Aufspielen der Testsuite samt aktuellstem Patch nicht dazu bewegen, den Office Productivity Sysmark vollständig zu absolvieren: Zuerst stürzte das System mit einem Bluescreen ab, dann lief der Test zum Teil durch und blieb nach etwa zwei Dritteln stehen, und nach erneuter Installation verweigerte das Testprogramm den Start gar voll und ganz.




Passmark verändert die Perspektive

Die Verhältnisse kehren sich regelrecht um, wenn man statt der Simulation von Anwendungsszenarien die nackten Performance-Daten der einzelnen Subsysteme sprechen lässt. Der Grund: Kommerzielle Anwendungen sind oft auf eine der Prozessorarchitekturen optimiert; ein speziell auf MMX/SSE2 getuntes Programm läuft auf einem 3DNow-ausgerichteten Athlon weniger optimal. Ausserdem ergibt die wilde Kombination von Prozessor-, Memory-, Disk- und Grafikoperationen, die im Praxiseinsatz zwangsläufig auftritt, ein anderes Bild als isolierte Einzeltests im gewissermassen hochsterilen OP-Raum.



Mit dem als Shareware erhältlichen Utility "Performance Test 3.5" von Passmark Software - als Download in der InfoWeek-Shareware-Library verfügbar - haben wir die beiden Kandidaten auf ihre Basisleistungen hin geprüft. Auch dieses Programm liefert zum Schluss einen Gesamtdurchschnitt, das sogenannte Passmark Rating, das die Resultate der einzelnen Tests mit unterschiedlicher Gewichtung zusammenfasst - Details siehe Tabelle.




Die Überraschung: Das Athlon-System schlägt die Intel-Konkurrenz im Passmark-Test auf der ganzen Linie. Mit einem Gesamt-Rating von 317,2 bringt es rund 13 Prozent mehr Performance als das P4-Pendant. Der eklatanteste Unterschied zeigt sich bei den Floating-Point-Operationen - 848,3 versus 547,3 Megaflops sind schon eine gewaltige Differenz. Auch die 2D- und 3D-Grafiktests zeigen eine deutliche Überlegenheit des Athlon. Besonders erstaunlich: Die Disk-Performance des Athlon-Systems ist trotz identischer Festplatte mit identischem Inhalt rund doppelt so hoch wie diejenige des Pentium-Systems.




Photoshop zeigt Athlon-Vorteile

Um neben dem nicht zu Ende gebrachten Sysmark und dem weniger aussagekräftigen Passmark noch ein drittes Testresultat zu erhalten, haben wir Photoshop 6 auf beiden Systemen mit einer grösseren Bilddatei konfrontiert (10,5 Megabyte im LZW-komprimierten TIFF-Format).



Photoshop ist bei professionellen Designern das meistverwendete Bildbearbeitungsprogramm für Rastergrafik. Besonders die zahlreichen Korrektur- und Effektfilter beanspruchen das System stark, auf dem Photoshop läuft. Unser Zehn-Mega-Bild haben wir mit den Filtern "Radialer Weichzeichner" und "Buntglas-Mosaik" bearbeitet. Ergebnis: Beide Filter laufen auf dem Athlon-System deutlich schneller; der Radial Blur rund ein Drittel, das Mosaik etwa 20 Prozent.





Fazit

Der direkte Vergleich zweier bis auf Prozessor und Chipset identischer Systeme lässt keine eindeutigen Schlüsse zu. Je nach Testszenario schwingt entweder das Pentium- oder das Intel-basierte System mit einer Performance-Differenz von 10 bis 15 Prozent obenauf - also eigentlich kein wirklich gewaltiger Unterschied. Interessant ist immerhin, dass der Athlon diese Leistung mit einer nominal wesentlich geringeren Taktfrequenz als der Pentium vollbringt. Auch die erhebliche Differenz bei den maximal erreichbaren Megaflops lässt darauf schliessen, dass der Athlon viele mathematische Operationen dramatisch schneller abarbeitet. Auf der anderen Seite weist der Sysmark-Test mit praxisnahen Anwendungsbeispielen nach, dass schiere Prozessorpower sich keineswegs direkt in erhöhte Produktivität umsetzen lässt.



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